Interview: Porcupine Tree - Gavin Harrison

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Ich finde einfach, Musik soll in erster Linie gut klingen und den Leuten gefallen, und nicht nur zeigen, was ich für abgefahrene Sachen auf dem Schlagzeug spielen kann.

Wenn sich PORCUPINE TREE schon mal die Ehre geben und Wien besuchen, ist das natürlich eine gute Gelegenheit, dem "Neuen" auf den Zahn zu fühlen. Konkret ist das Schlagzeuger Gavin Harrison, der 2002 für Chris Maitland einsprang und eine ganze Menge zu sagen hatte. Hier ist alles, was ich von unserem halbstündigen Gespräch aus dem Gedächtnis ungefähr rekonstruieren konnte - rekonstruieren deshalb, da sich das Aufnahmegerät dazu entschlossen hat, die Aufnahme zu killen, aber das nur am Rande. Zum Glück habe ich ein ziemlich gutes Gedächtnis ;)

Veröffentlicht am 17.11.2007

Warst du schon mal in Wien? Mit oder ohne PORCUPINE TREE? Irgendwelche Eindrücke?

Ich war schon öfters da – mit IGGY POP, glaube ich, mit PORCUPINE TREE auch. Und vor ein paar Jahren mit EROS RAMAZOTTI. Wien ist eine fantastische Stadt.

Wie bist du überhaupt zu PORCUPINE TREE gekommen?

Eigentlich ist das schon ziemlich lange her – vor zehn Jahren habe ich bei einer italienischen Band Session-Schlagzeug gespielt und dabei Richard [Barbieri, Keyboards] kennen gelernt. Ab da waren wir Freunde. Als 2002 dann [Chris Maitland] die Band verlassen hat, hat mich Richard angerufen und mir erzählt, dass er und die Band nach New York fliegen müssten und eine Platte aufnehmen, und ob ich Interesse hätte, bei PORCUPINE TREE Schlagzeug zu spielen – ich habe ja gesagt.

Du bist jetzt seit fünf Jahren in der Band – hast du dich gleich zu Hause gefühlt, oder hat es ein bisschen gedauert?

Dadurch, dass Richard und ich schon lange befreundet sind, habe ich auch die anderen Mitglieder schon ein bisschen gekannt. Neu war, dass ich davor noch nie fixer Drummer in einer Band war – ich habe bei vielen Bands Session-Schlagzeug gespielt, aber eben noch nie als fixes Bandmitglied.

Welches PORCUPINE TREE Album aus der Zeit, bevor du dabei warst, gefällt dir am besten?

Schwer zu sagen – es klingt für mich alles sehr anders, ganz anders, als die Band heute ist. „Up The Downstair“ mag ich gerne, genauso wie „Stupid Dream“, aber wie gesagt – mittlerweile macht die Band ganz andere Musik.

War der Einstieg bei PORCUPINE TREE für dich schlagzeugtechnisch eine Herausforderung? Musstest du neue Techniken entwickeln?

Nicht wirklich. Natürlich musste ich einige der älteren Songs lernen, aber das war nicht wirklich ein Problem.

Ich frage, weil ich oft versuche, bei den Songs mitzuzählen, es aber einfach nicht schaffe.

Viele der Songs haben ziemlich schwierige Takte, aber ich versuche das meistens zu verstecken…

…was dir ausgezeichnet gelingt!

Ich finde einfach, Musik soll in erster Linie gut klingen und den Leuten gefallen, und nicht nur zeigen, was ich für abgefahrene Sachen auf dem Schlagzeug spielen kann. Im Prinzip gebe ich damit an, dass ich nicht angebe.

Steven [Wilson, Gitarrist, Sänger und Mastermind] war früher oft nicht sehr glücklich darüber, dass PORCUPINE TREE von den Journalisten als Prog Rock bezeichnet wurde – was hältst du von der Bezeichnung? Passt sie zur Musik?

Natürlich müssen Journalisten ständig Vergleiche anstellen und Genrebezeichnungen anführen, um neuartige Musik irgendwie zu erfassen, allerdings glaube ich nicht, dass wir wirklich Prog Rock machen. Ich habe zwar selber nie wirklich Prog Rock gehört, aber das, was sich mein älterer Bruder so angehört hat – GENESIS, PINK FLOYD und so – habe ich natürlich auch mitbekommen. Das ist aber eine ganz andere Richtung als PORCUPINE TREE. Ich glaube aber durchaus, dass wir „progressive“ Musik machen, in der eigentlichen Wortbedeutung.

Wie entstehen die Drums für die Songs? Kommt Steven mit Ideen und du passt dein Drumming daran an, oder entscheidest du selbst, was am besten passt?

Normalerweise schickt mir Steven die Tracks, die er selber aufgenommen und geschrieben hat, und ich mache dann die Drums dazu bei mir im Studio. Manchmal hat er natürlich Vorstellungen, aber er ist immer offen für Ideen. Ich habe immer etliche Rhythmusideen im Kopf, die ich dann auch umzusetzen versuche, und bastle dann auch manchmal ein bisschen am Arrangement herum. Ich höre mir den Song an und spiele dann das, was am besten dazu passt. Dasselbe machen im Grunde Richard und Colin [Edwin, Bass]. So entstehen die Songs. Natürlich kann ich da nicht alles einbauen, was mir so durch den Kopf geht, aber dafür habe ich jetzt einen gewissen Rick auf MySpace kennen gelerent, mit dem ich ein Projekt gestartet habe.

Jammt ihr auch manchmal als Band?

Natürlich. Dabei entstehen auch etliche Songs, wie zum Beispiel „Cheating The Polygraph“ oder „Way Out Of Here“, beides Songs, mit denen wir sehr zufrieden sind. Der einzige Grund, warum „Cheating The Polygraph“ nicht auf „Fear Of A Blank Planet“ zu finden ist, ist, dass er live nicht ganz so gut angekommen ist; deshalb haben wir ihn auf „Nil Recurring“ gepackt.

Du hast mittlerweile drei Alben mit PORCUPINE TREE gemacht – „In Absentia“, „Deadwing“ und das aktuelle, „Fear Of A Blank Planet“. Letzteres sticht, zumindest meiner Meinung nach, im Vergleich zu den anderen beiden heraus – was meinst du dazu?

Für mich fühlen sich die Alben relativ ähnlich an. Aber das ist das schöne an Musik – jeder kann hineininterpretieren, was er/sie möchte. Ich bin wahrscheinlich zu nahe an der Quelle, um das wirklich beurteilen zu können. In gewisser Weise stimmt es allerdings, dass „Fear Of A Blank Planet“ anders ist – ich würde sagen, dass es ein Konzeptalbum ist, während die anderen beiden eher einem bestimmten Thema folgen. „In Absentia“ hat dieses Massenmörder-Thema, und „Deadwing“ nimmt Bezug auf den Film.

Es gibt einen Film dazu? Ist der auch von Lasse [Hoile, Fotograf und Filmemacher, für die Videos und Visuals der Band verantwortlich]?

Nein, der ist von einem Freund von Steven, Mike [Bennion]. Steven und er haben vor einiger Zeit ein Drehbuch geschrieben, auf dem das Album basiert.

Was ist dein Lieblingssong auf „Fear Of A Blank Planet“ und warum?

Höchstwahrscheinlich „Way Out Of Here“, weil es ein wirklich starker Song geworden ist und auch live sehr gut funktioniert.

Kannst du mir was zu „Anesthetize“ sagen? War es als 17-minütiges Epos angelegt oder ist das eher passiert?

Nein, das war so geplant. Der ganze Song ist in derselben Tonlage und im selben Tempo, deswegen konnten wir ihn so leicht erweitern. Im Grunde besteht „Anesthetize“ aus drei großen Teilen, die zusammenspielen. Steven hat mir seine Files geschickt, ich habe mir das Schlagzeug dazu überlegt und die Reihenfolge etwas variiert, und dann an Richard und Colin weitergegeben. So ist das ganze entstanden.

Wie war die Tour bis jetzt? Irgendwelche besonderen Eindrücke?

Die Tour ist bis jetzt sehr gut gelaufen. Am eindrucksvollsten war für mich persönlich die Show in Mexico City – alles war sehr gut organisiert, wir waren in einem 5-Sterne-Hotel untergebracht, alle waren sehr nett, und die Show war ausverkauft – wie viel besser kann es laufen?

Ihr hattet ja in letzter Zeit überhaupt etliche ausverkaufte Shows!

Ja, obwohl wir jetzt nicht gerade eine riesige Band sind. Aber es war ein stetiger Aufstieg in den letzten Jahren – deshalb werden uns unsere Fans auch erhalten bleiben, denke ich. Viele Bands, die auf einmal angesagt sind, sind es genauso schnell wieder nicht mehr, aber bei uns wird es einfach stetig mehr, was sehr schön ist.

Das war’s von meiner Seite – danke, dass du dir Zeit genommen hast, und viel Spaß heute!

Danke auch, genieß’ die Show!


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