Interview: Cradle Of Filth - Dani Filth

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Hier sind wir, hier bleiben wir, wir sind yours immortally

CRADLE OF FILTH sind zurück und haben mit „Hammer Of The Witches“ ein bärenstarkes Album im Gepäck. Da es hierrüber viel zu erfahren gibt, trafen wir uns mit Mainman Dani Filth zum lockeren Plausch. Welcher dann letztendlich so ausführlich wurde, dass wir Euch das Interview in zweierlei Häppchen servieren. Lest im ersten Teil Wissenswertes über die momentane Bandsituation, sowie zum Entstehungsprozess des neuen Outputs:

Veröffentlicht am 26.06.2015

ST: Hi Dani! Erst einmal vielen Dank, dass du Zeit gefunden hast, mit uns über das neue Album zu sprechen.

Dani: Freut mich sehr!

ST: "Hammer Of The Witches" wird am 10. Juli diesen Jahres veröffentlicht, wenn ich mich recht entsinne.

Dani: Das scheint mir auch so!

ST: Soviel darf ich schon vorweg nehmen, ich bin sehr begeistert von dem Album!

Dani: Du hast es schon gehört?

ST: Ich habe es schon hören dürfen, ja! Und mir gefällt es richtig gut!

Dani: Cool! Aber bei deiner Version fehlen ja auch zwei Stücke, stimmt's?

ST: Du meinst die Bonustracks?

Dani: Ja, beziehungsweise, nein, weil es keine "Bonustracks" sind. Also wir sehen die beiden zumindest nicht so. Die sind zur gleichen Zeit entstanden wie der Rest. Stell dir alle Stücke als unsere Kinder vor, denen wir alle gleich viel Liebe haben zukommen lassen. Wir hatten uns erst zwei Wochen vor Abgabe des Albums dazu entschieden, welche letztendlich die Bonustracks sein würden. Aber man braucht nun mal welche. Denn, wenn du die Wahl hättest, und viele meiner Freunde bestätigen das, man greift natürlich immer zur Special Edition. Und du selbst bestimmt auch. Also wenn du das Album wirklich magst, dann holst du dir die zwei Songs später garantiert noch!

ST: Da kann ich nichts gegen sagen, das werde ich mit ziemlicher Sicherheit. Ich sammele als geneigter Fan sowieso das eine oder andere von Euch!

Dani: Dann hast du ja später endlich mal was von uns komplett (lacht)

ST: Genau, hehehe! Wie sind denn die Reaktionen bis jetzt auf das Album?

Dani: Ein Wort: fantastisch! Ich bin, naja, ich bin nicht überrascht....Das klingt jetzt vielleicht etwas dickköpfig, wenn ich das so sage und das stimmt auch nicht völlig, denn man macht sich ja immer Gedanken. Man arbeitet schließlich hart an so einem Album. Und die Zeit im Studio war irgendwie vergleichbar mit einer Zeit im Winterschlaf. Und wenn du wieder auffwachst ist es erst mal wie ein kleiner Schock. Plötzlich ist die ganze Zeit und die ganze Arbeit vorbei. Es ist getan sozusagen. Und du denkst dir: "Jetzt warst du da ganze vier Monate drinnen"

ST: Die Produktion hat ganze vier Monate gedauert?

Dani: Ja so ungefähr. Und an den meisten Tagen haben wir elf Stunden Schichten geschoben. Hier und da mal ein freier Tag, beispielsweise an Weihnachten, aber unterm Strich waren es gute vier Monate. Vier Monate voller harter Arbeit. Und vor ein paar Wochen haben wir auf den Philippinen gespielt, das Album war schon fertig, da saßen wir nach der Show anstatt zu feiern alle zusammen auf dem Dach eines Gebäudes neben einem Schwimmbad, haben das Album nochmal gehört und jeder hat sich Notizen gemacht. Mit diesen Notizen bin ich dann zurück ins Studio marschiert und habe diese Sachen noch einmal angepasst. Hab ich aber niemandem erzählt (lacht).

ST: Hast du da Sachen nur neu arrangiert oder komplett umstrukturiert?

Dani: Das waren in erster Linie Kleinigkeiten, die einem kaum auffallen. Ein bisschen hier und da, hier den Bass nochwas aufgedreht und so weiter...also Sachen, die in erster Linie der Band auffallen würden. Aber nach der ganzen Zeit und diesen Kleinigkeiten können wir sagen, dass wir als Band zu 100 Prozent happy mit dem Endresultat sind. Deswegen: Das soll nicht dickköpfig klingen, ich bin einfach sehr zufrieden und stolz auf das, was wir geleistet haben. Und bis lang haben wir von allen Seiten den Daumen hoch als Resultat erhalten.

ST: Da kann ich mir nur anschließen. Bevor wir einen detaillierteren Blick auf das Album werfen, lass uns kurz nochmal zurückschauen, was seit der letzten Tour mit BEHEMOTH alles passiert ist bei Euch. Was sicher ja einen Einfluss auf das Album hatte. Da gab es ja kurz vorher die Ankündigung, dass Paul [Allender, Git.] und James [McIlroy, Git.] nicht mitkämen auf die Tour. James stand vor einer Hals-OP, richtig?

Dani: Ja, genau! Einer wirklich ernsthaften sogar. Ich muss mich die Tage mal nach ihm erkunden, denn die OP wurde noch einmal verschoben, so dass sie jetzt neulich irgendwann erst stattgefunden hat. Hätte er die Tour mitgespielt, so hätte sein zentrales Nervensystem und seine Luftröhre erheblichen Schaden nehmen können, daher stand sein Aussetzen nicht zur Debatte. Aber das Problem sollte inzwischen gelöst sein. Ich muss gestehen, dass ich durch die Albumproduktion in der letzten Zeit nicht dazu kam ihn mal anzurufen, aber das werde ich bald tun.

ST: Wir wünschen natürlich eine gute und vor allem schnelle Genesung. Bei Paul war es anders, er hatte private Probleme, was ist da genau passiert?

Dani: Da muss man gar nicht wirklich ins Detail gehen, er konnte einfach nicht, und zusätzlich zu der Sache mit James war das natürlich ein großer Schock für uns. Gleich beide Gitarristen, die kurz vorher ausfallen, und dass, obwohl schon alles gebucht und abgewickelt war. Und das skurrilste an der Geschichte: Nachträglich war es ein voller Erfolg - die Band funktionierte brilliant. Und bereits da haben wir ein bisschen mit Schreiben begonnen, einfach um die Energie des Moments einzufangen. Daher war es für uns das natürlichste, die Band in dieser Konstellation zu belassen. Die letztendliche Trennung von Paul verlief freundschaftlich. Er kam zurück und fragte, wann wir ein neues Album anfangen wollten und ich sagte ihm, dass wir es ohne ihn angehen werden. Es war einfach ein logischer Schritt, da die neue Besetzung zu diesem Zeitpunkt schon sechs oder sieben Monate perfekt zusammengearbeitet hat. Naja, und er sagte einfach: "Okay, gut, viel Erfolg dann". Ich meine, er lebt in den USA und hat seine eigene Band am Start [WHITE EMPRESS, Anm. d. Verf.], vielleicht fiel ihm in diesem Moment auch ein großer Stein vom Herzen, weil er mit zwei Bands einen massiven Arbeitsaufwand vor sich hätte. Aber ja, wir haben ja jetzt ein großartiges Line-Up zusammen mit den neuen Gitarristen.

ST: Wo hattest du die beiden so schnell aufgetrieben?

Dani: Ashock kommt von Martin! Neben ROOT hat er ja auch bei INNER FEAR mit ihm zusammen gespielt. Beide kommen aus Tschechien, also nennen wir sie die "Czech Mates". Und Richard ist Engländer, aus Deeeeerby!

ST: Ist er ein Kumpel von dir?

Dani: Jetzt auf jeden Fall, damals kannte ich ihn noch nicht. Und ja, damit war das Line Up wieder komplett. Und es ist frisch. Keiner von beiden ritt mit uns auf der Spitze der Erfolgswelle, keiner durchlebte das folgende Tal über die Jahre. Beide haben ihre ganz eigene Sicht auf die Band und die Fans. Auf der Tour haben wir dann viel altes Zeugs von "Dusk And Her Embrace" und "Cruelty And The Beast" gespielt. Und das gibt in etwa die Richtung des neuen Albums vor.

ST: Nicht zu vergessen eure neue Keyboarderin, Lindsay Schoolcraft!

Dani: Naja, sie ist nun ja schon fast drei Jahre in der Band.

ST: Auf der Position habt ihr ja ne recht hohe Fluktuationsrate?

Dani: Wir haben ja nie einen wirklich festen Keyboarder. Ich glaube, nach Martin [Foul] hatten wir drei Keyboarderinnen, Rosie [Smith], Ashley [Jurgemeyer] und Caroline [Campbell], und sie gehörten praktisch nur zur Live Besetzung. Aber Lindsay ist seit langer Zeit wirklich wer, der die Position an sich gerissen hat. Nicht weil die anderen schlechtere Qualität ablieferten, sondern weil sie einfach anderes zu tun hatten. Ashley ist mit ihrem Freund nach Los Angeles gezogen und komponiert dort für die Filmindustrie. Caroline spielt für ganz verschiedene Projekte. Damit ist Lindsay tatsächlich die erste feste Keyboarderin seit...ja, seit "Nymphetamine".

ST: Also bleibt das Line Up so jetzt ein wenig bestehen?

Dani: Das hoffe ich! Wir kommen so gut miteinander aus. Wenn wir auf Tour sind unternehmen wir Sachen zusammen, machen Sightseeing...Letztes Jahr bin ich mit meiner Frau und Tochter zu Lindsay nach Toronto für ein paar Tage geflogen. Lindsay wiederrum war ein paar Tage bei Daniel [Firth] in Schottland. Es herrscht ein familiäres Gefühl zur Zeit, wie in einer großen Einheit. Und das hörst du auf dem Album. Den Spaß, den jeder an der Scheibe hat, den hörst du richtig raus.

ST: Wie lief das denn dieses Mal genau ab? Paul war ja für den Löwenanteil am Songwriting in der Vergangenheit verantwortlich, daher musstet ihr die kreative Phase ja ganz neu strukturieren!

Dani: Ja, das mussten wir und ich glaube wir haben das bestens gelöst. Wir sind eine Zwei-Gitarren-Band, das waren wir immer, und wenn du ein Album schreibst, dann musst du das von Anfang an berücksichtigen, was mit Paul nicht immer der Fall war. Auf dem neuen Album dafür um so mehr. Vielen fällt auf, dass wir fast schon PRIESTige Doppel-Lead Läufe eingebaut haben, dazu viele Soli, Licks und melodische Gitarrenhooks. Selbst Daniel hat dieses Mal viel Freiraum für seine Bassläufe bekommen, und er hat ein paar schöne STEVE HARRIS Gedenkparts herausgehauen. Es ist schon ungewöhnlich für uns, den Bass so prominent hervorzuheben.

ST: In wie weit waren denn alle am tatsächlichen Songwriting beteiligt?

Dani: Sehr stark. Martin war verantwortlich für die orchestralen Arrangements. Also für die Keyboards in erster Linie, dieses mal haben wir aber auch viele organische Instrumente inkludiert. Geigen, Dulcimer, das ist so ein osteuropäisches Scheitholz und viele andere exotische Instrumente, deren Namen ich mir ehrlich gesagt gar nicht merken konnte. Viele dieser Parts hat Martin geschrieben und die Aufnahmen in Tschechien überwacht. Lindsay hat Harfe gespielt und offensichtlicherweise die weiblichen Vocals übernommen. Viele Sachen, die sie geschrieben hat, wurden von Daniel in Gitarrenriffs konvertiert. Also hat eigentlich jeder zwei bis drei Songs beigesteuert. Als wir ins Studio gingen hatten wir 15 Tracks fertig. Scott Atkins, unser Produzent, war dann der Ansicht, Qualität geht über Quantität, also haben wir drei gestrichen und uns auf die restlichen zwölf richtig konzentriert, von denen wiederum welche als Bonustracks hermussten. Ich meine, das sind ja auch alles ziemlich lange Songs, wir schreiben ja keine RAMONES Alben. Und auf einen Song war ich besonders stolz, er beinhaltet einer der besten Texte, die ich je geschrieben habe. Leider wurde ich überstimmt und er ist nicht auf dem Album gelandet. Da sieht man, dass das doch sehr demokratisch bei uns zugeht. Wir verwenden einige Ideen vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt erneut, weil wie schon gesagt, das sind alles unsere Kinder.

ST: Und ihr seid inzwischen eine richtige Familie, die diese Kinder großzieht.

Dani: Eine wahrhaft ekelhafte Familie, hahaha!

ST: Zurück zu den Oldschool-CRADLE Anleihen auf "Hammer Of The Witches", welche sicherlich durch die letzte Tour angefeuert wurden!

Dani: Ja, das glaube ich tatsächlich, wir haben ja viele alte Sachen gespielt. Das kam auch ein bisschen von Ashok und Richard. Sie hören viele verschiedene Musikstile, sind aber auch ziemlich angetan von den alten CRADLE Alben wie "Dusk & Her Embrace", "Cruelty And The Beast" und deren speziellem Stil. Und das wollten sie eben auf dem neuen Album machen, schnelle Blasts, viele Harmonien und Soli. Das hat sich herauskristallisiert und wie ich schon sagte: die beiden sind frisch und gehen fokussiert ans Komponieren heran, ohne große Bekümmertheit über Meinungen von außen. Was auch nicht ganz stimmt, da wir schon auf unsere Fans hören und ihre Anregungen respektieren. Aber manche Fans sind auch recht impulsiv, wenn es um ihre persönliche Meinung geht. Das schätzen wir natürlich, aber man kann es nicht jedem recht machen. Aber wir tun unser bestes.

ST: Ihr geht ja auch wieder ein Stück weiter. Mal abgesehen von den im Gothic Bereich heimischen Songs wie "Nymphetamine" oder den Sachen auf "Thornography" habt ihr mit "Yours Immortally" und "Blackest Magic In Practice" zwei der eingängigsten und melodischsten Stücke überhaupt auf dem Album vertreten. "Yours Immortally" kommt ja fast gänzlich ohne Dissonanzen daher.

Dani: Wir waren auch ein bisschen besorgt, ob wir "Yours Immortally" tatsächlich an den Anfang stellen sollen. Gibt es darin nicht zu viele Dur Akkorde, ist das nicht dunkel genug? Aber die Dunkelheit holt einen ja schnell wieder ein. Es ist halt ein zelebrierender Song, mit dem wir sagen: Hier sind wir, hier bleiben wir, wir sind "yours immortally", lasst uns die Feier beginnen. Es ist ein essentieller Heavy Metal Song, man könnte schon sagen "Feel Good". Aber er passt einfach wie die Faust aufs Auge. Und "Blackest Magic In Practise" erinnert mich ein bisschen an "Thank God For The Suffering" vom "Damnation And A Day" Album, er drückt auf die Tränendrüse. Er hat ein recht aufmunterndes Ende aber auch absolut niedertrümmernde Death Metal Parts im Mittelteil.

ST: Und einer der eingängigsten Refrains seit langer Zeit, der mich seit Tagen verfolgt!

Dani: Das ist cool, hehe!

ST: Eine weitere Neuerung: Ihr veröffentlicht zum ersten Mal seit eurem Bestehen auf Nuclear Blast. Wie kam das zu Stande?

Dani: Das kam auf der BEHEMOTH Tour zu Stande. Marcus Staiger wollte uns schon seit Jahren signen. Er kam zur Show in Stuttgart und da lief eigentlich alles zusammen. Auch mit DEVILMENT übrigens. Was ziemlich praktisch ist, da beide Bands jetzt auch den selben Booking Agent haben. Auf einmal sprach alles für Nuclear Blast, das Angebot, der Ruf als eines der Top Metal Labels überhaupt, die Menschen dahinter. Die Leute hier sind keine Anzugträger, sie sind Fans wir du und ich und verstehen die Musik und somit die Künstler dahinter. Und dann schau doch mal, wer sonst noch bei Nuclear Blast unter Vertrag steht: MACHINE HEAD, ANTHRAX, neuerdings auch SLAYER. Also, es gibt sicherlich schlechtere Gesellschaft, oder?

[Anm. d. Red.: Bitte entschuldigt den jähen Abbruch des Interviews - ein ursprünglich geplanter zweiter Teil kam leider nicht mehr zustande.]


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