Interview: CALL THE MOTHERSHIP - Jörg

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Uns geht es nicht nur darum, eine packende Story zu erschaffen, sondern auch unsere Gedanken, Überzeugungen, Wünsche und Träume zu vermitteln.

In der ach so friedvollen Weihnachtszeit haben wir uns mit dem Captain des Mutterschiffs, Jörg, zusammengesetzt, um Licht in die Düsternis hinter "Regicide" zu bringen...

Veröffentlicht am 08.01.2019

Hallo Jörg, vielen Dank dass du dir Zeit nimmst! Mit „Regicide“ erfährt das musikalische Universum, das ihr mit CALL THE MOTHERSHIP kreiert habt, ein weiteres Kapitel. Ein sehr düsteres und verstörendes – kannst du die Story hinter „Regicide“ für unsere Leser kurz umreißen?

In unserem nächsten Kapitel geht es um ein riesiges Sternensystem, welches von vielen verschiedenen Völkern bewohnt wird. Diese sind unter dem Banner des CONSENSUS vereint und bilden eine interstellare Allianz. Im Zentrum dieses Sternensystems befindet sich ein supermassives schwarzes Loch, um das eine schlafende Kreatur verweilt und durch das All treibt und unter vielen Namen wie „THE REIGN“ oder „THE KING“ bekannt ist. Nicht, dass diese Kreatur, welches eigentlich ein Kollektiv aus unzähligen einzelnen Wesen ist, die durch ein Schwarmbewusstsein verbunden sind, aktiv regiert, jedoch durch seine alleinige Anwesenheit bestimmt, dass die Völker des CONSENSUS Abstand halten, viele Lichtjahre Umwege fliegen müssen und immer mit Achtsamkeit den Schlummer des Wesens im Auge behalten.

Durch ein externes Ereignis, hervorgeführt durch das Mutterschiff, wird das Schwarmwesen aus seinem Tiefschlaf gerissen und beginnt in alle Richtungen zu expandieren und sämtliche Materie zu verschlingen, um mehr Elemente von sich selbst zu kreieren und ins Unermessliche zu wachsen. Der CONSENSUS stellt sich mit aller Macht dagegen und ein interstellarer Stellungskrieg bricht aus, der aber von Beginn an sehr verlustreich ist. Deswegen schicken die Völker sogenannte NODES (Subraumbotschaften, welche auf den CTM Onlinepräsenzen gehört werden können) aus, um nach Unterstützung zu rufen … und das Mutterschiff empfängt diese natürlich und eilt zu Hilfe.


„Regicide“ basiert ja, denke ich, auf der Geschichte, die eurem letzten Album „Of Dark Matter And Ascension“ zugrunde liegt. Das war ja bereits sehr düster, doch nun geht ihr augenscheinlich einen Schritt weiter und bezieht auch eure Bühnencharaktere stärker in die Story ein. Dazu habt ihr in den vergangenen Wochen und Monaten detaillierte Charakternotizen zu allen Bandmitgliedern veröffentlicht – ihr seid also quasi von Erzählern zu Protagonisten geworden. Eine gewollte Entwicklung?

Genau, nachdem sowohl das Album, als auch unser Buch zu „Of Dark Matter And Ascension“ in der ersten Person geschrieben wurde, um quasi den Zuhörer/Leser in die Rolle des Protagonisten zu setzen und ihn in Verbindung mit dem Mutterschiff zu bringen, war es logisch, auch endlich die Crew zu introduzieren. Wichtig war es jedoch nicht nur die Persona zu etablieren, sondern auch die Entwicklung der einzelnen Crewmitglieder von und die Geschichte „Regicide“ voranzubringen.

 


In den Hintergrundinfos zu den diversen Charakteren tun sich, wie auch in „Regicide“ selbst, einige tragische, teils verstörende Abgründe auf. Ich finde das insofern spannend, als das ihr in der Vergangenheit viele Metaphern auf das Leben und das Miteinander in eure Songs verpackt habt. Wieviel persönliche Erfahrungen, Beobachtungen, oder auch Zeitgeschehen allgemein, steckt in dieser sich herauskristallisierenden Charakterbildung? Und vor allem, wie wird sich die Geschichte, wie werden sich die Leben der Protagonisten weiter entwickeln/verändern? Habt ihr einen Plan, oder lasst ihr es einfach geschehen?

Unsere Linie war schon immer, dass jeder Aspekt in der Lore und den Erzählungen von CALL THE MOTHERSHIP eine Metapher für ein Geschehnis, ein Mindset oder eine Botschaft ist, denn uns geht es nicht nur darum eine packende Story und ein Mosaik aus Zusatzinfos und Nebengeschichten zu erschaffen, sondern auch unsere Gedanken, Überzeugungen, Wünsche und Träume zu vermitteln. Dadurch fließt natürlich sehr viel der jeweiligen Persönlichkeit in die Geschichte ein, die, wenn man uns kennt, dann durch das Lesen unserer Texte und Notes auch auffallen. Es gibt im Prinzip kein Element, welches nicht für etwas Reales als Metapher einsteht.
Wir haben bereits Mindmaps und Konzepte, wie die Reise weitergehen wird.


Stichwort weitergehen, werfen wir doch zuerst einmal einen Blick zurück, Kannst du uns zum besseren Verständnis erläutern, wie die bisherigen Storyteile von CALL THE MOTHERSHIP zusammenhängen, bzw. wie sie ineinanderfließen?

Jede Story ist eine Metapher für einen realen und recht weltlichen Aspekt, welcher uns wichtig war, durch eine Sci-Fi Erzählung zu vermitteln.

„Of Cold Fusion and Light Mass“ kann man eher als Episodenfilm verstehen, bei dem jeder Song eine anderen Aspekt der Grundgeschichte hervorbringen und unseren Band-Start und Aufbruch ins All darstellen soll.
„A Spark is all that’s needed“ erzählt zum Beispiel von einer Reaktortechnologie, die durch die Träume und Inspiration der Menschen gespeist wird und diese dann in Energie umwandelt. Das ist mehr oder weniger die Metapher dafür, dass Kunst und Künstler Inspiration verbreiten können und sollen und diese die Menschen in ihrer Umgebung berührt, sie beflügelt und ihnen Kraft gibt und diese dann mit dieser Energie weiterhin eine inspirierte Stimmung verbreiten können.

„Dreamers of a modern madness“ beschreibt wiederum das totalitäre Regime auf Gaia, unserem Heimatplaneten und wie die Crew (also die Band) das letzte Mutterschiff stielt und gemeinsam mit den letzten Träumern in die Unendlichkeit des Alls auf neue Abenteuer aufbricht. Der Song steht für den Eskapismus aus dem Alltag und für das Aufbrechen alter, eingefahrener Lebensstrukturen und auch die Gemeinsamkeit, quasi das Sinnbild hinter „wir versammeln uns alle vor der Bühne und entfliehen gemeinsam der Realität für ein paar Stunden“, also auch auf die lokale Szene bezogen und dass diese ein Safespace sein kann.

Unser Erstlingswerk endet mit einer rein atmosphärischen und ätherischen Nummer namens „Singularity“, die die andere Seite von CTM zeigen und die „AETERNITAS“-EP einführen soll. Die Formlosigkeit stellt den Kosmos für uns dar und die unendliche Leere, die uns umgibt und in der unser Schiff langsam weitertreibt. Jeder Song hat eine andere Stimmung und uns ist es wichtig, dass sich der Hörer fallen lassen und seiner Phantasie freien Laufen lassen kann.

Jedoch Dynamik ist uns wichtig und wir wollen eine Brücke zwischen den Extremen schaffen, Groove und Atmosphäre sollen fusioniert werden und es wurde Zeit für „Lights:Out“, welches eigentlich zur gleichen Zeit wie unser zweites Album entstanden, aber nicht ins Konzept gepasst hat, deswegen haben wir uns entschieden diese als Prolog zu veröffentlichen. Das Schiff verliert an Energie und eine unbekannte Entität übernimmt die Kontrolle, aber das passiert langsam und schleichend. Hierbei ist das Sinnbild der Kontrollverlust vor einer persönlichen Krise. Oft genug passiert einem ein Schicksalsschlag und das Leben läuft aus dem Ruder oder (wie in diesem Fall) werden Alltag und Gewohnheit zu den Fesseln und Auslösern. Schlussendlich treibt man selbst ziellos durch den Raum seines Lebens, bis es zu spät ist, sich selbst oder seine Situation noch zu ändern. Ein sehr persönliches und düsteres Thema, oder?


Definitiv!

Deswegen entstand „Of Dark Matter and Ascension.“ (Achtung Spoiler ab hier!) Ähnlich düster fängt es an, doch das Licht und ein Happy End erwarten einem am Ende. Wie bereits vorher gesagt, geht es hierbei um eine Figur namens „One“ welche aus dem Cryoschlaf gerissen und nichtsahnend in sein Abenteuer gestoßen wird. Alles ist in der ersten Person geschrieben, damit sich der Zuhörer leichter in die Situation hineinversetzen kann. One muss ohne direkte Hilfe und nur unter vereinzelter Anweisung der Crew versuchen das Mutterschiff von einem Parasiten zu befreien, welchen er selbst an Bord gebracht hat. Hierzu gibt es auch eine Novelle, welche von unserem Bassisten Feanis geschrieben wurde, unter dem Konzept, welches unter Anleitung einer Psychiaterin und einer Psychotherapeutin geschrieben wurde, um die Phasen der Konfliktbewältigung und wie sich diese im menschlichen Geist widerspiegeln korrekt darzustellen.

… und das bringt uns dann auch schon zu unserem letzten Output, „Regicide“, welches erneut ein dunkles Kapitel aufschlägt: Konflikt und Verlust.


Euer Leitspruch „Peace Was Never An Option“ ist ja auch nicht gerade aufbauend... Der begleitet euch aber schon länger, oder?

Diese Catchphrase soll vermitteln, dass es in „Regicide“ um Konflikt und Verlust geht und soll den düsteren Ton, den die Story hat, einläuten und es soll darauf vorbereiten, dass es nicht gut ausgehen wird. Es ist quasi das Thema, welches uns in dieser Phase begleitet.


Ich habe gelesen, ihr habt für „Regicide“ erstmals mit einem externen Songwriter zusammengearbeitet. Warum das?

Das ist korrekt, unser letzter Output wurde unter Kooperation mit Herrn Viktor Sohm kreiert (bekannt aus Projekten WE SAIL THIS SHIP ALONE, IT'S THE LIPSTICK ON YOUR TEETH, FALSE KING). Die Überlegung hierbei war, wieder einen anderen Workflow zu etablieren. Um ein anderen Ergebnis zu erlangen, muss man eben gewohnte Strukturen aufbrechen und die Grundvoraussetzung und Basis ändern.
 
Wo zum Beispiel „Of Cold Fusion And Light Mass“ im Proberaum und „Of Dark Matter And Ascension“ im Homestudio im Kontext der Band geschrieben wurde, wollte ich dieses Mal eine externe Person, welche noch sehr viel Objektivität hat und emotional nicht in das Projekt eingebunden ist.

Alles was wir hatten waren ein paar Riffs, eine Idee und eine Stimmung, die der neue Output haben soll und mit diesem Material gingen wir zu Viktor, welcher dann den Song strukturiert und die Sounds gefunden hat. Auch das Recording und das Mixing haben wir ihm zuzuschreiben. Der Master und Feinschliff wurde dann noch von Simon Hawemann gemacht (bekannt von Projekten wie WAR FROM A HARLOTS MOUTH, NIGHTMARER).



Nebst dem Track in voller Länge habt ihr auch ein Musikvideo veröffentlicht. Wenig überraschend ist das, passend zum Song, ebenfalls sehr düster. Entstand das Video gemeinsam mit dem Song (durch/von Viktor Sohm), oder habt ihr hier wieder selbst Hand angelegt?

Das Performancevideo ist auch in Kollaboration mit Viktor entstanden, wobei unser Bandmanager und Contentcreator Peter Gordebeke entschieden seine Hand im Spiel hatte. Die Planung und Konzeption wurde bandseitig erledigt, eine Location wurde von uns gescoutet und wir haben uns um Transport von Gear und Personal gekümmert. Die Postproduction haben sich die beiden Jungs geteilt. Dadurch, dass Viktor den Song auswendig kennt, hat er den Schnitt übernommen, während sich Peter um das Grading, Editing und die Special Effects gekümmert hat. Ach ja, gefilmt hat er natürlich auch.

Aber es ist recht üblich, dass die Band so viel wie möglich vorbereitet und die Contentcreator dann unterstützt.


Was mir im Zuge des optischen Konzepts auffällt, auf "Of Dark Matter And Ascension" habt ihr viel mit der Farbe Rot gearbeitet, während ihr nun, mit "Regicide" viel Grün ins Spiel bringt. Einfach so, oder hat das auch einen Hintergrund?

Zu Regicide habe ich mich sehr von Filmen und Videospielen inspirieren lassen, die ein ähnliches Setup zum Thema Schwarmkreaturen und Konflikt mit exotischen Alienrassen haben. Dabei ist mir aufgefallen, dass Neongrün oftmals den farblichen Ton angibt. Das Artwork und Grading zu jeglichem Output soll eine Anlehnung daran sein, was vielleicht dem einen oder anderem Insider auffallen könnte.

Es ist korrekt, dass das Cover von „Of Dark Matter and Ascension“ in alarmierendem Rot ist, jedoch ist das Artwork kunterbunt und jeder Song hat eigentlich ein eigenes Cover im digitalen Booklet, welches die Stimmung des Songs und den Storypart noch untermalen soll.


Schlagen wir jetzt mal die Brücke vom Studio zum Live-Erlebnis: Dafür, dass CALL THE MOTHERSHIP als Studioprojekt begonnen hat, seid ihr inzwischen live eine ganz schöne Macht geworden! Wie siehst du die Gewichtung zwischen Studio und Live?

Seit unserer Entstehung kann man zwei große Phasen sehen. Zuerst gab es uns als Studioband für zwei Jahre und danach wurde der Fokus auf Livegigs geshiftet, also eigentlich ziemlich ausgeglichen.

Wir haben als Studioprojekt begonnen, schlichtweg, weil ich die Jahre davor sehr viel mit DEVASTATING ENEMY und DISCURE unterwegs war und ich wollte Musik machen, ohne die Obligation, live spielen zu müssen. Auch wichtig war uns, dass wir keine Rücksicht nehmen mussten auf Umsetzbarkeit auf der Bühne und wir konnten den einen oder anderen Surrealismus einprogrammieren oder beliebig viele Gitarrenspuren recorden, um unsere Vision der Songs darzustellen. Außerdem ist ein Studioprojekt im Vergleich zu einer Liveband logistisch nicht so eine Herausforderung. Und so entstand unser Erstlingswerk, die „Aeternitas“-EP und „Lights: Out“ im Proberaum und im Homestudio ohne Rücksicht auf Verluste. „Of Dark Matter And Ascension“ wurde dann so konzipiert, dass die Songs auch live gespielt werden können, da es zu der Zeit schon sehr viel Nachfrage auch seitens heimischer Booker gab und wir schon im Hinterkopf hatten, das Mutterschiff endlich auf einer Bühne landen zu lassen.

In den letzten Zwei Jahren waren wir sehr aktiv auf Österreichs Bühnen und durften sogar am Euroblast in Köln/Deutschland spielen. Dieses Jahr werden wir noch zwei Konzerte spielen, ein Benefiz in Villach am 02.02.2019 gemeinsam mit KARNER, ALTAR OF I und CALVERHINE und einen Supportgig in St. Pölten am 16.02.2019 für KILL THE LYCAN gemeinsam mit ANCHORAGE und WE BLAME THE EMPIRE. Danach werden wir uns wieder von den Bühnen Österreichs zurückziehen.


Werfen wir nun zum Abschluss noch einen Blick in die Zukunft: Kannst du uns schon ein bisschen anteasern wie es weitergehen wird? Womit werden uns CALL THE MOTHERSHIP im neuen Jahr überraschen - sowohl auf Konserve als auch Live?

Nach den Gigs im Februar werden wir uns wieder ins Studio zurückziehen, um neue Songs zu recorden, ein neues Konzept für die „Platte“ und auch live auszuarbeiten und um neuen visuellen Content zu erstellen. Der Workflow wird ein neuer werden, der Output wird eine Mischkulanz aus ganz ursprünglichen Ansätzen, aufgezogen in einem neuen Style und auch die Story geht in eine komplett andere Richtung. Denn nach einer Phase des Verlusts und der Dunkelheit gibt es das Licht und Hoffnung.


Das ist ein schöner Abschlusssatz für dieses Interview. Ich sage vielen Dank, dass du dir Zeit genommen hast, unsere Fragen so ausführlich zu beantworten!

Ich möchte mich im Namen der Crew für die Möglichkeit bedanken, hier unsere Gedanken Kund zu tun. Auch vielen Dank an dich Antha, für den intensiven Support des Mutterschiffs und der Untergrundszene durch Stormbringer.at.


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