Interview: SERENITY - Georg Neuhauser

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Hollywood hat uns Robin Hood eingebrockt!

Österreichs Vorzeige-Symphonic-Metaller haben wieder ein neues Album am Start! Da können wir doch gar nicht anders, als Fronter Georg kurz für ein entspanntes Pläuschchen zu entführen...

Veröffentlicht am 04.12.2017

Wir sitzen uns ja heute wieder einmal gegenüber, weil ihr mit "Lionheart" wieder ein neues Album am Start habt.

Georg: Ja, wir waren flott, eineinhalb Jahre nach dem letzten!

Thematisch habt ihr euch dieses Mal Richard Löwenherz als Protagonisten erkoren, erzähl doch mal  wie es dazu kam.

Georg: Zum Ersten hat uns hier natürlich auch der Österreich-Bezug inspiriert! Ausschlaggebend war aber mit Sicherheit auch unser Israel-Trip letztes Jahr, wo wir auch in Jerusalem gespielt haben. Dort bist du mittendrin und spürst noch richtig die ganze Problematik und die Spannung die da herrscht, zwischen Juden, Moslems und Christen. Das ist ja noch immer present und noch lange nicht ausgestanden. Und so kam ich auf die Idee, Richard Löwenherz, „Lionheart“, wäre ein cooles Thema. Und außerdem regt es mich fürchterlich auf, dass die Leute zu 99,9 Prozent Lionheart immer mit Robin Hood verbinden.

Siehst du, das wäre auch gleich meine nächste Frage gewesen. Aber hinsichtlich Richard Löwenherz ist ja so eine gewisse Glorifizierung, wenn nicht gar Romantisierung vorhanden, als strahlender Held und Retter – obwohl die wenigsten wahrscheinlich wissen was er in den Kreuzzügen so alles angestellt hat.

Georg: Das ist sowieso ein eigenes Thema. Ich meine, die waren damals alle beinharte Knochen, richtige Schlächter. Bei Karl dem Großen war es ja dasselbe, der hat auch alle niedergemetztelt wenn sie sich nicht bekehren ließen. Bei Richard Löwenherz war es nicht anders. Was man aber sagen muss, Richard war mit Sicherheit ein äußerst willensstarker Mensch denn er hat, genau wie Karl der Große, bereits zu Lebzeiten seinen Beinamen „Lionheart“ bekommen. Viele werden ja erst nach ihrem Tod glorifiziert, aber er war wirklich schon zu Lebzeiten dieses Löwenherz.

Und er hatte bestimmt keinen leichten Stand, wenn man einmal gegen den eigenen Vater Krieg führen muss, wenn man seine Schwester aus irgendwelchen belagerten Städten herausholen muss... also man kann schon sagen, er hat da einiges auf die Beine gestellt. Obwohl, Summa Sumarum, war er letztendlich auch ein Verlierer, denn die Kreuzzüge sind ja komplett in die Hose gegangen. Sie haben Jerusalem nicht bekommen, er wurde gefangen genommen und das Lösegeld war so hoch, dass die Staatskasse von England danach komplett fertig war. Also die waren danach wirklich pleite. Und dann kommt er endlich wieder nach Hause und sein nutzloser Bruder hat richtig Scheiße gebaut...

… und dann kommt wieder die berühmte „Robin Hood-“Thematik, in der diese Geschichte ja abgewandelt aufgegriffen wurde.

Georg: Wenn es ihn gegeben hat, dann haben sie sich mit Sicherheit niemals getroffen. Weil... ja... egal. Aber die Leute kennen speziell diesen Zusammenhang wirklich fast ausschließlich wegen Robin Hood.

Passend dazu, hat mir kürzlich jemand erzählt, dass er es total schade findet dass ihr, wenn ihr schon ein Album über Richard Löwenherz macht, gar keinen Song über Robin Hood geschrieben habt.

Georg: (verdreht die Augen) Das ist leider Gottes Hollywood. Das hat uns Hollywood eingebrockt! Zuerst mit Kevin Costner, danach mit Russel Crowe... uaah!

Wobei die Filme an sich ja cool sind.

Georg: Ja, das auf jeden Fall! Da kann man auch gar nichts dagegen sagen. Aber es stimmt eben einfach nicht, es kann einfach nicht stimmen. Und das ist, was viele Leute nicht sehen oder sehen wollen. Es nervt.

Vor allem für dich als Historiker.

Georg: Ja, das tut einfach weh. Es ist einfach Fiktion. Aber der Rest stimmt ja, dass er seine Schwester raushauen musste, das sind Tatsachen die auch belegt sind. Aber Robin Hood an sich ist Fiktion.

Und genau deswegen gibst du uns mit dem neuen SERENITY-Album wieder Geschichtsunterricht made in Austria!

Georg: So wie mit jedem Album. (lacht) Und dieses Mal auch wirklich mit Österreich-Bezug, dadurch dass Dürnstein ja mit dabei ist! Unser Leopold hat da schon ein bißchen was geschafft! (Anm. d. Verf.: Leopold V. hielt Richard Löwenherz von 21. Dezember 1192 bis 4. Februar 1193 auf der Burg Dürnstein gefangen und lukrierte dafür ein Lösegeld von ca. 23 Tonnen Silber, welches zu gleichen Teilen an Kaiser Heinrich VI. und Leopold V. ging.)
 


 

Hängt es, wie das jeweilige Album stilistisch ausfällt, auch ein wenig von der Grundthematik ab? Das jetztige „Lionheart“ ist ja wieder etwas härter, während das letzte extrem bombastisch war.

Georg: Es ist mit Sicherheit schon einmal die ganze Produktion anders gelaufen. Es ist zwar nach wie vor das gleiche Team, aber bei den Arbeiten zu „Codex..“ waren wir noch nicht eingespielt. Das musste sich erst entwickeln. Der grundlegende Unterschied ist aber der, bei „War Of Ages“ haben wir nicht so viel getourt. Wir haben zwar schon viele Shows gespielt, aber es war nicht so intensiv. Dann hatten wir auch den Lineup-Wechsel und bei „Codex Atlantcus“, dem ersten Album mit Chris, wusste noch keiner so recht wo es jetzt hingeht. Was man bei „Codex...“ auch merkt ist, das viele der Songs am Keyboard geschrieben wurden.

Das merkt man in der Tat, ja! Das war auch das, was mich persönlich an „Codex Atlanticus“ etwas gestört hat – ok, das ist ja immer Geschmackssache – aber dass einfach, über weite Strecken hinweg die Gitarren untergegangen sind, was die Produktion fast ein wenig poppig gemacht hat, dass es nicht mehr wirklich wie ein Metal-Album geklungen hat. Ich meine, ich weiß schon dass es ziemlich schwierig ist Orchester und Gitarren richtig zu mischen, weil sie sich von der Frequenzlage her so ähnlich sind und die Gefahr immer groß ist dass das eine das andere auffrisst. Jetzt auf „Lionheart“ kommen die Gitarren wieder, speziell von unten raus, besser zur Geltung, sodass es wieder deutlich mehr nach Metal klingt.

Georg: Jetzt gehen aber natürlich auch wieder viele Sachen vom Orchester, die eigentlich da wären, unter. Wie du ganz richtig gesagt hast – es ist ja schon einmal löblich, dass jemand von den Reviewern auch weiß, woran das liegt! Aber es war in dieser Hinsicht schon eine bewusste Entscheidung, es so klingen zu lassen. Was natürlich auch hinzu kommt, Da Vinci an sich hat ja schon eher diesen orchestralen Touch, da passen die vielen ruhigen Passagen gut dazu. Bei „Lionheart“, da muss es einfach wummsen, kein Thema! Denn wenn du dir seinen Lebenslauf ansiehst, eine Schlacht nach der anderen, da muss sich auch musikalisch etwas tun!

Wir haben auch schon Feedback dazu bekommen, heute zum Beispiel hat jemand auf Amazon ein Review gepostet, das er das Album richtig cool findet, aber „Codex...“ war für ihn toller, weil es einfach so verträumt und ruhig war. Es ist also wirklich, wie du sagst, einfach Geschmackssache! Wenn du also ein Metal-Album willst, dann bist du bei „Lionheart“ an der richtigen Adresse. Aber wenn du etwa mit Sachen wie UNHEILIG eher etwas anfangen kannst, dann gehst du eben mehr in die Richtung von „Codex...“. Aber es war dieses mal wirklich bewusst in diese Richtung gelenkt, weil wir wussten, das Thema ist heftiger.

Was dann auch noch dazu kommt, dass wir wie gesagt mit „Codex...“ extrem viel getourt haben. Mit dem Album haben wir fast 90 Gigs gespielt, was dafür, dass wir das ja nicht hauptberuflich machen, sehr viel ist. Wir haben zuerst die Double-Headliner Tour mit XANDRIA gespielt, dann die Support-Tour mit POWERWOLF und als Special Guest von KAMELOT, wir haben viele Festivals gespielt und dann auch noch eine Headliner-Tour – da waren wir wirklich viel unterwegs. Und dieses Jahr haben wir auch noch die ganzen Festivals mitgenommen wie Wacken, Masters Of Rock, ProgPower USA, und so weiter. und diese Energie haben wir mit Sicherheit mitgenommen. Das kommt einfach so, wenn du viel live spielst. Es kommen ja auch viele Leute zu uns und sagen uns, boah, live seid ihr ja viel härter! Und genau diese Energie haben wir dieses Mal versucht mit in das Album zu nehmen, was, glaube ich, recht gut funktioniert hat.

Und jetzt im Frühjahr macht ihr ja schon wieder eine Headliner-Tour.

Georg: Ja, genau, im Februar sind wir mit VISIONS OF ATLANTIS unterwegs, fast drei Wochen lang. Das Tolle an dieser Tour ist, dass dann alle drei Bands ein neues Album draußen haben, also SLEEPING ROMANCE, VISIONS... und wir. Es ist klarerweise schon eine bestimmte Schiene, es heißt ja nicht umsonst „Symphonic Metal Nights“ - aber wie man heute Abend sieht, es funktioniert ja auch ganz gut. (Anm. d. Verf.: Das Interview fand im Zuge der Tour mit DELAIN statt, während der Redakteur mit Georg plauderte feierte ein proppenvolles Backstage Werk die Niederländer lautstark ab.)

Was auch, speziell in diesem Genre auffällt, dass hier doch Anhänger aus vielen verschiedenen Genres zusammenkommen. Da geht der gestandene Metaller genauso hin, wie auch Leute auftauchen die ansonsten eher nur Radiozeugs hören. Also eigentlich eine extrem große Schnittmenge.

Georg: Genau! Das Problem ist nur, diese Leute auch zu erreichen. Weil zum Beispiel derjenige, der eigentlich nur Radio hört, hat ja überhaupt keine Ahnung von der Metal-Welt. Deswegen ist gerade diese Tour mit DELAIN aktuell für uns sehr wichtig, weil wir uns dadurch ein größeres Publikum erschließen können. Derweil läuft auch wirklich alles super, auch am Merchandise geht ordentlich was, die Leute kommen nach der Show auch immer wieder her und sagen – was auf der einen Seite toll ist, auf der anderen auch deprimierend – dass sie noch nie etwas von uns gehört hätten. Da sitzt du manchmal wirklich da, hast schon dein sechstes Album herausgebracht, hast dir den Arsch abgespielt – und dann sagen dir immer noch so viele Leute, dass du komplett an ihnen vorbeigegangen bist!

Vor allem auch viele beinharte DELAIN-Fans! Wenn ich bedenke, ich habe 2015 ein Album mit der Charlotte, der Sängerin von DELAIN herausgebracht, „Phantasma“. Wir waren sogar schon mit ihnen auf Tour, insgesamt drei Mal – also jetzt das dritte Mal. Und es gibt immer noch so viele Leute die uns sagen, sorry, noch nie von euch gehört! Das Gleiche auch bei KAMELOT, da ist auf unserer Tour ungelogen mindestens jeder Sechste zu uns hergekommen und hat uns gefragt wo wir denn bisher waren, weil sie uns noch nicht kannten.

Aber es ist ja schön, wenn die Leute wenigstens jetzt draufkommen und euch entdecken! Dann könnt ihr auch immer noch einige von euren alten Alben verkaufen!

Georg: Das stimmt schon. Wir sehen es ja auch an den Abrechnungen, auch die alten Alben ziehen nach wie vor, da kommen jedes Jahr mehrere hundert Stück dazu!
 


 

Wo spielst du eigentlich lieber: Die großen Hallen oder so kleine Provinzgigs?

Georg: Es hat beides seinen Reiz. Wir waren zum Beispiel einmal in Osttirol in so einer kleinen 100-Seelen-Gemeinde, aber dort ist die Post wirklich abgegangen! Da sind die Leute so richtig ausgezuckt! Aber klar, so etwas wie heute, beziehungsweise diese ganze Tour generell, da bekommst du so viel zurück, da ist die Energie ganz einfach super wenn da 1.000 Leute „Hey, hey!“ schreien, das pusht dich ganz gewaltig. Aber genauso cool ist es in einem kleinen Club vor 150 Leuten zu spielen, wenn du so nahe dran bist und die so richtig ausflippen. Es hat alles seinen Reiz.

Das einzige was generell für uns spielerisch immer ein bisschen Scheiße ist, sind Festivals. Weil wir einfach nicht die Größe haben, dass wir uns so eine große Crew leisten könnten die wirklich alles für uns checkt. Wir sind da eben nur mit einem Backliner unterwegs und in der Viertelstunde Umbaupause die du da meistens hast, da kriegst du die Einstellungen einfach nicht so gut hin. Deswegen gehen gerade bei Festivals immer wieder technische Dinge schief, wo wir als Band vielleicht nichts dafür können, aber die Leute dann eben doch denken wir wären so scheiße, weil sie es nicht besser wissen. So wie am Masters Of Rock, da muss immer alles so schnell gehen, zack-zack, ein extrem enger Zeitplan, da geht immer irgend etwas schief. Und wenn dann von der Festival-Crew vielleicht, auch wenn sie wirklich bemüht und total nett sind, ein paar Leute nicht so gut Englisch sprechen – wenn du zum Beispiel sagst „thirteen“ und er versteht „thirty“ - dann wird irgend etwas falsch eingesteckt, du fängst zu spielen an und – scheiße, es geht nicht! Und das sieht das Publikum leider nicht – kann es ja auch nicht.

Ihr wart ja schon mit so einigen großen Bands unterwegs. Gibt es Bands, mit denen ihr unbedingt einmal spielen wollt?

Georg: TOTO und QUEEN! Was aber stilistisch passen würde und uns ungemein freuen würde, das wären NIGHTWISH. Das würde uns auch ungemein weiter bringen, vor allem da NIGHTWISH eine Band ist, zu der auch viele Leute gehen, die mit der Metal-Szene nicht so viel zu tun haben. Und da wären wir von der Musikrichtung her eigentlich genau die Richtigen, weil ein NIGHTWISH-Fan sehr wahrscheinlich auch mit unserer Musik etwas anfangen kann.

QUEEN oder TOTO, das wäre natürlich mein persönlicher Traum. Wobei TOTO eher utopisch ist, da passen wir einfach stilistisch nicht so gut dazu. Aber bei QUEEN, vor allem Chor-mäßig, das könnte schon passen, das wäre natürlich das Größte!

Und, was meinst du, steigt ihr mit „Lionheart“ in die Charts ein?

Georg: Ja, ich hoffe! Mit „Codex Atlanticus“ hat es ja auch knapp gereicht, ich hoffe also dass wir es auch mit „Lionheart“ schaffen und vielleicht sogar noch etwas höher kommen!

Nachdem Metal ja gerade ziemlich im Trend liegt, wie man anhand der Charts, vor allem den deutschen, sehen kann, stehen die Chancen ja gut.

Georg: Ich hoffe sehr stark, das es sich realisieren lässt. Wir werden jetzt sicher nicht von Heute auf Morgen berühmt, das ist klar! (lacht)

Aber dazumals, als wir mit Bands wie STRATOVARIUS oder KAMELOT unterwegs waren, hat es mir immer unglaublich gut getan, wenn die gesagt haben, hey Jungs, schaut euch unsere Vergangenheit an. STRATOVARIUS mussten sechs Alben herausbringen, bevor überhaupt etwas gegangen ist. Die ersten Alben kennen viele Leute doch heutzutage gar nicht einmal, erst als dann die „Visions“ eingeschlagen hat und später die „Infinite“, da ist die Sache richtig explodiert. Aber davor: nichts! Bei KAMELOT das Gleiche – die „The Forth Legacy“ war die erste Platte, die Erfolg hatte – nach vier Alben! Richtig losgegangen ist es da auch erst mit „The Black Halo“, was schon das siebte Album war. So ab dem siebten oder achten Album konntest du sagen, dass sie ein Publikum von 500 bis 1000 Leuten gezogen haben, aber davor...

Und auch so Bands wie POWERWOLF, wo es dann letztendlich sehr schnell gegangen ist – da hat sich auch für die ersten drei Alben fast keine Sau interessiert.

Ähnlich wie bei SABATON, die mit „The Art Of War“ groß wurden – und wo auch kaum einer wusste, dass es vorher schon vier Alben gegeben hat.

Georg: Oder ein anderes Beispiel – da kann man jetzt davon halten was man will – UNHEILIG. Den hat es seit 17 Jahren gegeben, und dann hatten er auf einmal kommerziellen Erfolg.

Und ich höre gerade, unten in der Halle sind sie jetzt fertig, das heißt wir müssen auch das Interview beenden! Dann führen wir das Gespräch einfach im Februar bei der nächsten Tour weiter. Vielen Dank für deine Zeit Georg!

Georg: So machen wir's! Dann bis zum nächsten Mal!


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