Interview: RUBY RIOT - Tim Hiekisch

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Zum einen bin ich der Meinung, dass kein sogenannter „Underground“ existiert, zum anderen tue ich mich immer etwas schwer damit, Musik in Kategorien einzuteilen.

Operation "Nowitschok" - Schubladendenken war gestern... (Heute winken versteckte Sachpreise!)

Veröffentlicht am 23.07.2018

RUBY RIOT glaubten, sie könnten sich der politischen Diskussion entziehen, doch plötzlich trat STORMBRINGER – The most political Heavyzine on Planet Earth – auf den Plan und setzte ihrem Gitarrist Tim Hiekisch die Pistole auf die Brust!


Euer viertes Studio-Album "Keep It Real" ist frisch erschienen! Das angenehm unaufdringliche schwarzweiß-Cover-Artwork scheint ein Stück weit die kontrastreichen Songs widerzuspiegeln. Könnt ihr uns ein wenig von der Atmosphäre während der Entstehungsphase erzählen?

Die Atmosphäre war ähnlich kontrastreich und schwang zwischen höchster Motivation und tiefster Frustration hin und her – vielleicht lag es daran, dass die Aufnahmen unfassbar nüchtern vonstatten gingen und Defizite ohne Umwege einen direkten Schlag in den Nacken zur Folge hatten und somit sofort behoben werden konnten. Ein Nachteil war sicherlich, dass wir am ersten Studiotag nicht alle anwesend sein konnten, was bei der weiteren Arbeit zu viel Diskussionsbedarf führte. Das wiederum forderte spontane Kreativität, was definitiv als positiv zu bewerten ist.

Von li. nach re.: Thorsten (Bass), Bernd (GItarre), Tim (Gitarre), Pawel (Drums), Miriam (Vocals)

Sängerin Miriam und du seid verheiratet. Inwieweit beeinflusst eure Ehe beim Komponieren die Grundstimmung der Songs? Immerhin behaupten Singer/Songwriter-Kombos oft, ihre Beziehung zueinander wäre einer Ehe nicht unähnlich. Schmerzliche Trennungen und Rosenkrieg unterhalten zwar in Boulevardblättern, wirken sich aber nicht gerade positiv auf die Kreativität aus.

Gar nicht. Bei der Gründung gab es die ganz klare Absprache, Band und Privates deutlich zu trennen. Das bezieht sich im übrigen nicht nur auf unsere Ehe, sondern auf das gesamte musizierende Volk bei RUBY RIOT. Wenn die Ehe irgendeinen Einfluss hat, dann bei der Textdichtung, da häufig Themen zu Papier gebracht werden, die auch im privaten diskutiert werden, und Tondichtung entwickelt sich ohnehin meist erst im Proberaum. Die ursprüngliche Idee beschränkt sich somit meist auf ein paar Akkorde. Und für einen Rosenkrieg sind wir noch nicht in ausreichendem Maße in Boulevardblättern vertreten.

Negativschlagzeilen findet ihr bei uns aber selbst im Falle einer Krise nicht – Stormbringer-Paparazzi sind wie MI6, wenn wir zuschlagen, schieben wir es fremder Oligarchie in die Schuhe. (ACHTUNG! Wer die Anspielung versteht und als erster die Lösung unten in den Kommentaren postet, gewinnt ein signiertes Exemplar von RUBY RIOTS "Keep It Real"!)

Apropos Political Correctness: Die Rückseite des Albums "Camouflage" ziert der Text "LEFT LEFT LEFT RIGHT LEFT". Ist das eine subliminale Botschaft?

So geheimnisvoll sind wir nicht. Es steht im Kontext mit dem restlichen Inhalt des Liedes „Camouflage“ auf der gleichnamigen CD und ist ein Teil des Refrains. Zusammenfassend geht es um die Uniformität und Hörigkeit der Gesellschaft – den Widerwillen, sich eine eigene Meinung zu bilden und diese zu vertreten. Dieser Vorwurf bezieht sich im Übrigen auf alle gesellschaftlichen Schichten, Gemeinschaften und politische Richtungen.

Lasst uns mal über den Underground philosophieren. Da denkt man ja meistens zuerst an Black Metal oder Hip Hop. Aber wie groß ist eurer Meinung nach die Bedeutung von Sachen wie Ska, Rockabilly und Blues Rock für interessierte Musikspezialisten?

Zum einen bin ich der Meinung, dass kein sogenannter „Underground“ existiert, zum anderen tue ich mich immer etwas schwer damit, Musik in Kategorien einzuteilen. Der Underground wird erschaffen, um ins Gespräch zu kommen und diesen  schnellstmöglich zu verlassen. Der Underground ist wie ein selbstgeschaffener Spitzname – ich mache mich besonders. Musikstile werden geschaffen, um für jede Band eine Schublade parat zu haben bzw. damit sich jede Band irgendwo heimisch fühlt. Zudem gibt es mittlerweile so viele Musikrichtungen und Schubladen, dass ich die Bands ohnehin nicht mehr einsortieren kann bzw. bei einem Versuch das Geheule sehr groß ist, da es dann häufig nicht Underground genug ist. Für mich gibt es ein paar wenige Kategorien als Wegweiser, wie z. B. Rock, Punk, Country, Klassik, Schlager und Heavy Metal, sobald ich dann aber entscheiden soll, wo Thrash anfängt und wo Speed aufhört, muss ich passen.

Und genau das führt uns zu einer interessanten Beobachtung: Wie kommt ihr zu einem eigenen Proberaum?

Durch unfassbar viel Geduld, Glück und Beharrlichkeit

In diesem Proberaum trifft man dann nicht nur auf RUBY RIOT, sondern auch auf ANNIHILATOR und ACCEPT. Können euch noch andere Bands diesbezüglich kontaktieren? Und wenn ja, wie?

ANNIHILATOR und Uwe von ACCEPT traf man in unserem Proberaum, weil sie in der Nähe ein Konzert hatten und eine Möglichkeit brauchten, sich etwas vorzubereiten. Der Kontakt kam zustande, da unser damaliger Schlagzeuger für unter anderem diese Bands als Techniker gearbeitet hatte. Und nein, für gewöhnlich stellen wir unseren Proberaum nicht zur Verfügung. Wie eben schon mal erwähnt, es ist unfassbar schwierig einen Proberaum zu finden, entsprechend heilig ist er uns.

Kommen wir mal wieder zum Album zurück: Drei Alben sind vorausgegangen. Worin unterscheidet sich "Keep It Real" von den anderen?

In erster Linie unterscheiden sie sich in der Reife. Es gab viele Wechsel in der bestehenden Bandgeschichte, viele Neubesetzungen, was zwar einerseits mächtig nervt, da man immer wieder von vorne beginnt, andererseits kommen bei jeder Veränderung auch neue Einflüsse mit, was es dann wiederum sehr spannend macht. Zudem fängt man im Laufe von 15 Jahren langsam an, sein Instrument zu verstehen … ich fände es schlimm, wenn wir uns in der Zeit nicht weiterentwickelt hätten und selbstverständlich verändert sich auch die Musik – ich bekomm regelmäßig das große Kotzen, wenn sich die selbsternannten Musikkritiker negativ darüber auslassen, wenn sich Band X oder Y nicht mehr anhört wie vor 20 Jahren – ich persönlich habe keinen Bock auf Bands à la AC/DC, wo es völlig wurscht ist, welches Album man aus dem Regal zieht, und genau dem versuchen wir entgegenzuwirken. Ein weiterer Unterschied zu den vorangegangen CDs ist der Wechsel des Studios. Mit dem Wechsel des Studios kommen auch neue Einflüsse, Ideen und klangliche Vorstellungen hinzu. Auch sind wir selbstbewusster geworden und wussten recht genau was wir wollten. Auch waren Nico von Marburg Records und sein Team unfassbar geduldig und professionell – es herrschte sofort ein 100%iges Wohlfühlklima – dafür auch noch mal ein fettes Danke. Und wenn Ihr Pech habt kommen wir wieder…

Wovon handeln die Texte? Wie groß ist diesmal der Fun-Anteil, was sind ernstere Themen, denen ihr euch widmet?

Behandelt werden überwiegend gesellschaftliche, zwischenmenschliche Themen und diese ohne tieferen Hintergrund und Tiefgang. Gezielt gemieden wurde die Politik. Es gibt genug schlaue Leute mit der einzig wahren Meinung, wobei entscheidend ist, dass man generell erstmal gegen alles ist, was die aktuelle Regierung verspricht; und ganz wichtig: In allem eine Verschwörungstheorie sehen! Keine Ahnung ob es einen Fun-Anteil gibt … hoffentlich beim hören der CD und auf jeden Fall bei unseren Konzerten. Aber lustige Lieder sind nicht so unsere Sache.

Du glaubst also nicht, dass es MI6 war ... Naja, nicht abdriften!
Vorher waren stets MeMusic auf den Alben abgebildet. Was ist das genau? Wieso sind sie diesmal nicht beteiligt?

MeMusic war unser Label. Grund waren in erster Linie der Labelcode und die Vermarktung. Ausschlaggebend für die Trennung war, dass wir nicht mehr ohne weiteres unsere eigene Musik ins Netz stellen konnten, ohne von YouTube abgemahnt zu werden – was etwas nervte. Da beide Parteien keinen wirklichen Vorteil mehr in der Zusammenarbeit sahen, trennten wir uns in aller Freundschaft. In diesem Zusammenhang möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass unsere aktuelle CD nur auf Konzerten oder mit Hilfe einer Mail an uns erhältlich ist und garantiert nicht bei irgendwelchen Plattformen zur Entwertung musikalischen Schaffens – den sogenannten Streaming-Diensten.

Wann kann man euch eigentlich mal in Österreich oder der Schweiz live erleben?

Sobald man uns dort hören möchte, machen wir uns auf den Weg! Eine kleine Entscheidungshilfe für Veranstalter: Durch die Adern unseres Helden an der Gitarre, Bernd, fließt zu 50% Blut aus der Steiermark!

Alle weiteren Infos unter: www.ruby-riot.com
CD-Release-Party am 11.08.2018

Tim, vielen Dank für deine Antworten! Digga, wir müssen!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Alle Bilder (c) Ruby Riot.


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