Interview: Benighted - Julien Truchan

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Kvarforth machte Todesgeräusche, indem er sich mit seinem eigenen Gürtel würgte

Präzise wie ein Schweizer Uhrwerk knallen uns die Franzosen von BENIGHTED Top-Album um Top-Album vor den Latz. Der neueste Streich "Carnivore Sublime" ist dabei keine Ausnahme. Frontmann Julien Truchan war so nett, sich einige Minuten für uns Zeit zu nehmen, um über Todesgeräusche bei den Songaufnahmen, einzigartige Coverversionen und kranke Konzeptideen zu sprechen.

Veröffentlicht am 19.02.2014

Hey Julien, herzlichen Glückwunsch zu "Carnivore Sublime" - wie erwartet ein herausragendes Werk unkontrollierter Aggression. Was waren die wichtigsten Punkte, die ihr im Vergleich zum Vorgänger "Asylum Cave" ändern wolltet und geändert habt?

Vielen Dank Mann, wir sind verdammt stolz auf das neue Teil. Viele Fans waren im Vorfeld ziemlich besorgt, weil so mancher "Asylum Cave" als eine Art "Masterpiece" von uns gehalten hat, aber unser neues Baby ist definitiv der gewalttätigste Scheiß, den wir jemals gemacht haben und hat den Vorgänger entthront! "Carnivore Sublime" ist noch aggressiver und beinhaltet eine viel dunklere Atmospähre, als wie sie je zuvor hatten. Eine weitere wesentliche Änderung ist, dass wir auf dem neuen Album die effektivsten Refrains unserer bisherigen Karriere haben und es kaum erwarten können, sie gemeinsam mit unserer Crowd durch die Hallen zu schmettern.

"Asylum Cave" hatte damals einen Österreich-Touch, immerhin habt ihr unseren Ober-Sicko Josef Fritzl als Hauptthema gewählt. Auf "Carnivore Sublime" geht es um einen Mann mit Borderline-Syndrom, der zu einem Kannibalen mutiert. Woher habt ihr diese kranke Idee schon wieder her und wie zieht sich das Thema durch das Werk?

Jedes Albumkonzept kommt aus meinen eigenen Erfahrungen, weil ich seit mehr als einer Dekade in einer Psychiatrie arbeite. Das Borderline-Syndrom ist eine ziemlich aktuelle Krankheitslehre, bedingt durch die ohnmächtige Angst, verlassen zu werden. Auf diesem Album handelt jeder Song von einem Trauma, das der Charakter während seiner Kindheit erlebt hat, von verschiedenen Symptomen seiner Krankheit und von den kranken Reaktionen die entstehen, wenn er mit seiner Frustration konfrontiert wird. Der Kannibalismus handelt nur von einem sich steigernden Symptom, verlassen zu sein, als er bemerkt, dass seine Freundin versehentlich schwanger wird und er realisiert, dass er sie in Zukunft teilen muss. Es ist für ihn unerträglich, sie zu verlieren und er beschließt, sie eher zu töten als zu verlieren. Er isst am Ende einige Stück ihres toten Fleisches, um Teile von ihr für immer in sich zu haben. Meiner Meinung nach schraubt "Carnivore Sublime" nicht unbedingt beim ersten Durchlauf die Köpfe der Hörer, aber wir gehen hier wesentlich variabler vor und haben viel mehr Details in den Sound eingebaut.

War es ein Ziel, etwas technischer und versatiler zu werden?

Es gibt kein spezielles Ziel, außer den Hörer von der ersten bis zur letzten Note gefangen zu nehmen, ihn nach Luft röcheln zu lassen, damit er am Ende noch härter zuschlagen kann. Wir haben uns auch niemals als eine technische Band gesehen. Wir wollen einfach effektive Musik erschaffen, die so druchdringt, dass du dich an jeden verdammten Song erinnern kannst. Für uns ist wichtig, dass jeder Song seine eigene Identität hat. "Carnivore Sublime" ist das Endprodukt von all der Wut, Frustration und Energie, die wir anzubieten hatten und ich denke, du kannst das ziemlich gut fühlen, wenn du dir den Wahnsinn anhörst, der aus diesem Album kracht.

Bis das neue Album auf den Markt kam, sind schon wieder drei Jahre vergangen, dennoch ist das Teil von der Spielzeit her wesentlich kürzer ausgefallen als die Vorgänger. War der Songwriting-Prozess dieses Mal schwieriger, oder hattet ihr einfach nicht mehr Ideen für das Konzept?

Absolut nicht. Wir sind fast drei Jahre lang für "Asylum Cave" um die Welt getourt und mit dem Songwriting-Prozess zu "Carnivore Sublime", haben wir erst neun Monate vor dem fertigen Endprodukt begonnen. Mit der Hilfe unseres neuen Gitarristen Adrien war das recht einfach. Er hat uns einfach neue Motivation und Energie eingeimpft - es war wie ein neuer Atem für die Band. Außerdem ist der Typ auf der Bühne irre, haha. Wir haben das Album sehr schnell geschrieben, nichts dabei kalkuliert, haben einfach unsere Gedärme reingeworfen und trotz der verstreichenden Zeit nie daran gedacht, etwas zu verändern. Die Länge ist meiner Meinung nach perfekt ausgefallen - die ersten Reaktionen der Fans zeigen, dass sie das Teil nach dem Durchhören sofort wieder von vorne starten.

Recht unüblich wirken die Gast-Vocals von SHINING-Sicko Niklas Kvarforth. Wie seid ihr mit ihm in Kontakt getreten und wird es dadurch auch bald BENIGHTED-Spuren auf einem Black-Metal-Werk geben?

Das ist eine großartige Geschichte aus zwei verschiedenen Welten! Ich muss sagen, dass ich immer schon ein großer SHINING-Fan war und total auf Niklas' unglaubliche Vocals stehe. Als wir den Song "Spit" probten, war die Atmosphäre darin so verrückt und dunkel, dass ich die Jungs fragte, ob wir nicht noch einen Schritt weitergehen wollen und Niklas als Teil des Songs holen. Er passte perfekt zu diesem kranken Scheiß. Ich kontaktierte in mithilfe von Gunnar von Season Of Mist, schickte ihm den Song und er hatte sofort zugesagt. Sensationell war, dass er uns vorschlug, uns in unserem Studio in Deutschland persönlich zu besuchen, um die Vocals einzusingen. Als er ankam, entdeckten wir einen großartigen Kerl und Künstler mit einem völlig eigenständigen Verständnis von Musik. Als er loslegte, waren wir begeistert. Mann, das war so irre! Er machte sogar Todesgeräusche eines Gehängten, indem er sich mit seinem eigenen Gürtel würgte. Kohle von den Kohlefeller Studios war begeistert und wohl auch ein bisschen verängstigt, haha. Niklas Kvarforth ist ein Genie in meinen Augen.

Ihr habt euch von eurem Langzeit-Bassisten Eric Lombard getrennt und stattdessen Alexis Lieu in die BENIGHTED-Familie aufgenommen. Was ist da passiert?

Wir sind wirklich alle sehr traurig über Erics Entscheidung, denn er er ist und bleibt auch unser Bruder auf diesem abenteuerlichen Weg, aber er schaffte es zeitlich einfach nicht mehr, Band, Familie und Arbeit unter einen Hut zu bringen. Wenn man die Zeit bedenkt, die alleine schon die Promotion für das neue Album in Anspruch nimmt, hatte Eric auch keine Wahl, also hat er es vorgezogen uns zu sagen, dass es ohne ihn wohl besser wäre. Wir vermissen ihn sehr und wünschen ihm alles Gute für die Zukunft - er ist ein großartiger Kerl! Alexis war in gewisser Weise eine logische Entscheidung, denn er hatte Eric schon bei diversen Live-Gigs ersetzt, wenn dieser keine Zeit hatte. Außerdem spielt er mit Adrien und Kevin in der Grindcore-Band F STANDS FOR FUCK YOU. Wir kennen ihn schon ewig und er ist die perfekte Wahl für diese Aufgabe. Wir sind verdammt ungeduldig und wollen mit unserer neuen Truppe endlich auf die Bühne!

Auf der Deluxe-Limited-Edition finden sich unzählige interessante Cover-Versionen - unter anderem von RAMMSTEIN oder MACHINE HEAD. Nach welchen Kriterien habt ihr die Songs gewählt und wäre es nicht noch interessanter gewesen, alte Pop-Kamellen zu aggressiven Death/Grind-Stampfern zu formen?

Wir haben schon vor längerer Zeit entschieden, eine Bonus-CD einzuzocken, um unseren Fans noch ein spezielles Goodie zu liefern. Wir haben dann intern um Songs gekämpft, die unsere eigenen Wurzeln wiederspiegeln und uns zu dem machten, was wir jetzt sind. Das MACHINE HEAD-Album "Burn My Eyes" ist ein Meilenstein in ihrer Diskografie und mein absoluter Favorit von ihnen. Es bedeutet mir irrsinnig viel. Die Idee hatte Olivier und ich habe gleich zugestimmt. Den ABORTED-Track "Meticulous Invagination" zu machen war für uns alle sofort klar, weil die Jungs schon seit Ewigkeiten wie Brüder für uns sind und wir uns den Songs selbst tausende Male angehört haben. Außerdem ist es ein Geschenk für ihr zehnjähriges Jubiläum des "Goremageddon"-Albums. Bei RAMMSTEIN war das schon eine andere Herausforderung. Es war meine Idee und ich sagte: "Stellt euch einfach vor, der Song würde von BENIGHTED stammen". Der Resultat war für alle sehr überraschend und die Season-Of-Mist-Crew ging total steil, als sie sich den Song durch die Ohren pfefferten. Sie meinten, dass noch nie jemand zuvor RAMMSTEIN auf eine derartige Art und Weise gecovert hätte.

Das Wichtigste zum Schluss. Jetzt seid ihr auf großer Frankreich-Tour - aber wann kommt ihr in unsere Breitengrade?

Richtig, mit unseren Jungs von LOUDBLAST sind wir jetzt in Frankreich unterwegs, danach geht es nach Russland und zu Sommerfestivals wie dem Hellfest oder den Metaldays. Nach Österreich werden wir es mit der nächsten Europatour wohl erst im November schaffen, aber es wird ein großartiges Package - natürlich darf ich die Namen noch nicht verraten, freue mich aber scho irrsinnig darauf. Die österreichischen Fans waren immer ein hervorragender Support und sind bei unseren Shows stets an ihre Grenzen gegangen. Wir lieben es, bei euch zu spielen und freuen uns schon, wenn wir dann gemeinsam unsere neuen Tracks live entdecken. Stay sick my friends!


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