Interview: EQUILIBRIUM - René Berthiaume

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Es ist breit gefächert! Robse macht die tiefen Growls, Martin die Cleans und ein paar Screams. Dom und ich haben tatsächlich auch wenige Passagen gemacht in Sachen Screaming. Wir haben also fast wie eine echte Boygroup aufgenommen! (lacht)

EQUILIBRIUM haben über die Jahre hinweg ihren Stil etwas verändert bzw. modernisiert. Auf dem neuen Werk "Renegades" nimmt das Ganze ein neues Ausmaß an, was uns dazu veranlasst hat, mit Bandchef René zu quatschen.

Text: Sonata
Veröffentlicht am 20.08.2019

Guten Abend René!

Ich grüße dich, Chris!

Vielen Dank, dass das spontan noch geklappt hat mit unserem Plausch hier!

Ach, gar kein Problem! Ich konnte bloß nicht adäquat auf die Anfrage reagieren, weil wir die ganze Zeit unterwegs waren.

Es ist nicht mehr lang hin, bis eure neue Platte "Renegades" raus kommt. Wie kam es dazu, dass ihr sowohl in Sachen Artwork, als auch in Sachen Logo und eben im Bezug auf die Sprache diesen Weg gegangen seid? Ihr hattet schon auf den letzten Alben Englisch durchdringen lassen, aber was war der Grund für diesen Roundup?

Grundsätzlich haben wir schon länger darüber nachgedacht, das Logo zu verändern. Eigentlich wollten wir das schon bei den letzten beiden Alben angehen, haben uns dann aber doch nicht richtig getraut. Jetzt sind wir dann an den Punkt gekommen, wo unser altes Logo nicht mehr zu unserer aktuellen Musik passt. Es war also dringend Zeit, eine Veränderung stattfinden zu lassen. Bei der Musik und mit den Texten war es ja eher ein schleichender Prozess. Auf dem vorletzten Album gab es schon einen Song in Englisch und auf dem letzten noch ein paar mehr. Das neue hält bis auf einen Song nun alles in Englisch. Diese Entwicklung hat sich step by step eingeschlichen, was ein natürlicher Prozess war. Aber klar, jetzt beim neuen Album mit neuen Mitgliedern, neuem Logo und etwas anderem Artwork ist es durchaus eine größere Veränderung.

Das kann man durchaus so stehen lassen. Ich spreche mal aus meiner Perspektive: Auf Social Media gab es ja durchaus von ein paar Fans Kritik, was das Artwork angeht. Da bin ich eher unvoreingenommen, weil mir wichtig ist, dass das Artwok in einer guten Symbiose zur Musik steht und das ist gegeben. Beim ersten Durchlauf war ich etwas erschlagen, aber ich musste es auf mich wirken lassen. Im ersten Moment denkt man auch als "Hardcore" Fan "Oh Gott", aber mit jedem Durchlauf entwickelt sich das Album und es ist irgendwie modernisiert. Man findet nachwievor diese "dudeligen" Melodien und erkennt dadurch die Wurzeln der Band. Auf Youtube gab es ja ebenfalls schon einiges an Kritik, was die neue Single "Path Of Destiny" anbelangt von wegen "Das ist nicht mehr EQUILIBRIUM, weg damit!". Habt ihr damit gerechnet, dass es in irgendeiner Form so eine Kritik geben wird?

Erstmal danke fürs Kompliment! Das hört man gerne, gerade von jemandem, der auch die alten Sachen schon gehört hat. Bezüglich des neuen Songs war uns natürlich klar, dass Kritik kommt. Es ist ja nicht das erste Mal, dass wir einen Shitstorm kassieren. Bei "Erdentempel" hatten wir es bereits beim "Wirtshaus Gaudi" und beim "Armageddon" bei "Born To Be Epic": Ich kann es durchaus auch nachvollziehen, weil es noch extremer anders klingt, als man es gewohnt ist. Gerade der Rap Part ist für engstirnigere Metalhörer ein No-Go. Bei uns in der Band stieß das auch auf geteilte Meinungen, aber jeder fand es spannend und auch witzig. Es ist einfach auch mein Humor, etwas einzubauen, womit keiner rechnet. Daher konnte man erwarten, dass ein Shitstorm kommt. Mal sehen, wie es sich wieder mit der nächsten Single verhält. Viele nehmen die Sache zu persönlich und mittlerweile müsste man wissen, dass wir in manchen Songs eben auch "Humor" verpacken.

Es ist als außenstehende Person immer wieder interessant zu beobachten, was da auf manchen Plattformen los ist und ich bezeichne mich ja auch selbst durchaus als Fan der Band. Man entscheidet selbst, ob man mit einer Band mitwachsen möchte oder eben nicht. Wenn ich etwas zwanghaft scheiße finden möchte, find ichs halt scheiße. Aber ich kenne EQUILIBRIUM wie gesagt nun auch eine Weile und habe mich dazu entschieden, mit der Band zu wachsen als Hörer. Man selbst entwickelt sich ja ebenso als Mensch weiter. Das neue Album offenbart noch mehr Clean Vocals als "Armageddon", wo du selbst Cleans beigesteuert hast. Nun habt ihr Martin bzw. "Skar" an der Angel, der dem Ganzen eine neue Energie gibt und das auch sehr professionell umsetzt. Wie seid ihr auf ihn gestoßen?

Theoretisch kannten wir ihn schon seit 2014, weil TROLLFEST als Support von uns dabei war und er als Session Musiker mitspielte. Da wussten wir noch nicht, dass er singen kann. Letztes Jahr sind wir auf seinen Youtube Channel gestoßen, wo er hauptsächlich Metal Cover von Videospielsoundtracks macht. Meine Stimme fand ich für die neuen Songs nicht so geeignet im Vordergrund, eher als backing Vocals. Wir waren länger auf der Suche nach so einer Stimme und nachdem wir wollten, dass er bei einer Nummer mitmacht, kam es schnell dazu, dass wir ihn fest reingeholt haben. Darüber bin ich auch sehr froh und da können wir uns nun bei den Stimmen mehr ausleben abseits von Growls. Martin kann ja auch screamen.

Achso! Ich dachte erst, dass Robse alle harschen Parts gemacht hätte, auch diese hohen Screams etc. Ich war mir nicht sicher, ob Robse eine neue Technik erlernt hat oder ob das nun Martin war.

Es ist breit gefächert! Robse macht die tiefen Growls, Martin die Cleans und ein paar Screams. Dom und ich haben tatsächlich auch wenige Passagen gemacht in Sachen Screaming. Wir haben also fast wie eine echte Boygroup aufgenommen! (lacht)
 

Das merkt man dem Album an! Man kann euch nicht vorwerfen, ihr würdet euch limitieren oder den Dingen beugen, die alle Leute von euch erwarten nach dem Motto "Nehmt nochmal sowas wie "Sagas" auf" usw. Da kann man ja nur erwidern "Die Alben gibt es schon, hört sie doch!". Da ist mir so ein Entwicklungsprozess lieber, wo ihr allein Vocaltechnisch so fett auftrumpft, wie es auf keinem der vorigen Alben der Fall war.

Gewissermaßen kann ich es ja wie gesagt sogar nachvollziehen. Ähnlich wie du hatte ich früher auch meine Phasen, wo ich nur Black Metal oder so gehört habe. Nix durfte zu modern sein etc. Ich erinnere mich, wie es bei CHILDREN OF BODOM bei dem Album, das nach "Follow The Reaper" raus kam, war. Das Album war schon grooviger und amerikanischer und wir dachten "Das klingt ja wie Nu Metal, das kann man ja gar nicht mehr hören!". Also kann ich es durchaus bei manchen Fans nachvollziehen. Bei DIMMU BORGIR gibt es ja auch solche Wandel, aber man kann bei einem Künstler erkennen, ob das ernst gemeint ist und ob da viel Arbeit drin steckt oder eben nicht. Es muss einem nicht gefallen, aber der Ton im Internet ist teilweise echt nicht okay. Dieses Beschimpfen zum Beispiel... Die Hater reden da so, als würde ihnen die Band gehören und es werden Ansprüche erhoben anstatt sich dafür zu entscheiden, mitzugehen oder es eben zu lassen. Es ist eine Mentalität, die ich etwas asozial finde, aber das ist dem Zeitalter des Internets geschuldet.

Unter Anonymität kann man hinterm Bildschirm eben totalitär alles raushauen. Konstruktiv finde ich sowas cool, aber Kommentare wie "Benennt euch um! Ihr seid nicht mehr EQUILIBRIUM!". Das finde ich vollkommen übertrieben, zumal ihr ja auch als Band Veränderungen durchgemacht habt.

Man sieht ja auch bei anderen Bands, wie das da abgeht, sie aber weiterhin sehr erfolgreich sind. Zum Beispiel BRING ME THE HORIZON, die eine völlig andere Richtung eingeschlagen haben und dementsprechend muss sich die ein oder andere Band damit rumschlagen. Man darf es nicht persönlich nehmen und muss nur mit sich vereinbaren können, was man macht. Ich könnte nicht zum 1000. Mal "Blut im Auge" aufnehmen. Dann fühlt es sich mehr wie ein Beruf an, aber es wäre nicht authentisch. Ich finde auch die alten Alben allein aus Nostalgiegründen schön, aber wir haben sie bereits geschrieben, warum also nochmal?

Du hast eben erwähnt, dass Skar einen Videospielbackground hat und ihr jabt ja nun mit Julie Elven gearbeitet. Hat das was mit eurem Videospielbackground zu tun und ist dadurch die Zusammenarbeit entstanden?

Der Hauptgrund war es tatsächlich nicht. Bei Skar wussten wir es natürlich durch seinen Channel und die Tage, wo wir jetzt immer unterwegs waren während der Festivalsaison, gab es auch immer genügend Themen, über die man quatschen kann. Bei Julie war es so: Kurz vor der Deadline habe ich noch nach Sängerinnen gesucht und diese Idee kam halt sehr spontan. Es war eine intuitive Entscheidung, dass wir sie gefragt haben und sie sich gemeldet hat. Wir haben erst gar nicht gecheckt, dass sie auch was für World Of Warcraft gesungen hat etc. Das hat sich erst danach herausgestellt. Das war eine nette Überraschung, dass man eine in dem Bereich bekannte Sängerin engagieren konnte. War uns vorher tatsächlich nicht bewusst.

Aber ihr habt es ja in dem Kontext super umgesetzt, weil man sowohl ihren als auch euren Background erkennt.

Das stimmt!

Wie sah es denn insgesamt bei euch in der Band aus, was den Wandel von EQUILIBRIUM betrifft? Du hattest vorhin erwähnt, dass es bei euch geteilte Meinungen gab, was das Feature von THE BUTCHER SISTERS anbelangt. Wie sah es also grundsätzlich aus innerhalb der Band? Bestand Einigkeit darüber, diesen Schritt so auf "Renegades" zu gehen?

Diese generelle Entwicklung in Richtung modernere Sounds und in Richtung aktuellere Themen war bei allen gleich. Bei dem Rapteil war es als einziges so, dass wir geteilter Meinung waren. Aber das Endresultat fanden da ja auch alle geil. Es ist ja auch nicht so, dass das ganze Album Rap offenbart. Bei dem Song mit den BUTCHER SISTERS war es einfach so, dass du bei bestimmten Parts wiederum bestimmte Stimmen im Kopf hast. Hier war es für mich ganz klar ein Rap Part. Ich muss zugeben, dass ich keine wirkliche Connection zu Rappern in Deutschland habe. Ich bin durch Zufall auf die BUTCHER SISTERS gestoßen und der Rapper (Sebastian) hat ja auch einen Metal Background. Er war ja sogar EQUI Fan und da hatte es perfekt zusammen gepasst. Den Text haben sie selber aufgenommen und haben ebenfalls ihren Videoteil selber aufgenommen. Die generelle Entwicklung hatte ich mit den Jungs ja vorher besprochen und die hat jeder sich so auch gewünscht, weil wir seit "Sagas" bereits einiges an Entwicklung duchgemacht haben. Man will neue Dinge probieren und das Englische hat sich ja auch mit der Zeit entwickelt. Auch die Themen, dass wir von klassischen nordischen Sagen weggangen sind. Das war auch ein Prozess. Eigentlich war nur das Debüt da zu klassifizieren und bereits bei "Sagas" wurde es persönlicher. Auf den letzten zweien waren es auch fast nur persönliche Themen, stilistisch eben nur anders verpackt. Mittlerweile passen wir es eher der Musik an und das die Themen sich so darstellen, das gibt es schon seit "Erdentempel". 

Ihr seid ja auch alles andere als auf Nummer sicher gegangen mit dem Album, das kann man euch wahrlich nicht vorwerfen. Schon mit "Rekreatur" fing diese Modernisierung langsam an und nun seid ihr bei "Renegades" angekommen. Ihr offenbart eine große Bandbreite und probiert viel rum, bleibt dabei authentisch. Den Vorwurf der Kommerzialisierung kann es also kaum geben, sonst würde es ja auch nicht teils so heftige Kritik geben.

Es ist sowieso immer ein Risiko, Dinge zu verändern, die erfolgreich waren. Wir hätten auf Nummer sicher gehen und IMMER wie "Sagas" klingen können. Aber es hätte keine Weiterentwicklung ermöglicht und letztlich war das alles irrelevant, denn wenn ich mich hinsetze und schreibe, dann denke ich nicht "Verkauft sich das oder das jetzt besser?". Bei den alten Alben habe ich schon gedacht, dass es mal was dudeligeres sein dürfte etc. Es ist immer so zwischendrin gewesen. Bei "Renegades" habe ich einfach das geschrieben, was von innen heraus kommt und du sagst ja selber, dass es trotzdem noch durch Folk inspirierte Melodien gibt, nur anders verpackt. Für mich hat sich der Prozess des Schreibens einfach natürlich und schön angefühlt. Mit dem zu arbeiten, worauf man Lust hat. Natürlich gibt es mehr elektronische Elemente und Synthesizer, aber ich hatte so Spaß dran, die Flöten und Dudeläcke mal durch neuere Sounds anzureichern. Allein daran, dass ich daran so einen Spaß hatte und motiviert bin, am nächsten Album weiter zu schreiben zeigt mir, dass es der richtige Weg ist. Bei den alten Alben wollte ich ein Jahr lang nix davon wissen. Diesmal war es so ein natürlicher easy Prozess und im Herbst schreibe ich direkt an der nächsten Platte weiter. Das zeigt mir, dass das absolut richtig so war!

Du kannst sozusagen ja immer für dich selbst behaupten, dass du das gemacht hast, was du machen wolltest. Wie sieht es denn grundsätlich so aus? Nun hab ich dir mit auf den Weg geggeben, dass ich die Scheibe super finde. Wie sieht der Tenor in der Presse denn bisher so aus?

Ich muss sagen, dass es bisher eigentlich kaum Reviews gab, vielleicht so ein bis zwei, die eher positiv waren, wenn auch überrascht über die Entwicklung. Die Interviewpartner waren eigentlich durchweg positiv! Aber das liegt auch daran, dass man als Musikjournalist generell einen etwas breiteren Geschmack hat, wenn es nicht gerade ein True Black Metal Magazin ist. Aus unserem Umfeld waren auch alle positiv angetan. Was wirklich dabei rauskommt, kriegen wir eh erst mit, wenn die Platte raus kommt. Der Titeltrack kam ja ganz gut an und auch live kam er bereits gut an. Bei "Path Of Destiny" ist es sehr zwiegespalten und jetzt schauen wir mal, was bein der dritten Single passiert. 

Zum Schluss kommt eine neue Rubrik meinerseits. Ich gebe dir nun die Möglichkeit, MIR eine Frage zu stellen, die natürlich schon irgendwie aus diesen Gefilden stammt.

Puh, gar nicht so einfach! Was ist denn deine persönliche Lieblingsplatte von EQUILIBRIUM?

Schwierig! Nostalgisch betrachtet ganz klar "Sagas", aber ich erlebe mit "Renegades" ja gerade einen zweiten Sommer wie 2008 und dementsprechend pendelt es sich irgendwo zwischen den beiden Alben ein. 

Cool, das freut mich auf jeden Fall!

Ich wünsche euch viel Erfolg mit der Platte und bin gespannt, wie die Songs live klingen!

Vielen Dank Chris, bis bald!

 

 


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