Interview: Iced Earth - Tim Owens

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Jon wird sich niemals irgendwelchen Trends unterwerfen!

Beim Graz Gig wurde mir eine große Ehre zuteil: Mit Tim Owens stand mir einer der bedeutensten Sänger des traditionellen Metals Rede und Antwort! Höflich und geduldig beantwortete mir der "Ripper" eine Reihe sehr unterschiedlicher Fragen......

Text: El Greco
Veröffentlicht am 18.10.2007

Relativ kurzfristig erhielt ich die Chance am Tag des ICED EARTH Konzerts in Graz doch noch ein Interview mit einem der Bandmitglieder zu führen. Nachdem der Tourmanager gefunden wurde, und dieser mich auch sehr höflich empfing, stand auch schon Jon Schaffer neben mir. Eine kurze Frage des Tourmanagers an Jon Schaffer („Willst du das machen, oder soll das Interview mit Tim geführt werden?“) leitete dieser direkt an mich weiter, bzw. fragte mich ob ich Fragen hätte, die nur er beantworten könnte, oder ob auch Tim das Interview bestreiten könnte. Als ich ihm versichert habe, dass dies natürlich kein Problem sei, wenn Schaffer „too busy“ sei, entgegnete mir der Bandleader mit der imposanten Statur, dass eben nicht der Stress etwas hinderlich sei für ihn, sondern eine Verletzung, die er sich zugezogen habe. Gute Besserung auf diesem Weg an Mr. Schaffer!

Tim Owens stand auch sofort „auf der Matte“ und begrüßte den Autor dieser Zeilen gut gelaunt und durchaus relaxed. Doch genug der Einleitung..... Lassen wir das Interview mit einer der Sangesgrößen dieses Genres Revue passieren:

Hallo Tim! Nun bist Du also zurück in Österreich... allerdings das erste Mal im Dienste von ICED EARTH! Wie fühlst du dich dabei?

Es ist toll wieder hier zu sein! Ich habe zwar einige Festival Auftritte als Sänger von ICED EARTH absolviert, doch dies ist meine erste reguläre Tour als deren Sänger. Ich war bereits öfter in Österreich mit JUDAS PRIEST und BEYOND FEAR, und habe es jedes Mal genossen hier zu sein! Nun bin ich froh, endlich mit ICED EARTH hier zu sein

Tatsächlich war ich doch etwas überrascht, dass diese Tour sogar zwei Österreich Termine aufweist, und eventuell große Märkte mit einem höheren Publikumsaufkommen vorerst außen vor blieben. Uns kanns recht sein.... ;-)

Tja, wir können nicht überall spielen. ;-) Aber es war sicher mal wieder an der Zeit hier in Graz zu spielen. ICED EARTH waren auch schon ewig nicht mehr hier (Anm: Laut Jon Schaffer vor 15 Jahren!)

Gibt es einen (alten?) ICED EARTH Song, der für dich besonders schwer zu singen ist?

Nun, dies ist abhängig davon, wie weit das Set bereits fortgeschritten ist. „Dracula“ zum Beispiel kann manchmal unglaublich hart zu singen sein. Wir spielen diesen Song momentan kurz vor dem Zugabenteil. Auch “Ten Thousand Strong“ spielen wir relativ spät. Dieser Song ist ebenfalls sehr schwierig zu singen. Vor allem, wenn der Hals einigermaßen trocken ist, was bei mir bei dieser Tour bislang der Fall ist. Diese beiden sind momentan wohl die für mich am schwierigsten zu singenden Songs auf der Setlist.
Dafür gibt es auch wieder leichtere Songs wie „Burning Times“, das übrigens einer meiner Lieblingstracks ist.

Ich stelle es mir sehr schwierig vor, so viele Songs zu performen, die ein anderer (und noch dazu sehr guter) Lead Singer gesungen hat. Dein Gesangsstil ist ja ganz anders als Barlow’s Stil!

Die Ironie an der Sache ist, dass „Dracula“ eigentlich einer der Songs aus der Barlow-Ära ist, der meinem Gesangsstil ähnelt, da er viele hohe Passagen beinhaltet. Deshalb nehmen viele Leute an, dass dieser Song für mich sehr leicht zu singen ist. Grundsätzlich sind aber viele der alten Songs recht leicht zu singen. Zumindest jene, die wir momentan in der Setlist haben. “The Hunter“ und “My Own Saviour“ sind zum Beispiel Songs, die ich leicht und problemlos singen kann. Anscheinend sind vor allem die neueren Songs zum Teil problematisch. So ist z.B. “Declaration Day“ auch ein schwieriger Song für mich. Ich liebe es auch in etwas tieferen Skalen zu singen, da dies etwas düsterer und mächtiger rüberkommt.
Was viele Leute nicht wissen ist die Tatsache, dass ich ja eigentlich Songmaterial von drei verschiedenen ICED EARTH-Sängern singe. Jeder hatte einen etwas anderen Stil. Bis zu einem gewissen Grad kann man die Songs aber auf den eigenen Stil ummünzen.

Nach dem Release von “Framing Armageddon“ war die Fachpresse aufgeteilt in zwei Lager. Der eine Teil der Presse liebt das Album, während der andere Teil es absolut nicht ausstehen kann. Warum ist das bei so einem klar definierten und auch musikalisch klar umgesetzten Konzept der Fall?

Ja, damit hast du sicher Recht. Aber bei ICED EARTH scheint dies normal zu sein: Auch bei “Horror Show“ und sogar “Something Wicked“ spaltete sich die Presse in zwei Lager. Schwer zu sagen, woran das liegt.....
Für mich persönlich ist “Framing Armageddon“ ein typisches ICED EARTH Album geworden, das Elemente aus allen Schaffensperioden der Band vereint. Ich hab die Kritik vernommen, dass “Framing Armageddon“ nicht “heavy“ genug sei. Doch dies kann ich nicht nachvollziehen. Sogar auf “Something Wicked“ befanden sich 3-4 langsame Songs. Die Leute scheinen zu vergessen, dass ICED EARTH seit Beginn ihrer Karriere immer auch langsame Songs im Repertoire hatten!
Einigen Fans und Teilen der Presse wird mans nie ganz recht machen können. Das war bereits zu JUDAS PRIEST Zeiten so, und wird wohl auch immer so bleiben. Das Problem dabei ist, dass man es auch nicht versuchen sollte es diesen Leuten unbedingt recht zu machen, denn dann wird man von der anderen Hälfte der Fans und Journalisten geschasst. ;-)

Viele Fans haben wohl Schwierigkeiten, wenn eine Band versucht immer wieder neue Elemente in ihren Sound zu inkludieren. Doch man kann ja nicht immer dasselbe Album (mit unterschiedlichen Songtiteln) produzieren. ICED EARTH hat dies ja auch früher nie getan...

Absolutely! Ich weiß, dass einige Fans diese Art des „Konzepts“ nicht so gerne haben, bzw. nicht besonders erfreut sind, wenn auf einem Album eine Geschichte erzählt wird. Manche wollen lieber einzelne Songs, statt eines umfassenden Konzepts. Dies kann ich schon verstehen. Allerdings kann man bei den Intros ja auch einfach die „skip“-Taste aktivieren, und dann ist der Effekt ähnlich wie bei nicht zusammenhängenden Songs.

Wahrscheinlich liegt es auch daran, dass ein recht komplexes Konzept den Hörer mehr fordert als einige wahllose aneinander gereihte Songs?!

Ja, das mag sein. Ich persönlich höre mir das Album aber kaum in der Reihenfolge an. Kann schon sein, dass ich z.B. “The Clouding“ oder “Domino Decree“ auslasse, und mir die Songs anhöre, die mir am besten gefallen.

Ich hab mich eher dabei ertappt, „Ten Thousand Strong“ immer wieder zu wiederholen, da es einfach ein unglaublich eingängiger Song mit einem bärenstarken Refrain ist, der etwas aus dem Rest des Albums heraus sticht.

Das sehe ich ähnlich, ja. ;-)

Wie du ja weißt, waren viele ICED EARTH Fans der ersten Stunde sehr skeptisch, was sie erwarten würde, als du zur Band gestoßen bist. Um ehrlich zu sein wusste ich auch nicht, was ich nun denken sollte. Obwohl die Meinungen bezüglich des neuen Albums auseinander gehen, hab ich kaum Kritik bezüglich deiner Gesangsleistung gelesen, was mich gefreut hat, da ich nach den „Gettysburgh“ Teilen bereits mehr als überzeugt war. Denkst du, dass dieses „Problem der Akzeptanz“ nun endgültig gelöst sein wird?

Nein, dieses „Problem“ wird niemals ganz gelöst werden. Die Menschen sind nun mal so.
Viele realisieren nicht, dass ICED EARTH Jon’s Vision ist, und es nun so ist, wie er sich das vorstellt. Ich persönlich kann damit leben. Alles ist so wie es ist, und um ehrlich zu sein, bin ich keineswegs besorgt. Es ist mir eigentlich egal, ob mich nun jeder mag oder eben nicht. Ich versuche immer das Beste zu geben, und auf der Bühne so gut zu singen, wie es mir möglich ist.

Dies ist sicherlich die richtige Einstellung. Eine andere Sache, die mich persönlich sehr interessiert: Wie sieht das Aufwärmprogramm vor einer Show aus, bzw. gibt es irgendwelche Rituale auf die du vor der Show keinesfalls verzichten willst?

Nein, ich hoffe nur, singen zu können. ;-) Momentan hab ich kein fixes Aufwärmprogramm. Der Start der Tour war sehr gelungen, doch beim zweiten und dritten Konzert der Tour hatte ich Probleme mit meiner Stimme. Zuvor probten wir drei Tage am Stück, was meiner Stimme etwas zu schaffen machte. Also versuche ich momentan einfach nur meine Stimme zu schonen.

Oh, da ist ein Interview am Tag der Show wohl auch sehr passend....

Naja, sagen wir mal so: Im Moment gebe ich nicht so viele Interviews. ;-)

Es muss doch allgemein etwas nervig sein, wenn jeder einen mit Fragen und Bitten bombardiert, und sich diese Fragen eventuell auch noch viel zu oft wiederholen, oder?

Nein, ich liebe es eigentlich Interviews zu geben. Auf „Promo Tour“ zu sein macht schon Spaß, und außerdem ist es ganz einfach ein Teil des Jobs. Wenn man das gern macht, ist es natürlich von Vorteil. Ich bin zwar kein riesiger Fan von Interviews am Showtag (aus den genannten Gründen), doch problematisch ist das ganze auch dann nicht. Keine Sorge, dies macht mir nichts aus! ;-)

Okay. Um mal einen ganz anderen Themenbereich anzuschneiden: Österreich scheint hauptsächlich Nährboden für extreme oder moderne Metal Bands zu sein. Tourneen die Death Metal Bands inkludieren sind viel häufiger als Power Metal-Tourneen. Zudem können momentan moderne Bands wie “Killswitch Engage“ die Hallen problemlos füllen. Trotz der Tatsache, dass Power Metal hier relativ “out“ zu sein scheint, schaffte es “Framing Armageddon“ bis auf Platz 36 der österreichischen Charts. Was denkst du, ist der Schlüssel zum Erfolg der Band?

Ich denke, dieser Verdienst gebührt Jon. Er ist jemand, der sein Ding durchzieht und seiner eigenen Linie immer treu bleibt. Für ihn läuft es “that way, or no way“, was viele Fans sicher sehr sympathisch finden. Jon wird sich niemals irgendwelchen Trends unterwerfen.
Ich denke und handle diesbezüglich ähnlich. Meine andere Band „BEYOND FEAR“ ist ebenso eine traditionelle Metal Band. Und ich bin ein “Heavy Metal singer“ und werde dies auch bleiben.

Vielleicht ist eure Fanbasis auch einfach älter und loyaler als die Fans diverser moderner Bands?!

Definitiv! Viele unserer Fans lieben die alten Klassiker wie JUDAS PRIEST, DIO etc.
Natürlich haben wir auch junge Fans, und wollen auch weitere junge Fans dazu gewinnen. Allerdings nicht durch eine Kurskorrektur. Wir sind sehr stolz auf diese loyale Fanbasis, die ICED EARTH seit vielen Jahren hat!
Wahrscheinlich werden viele Fans der modernen Bands, diese im Laufe der Zeit auch wieder verlassen. Bei den genannten KILLSWITCH ENGAGE könnte sich das anders verhalten. Deren Sänger ist wirklich stark, und schafft es auch mit Melodien zu glänzen.
Grundsätzlich denke ich aber, dass der Großteil der ICED EARTH Fans uns auch weiterhin treu sein wird. Zum Glück!

Ich denke, dass auch BEYOND FEAR einen Zugang zu jüngeren Fans finden wird, bzw. eine loyale Fanbasis aufbauen wird. Gemäß den Möglichkeiten, lief die Promotion bezüglich BEYOND FEAR ja durchaus erfolgreich. Auch wenn ihr danach – für den Power Metal Bereich - recht schwierige Territorien in Österreich besucht habt. Ich denke aber, dass diese Tour mit ICED EARTH auch deiner anderen Band definitiv zugute kommen wird. Nun aber zu einer soziologisch interessanten Frage: Wie bist du in die Metal Szene gelangt, bzw. wie gestaltete sich dieser Sozialisationsprozess?

Nun, Ende der 70er Jahre begann ich KISS zu hören. Anfang der 80er kam dann “Screaming for Vengeance“ raus, was dann den Startschuss für meine Liebe zum Metal bedeutete. Danach war ich ein absoluter Fan des Genres, und besorgte mir alle Platten von JUDAS PRIEST, DIO, IRON MAIDEN etc.
Alles was zu dieser Zeit gespielt wurde – von LIZZY BORDEN, SAVATAGE bis zu ANTHRAX – war für mich interessant. Danach wuchs diese ganze Sache ganz einfach. Als ich zu singen begann, merkte ich, dass die JUDAS PRIEST und IRON MAIDEN-Sachen meiner Stimme am ähnlichsten waren. Danach lief alles ganz natürlich ab: Ich begann mit Freunden Musik zu machen und besuchte natürlich viele, viele Konzerte.

Interessant, dass du später ausgerechnet bei deiner Lieblingsband zu singen begonnen hast..... Als ob du eine Vorahnung gehabt hättest. ;-)

In den 80er Jahren waren JUDAS PRIEST tatsächlich meine absolute Lieblingsband. Keine andere Band konnte ihnen damals auch nur annähernd das Wasser reichen. Halford ist einfach ein unglaublich dynamischer Sänger, der einen ganz eigenen Stil hat. Ähnlich wie Ronny Dio, der ebenfalls einen eigenen Stil prägte.
Als ich dann 1996 tatsächlich einen Anruf von JUDAS PRIEST bekam, war dies doch sehr ironisch.

Würdest du JUDAS PRIEST nun immer noch als Helden bezeichnen? Auch nach deinem Ausstieg?

Durchaus. Sie sind Helden und gleichzeitig meine Freunde. Es ist heute auch noch seltsam darüber zu sprechen. Dies umfasst schließlich zwei verschiedene Phasen meines Lebens: In den 80er Jahren war ich ein Junge, der sie als Helden verehrte und in den 90er Jahren wurde ich zu einem erwachsenen Mann, der plötzlich involviert war in seiner Lieblingsband. Heute sehe ich sie irgendwie immer noch als meine Helden, aber eben auf eine andere Art und Weise.

Es ist sicherlich interessant wie sich die Dinge ändern, wenn man über eine längere Zeit aktiv in der Szene ist?

Absolut! Ich hätte mir damals nicht gedacht, mal bei JUDAS PRIEST zu singen. Andererseits hätte ich mir – als ich Jon vor Jahren zum ersten Mal traf – auch nie gedacht, mal bei ICED EARTH zu singen, und in den selben Städten zu spielen, in denen ich mit JUDAS PRIEST war. Man weiß eben nie was einen erwartet. Aber irgendwie geht’s immer weiter!

Ich denke, dein Stil passt ohnehin viel besser zu ICED EARTH als zu JUDAS PRIEST. Zudem gab es bei PRIEST doch einen gewissen Altersunterschied zwischen dir und dem Rest der Band, bzw. auch vielen Fans der Band. Diese unter jenen Umständen zu überzeugen ist fast unmöglich, oder?

Naja, was die Fans anbelangt ist die Situation bei ICED EARTH nicht soooo anders. Entweder die Fans mögen mich, oder sie mögen mich nicht. Dies ist also bei ICED EARTH ähnlich. Was die Stimme anbelangt denke ich aber auch, dass mein Stil besser zu ICED EARTH passt. Hier hab ich viel mehr Möglichkeiten meine Stimme einzusetzen!

Da leider die Zeit vorüber war, musste die interessante Konversation mit Tim Owens an dieser Stelle beendet werden. Der “Ripper“ erwies sich als äußerst freundlicher und sympathischer Zeitgenosse, der sich geduldig und professionell meinen Fragen stellte. Mit einem freundlichen Schulterklopfer und netten Worten bezüglich eines erhofften Wiedersehens endete das Interview an dieser Stelle.


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