Interview: Edenbridge - Lanvall, Sabine Edelsbacher

Artikel-Bild

„Uns war es von Anfang an bewusst, dass wir’s als Band übers Ausland probieren müssen.“ (Lanvall kennt das Problem mit dem „Prophet im eigenen Lande“ nur zu gut…)

Auch wenn EDENBRIDGE von vielen immer noch vorschnell in die NIGHTWISH-Ecke gedrängt werden – Fakt ist, dass sich die heimische Symphonic-Metal-Institution über die Jahre längst ein unvergleichliches und eigenständiges Klanguniversum erschaffen hat. Mit ihrem neuesten Album „The Bonding“ unterstreicht die Truppe einmal mehr ihre Sonderstellung im Metal-Bereich und liefert schlicht und ergreifend ihr Meisterwerk ab! Maestro Lanvall und Sängerin Sabine Edelsbacher berichten im Interview offen über die schwierige, fast drei Jahre andauernde und von privaten Schicksalsschlägen geprägte Schaffensphase und gewähren spannende Einblicke in die Entstehung eines solchen Orchester-Mammutprojekts.

Text: symX
Veröffentlicht am 17.06.2013

EDENBRIDGE haben mit „The Bonding“ nicht nur ihr Meisterwerk, sondern zugleich ihre bislang emotionalste Scheibe abgeliefert. Kein Zufall, wie Mastermind Lanvall erklärt: „Die Ereignisse, die uns in den letzten Jahren umgeben haben (Selbstmord seines Vaters – Anm. d. Verf.), haben das Album natürlich sehr geprägt. Ich denke, dass das neue Werk textlich und musikalisch so tief geht, wie nie zuvor. Die Tiefe und Ehrlichkeit in unserer Musik ist noch viel mehr spürbar als früher. Und dadurch, dass wir wieder ein echtes Orchester zur Verfügung hatten, kommen diese Gefühle und die Natürlichkeit des Sounds sicher noch viel intensiver zum Ausdruck. Wir haben zudem versucht, so viel wie möglich mit echten Instrumenten zu arbeiten. Man hört somit im Vergleich zu den älteren Alben relativ wenig Keyboard, dafür eben das Orchester und auch viele akustische Gitarren. Das ist ganz was Elementares an der neuen Scheibe.“

„Wir haben auf „The Bonding“ auch neue Stilmittel ausgelotet“, gibt Sabine ergänzend zu Protokoll. „Für mich war insbesondere der Song „Into A Sea Of Souls“ eine außerordentliche Erfahrung, weil ich mit meiner Stimme für einmal mehr in den souligen Bereich eintreten durfte. Es war für mich sehr spannend, einmal diese Stimmqualität von mir auszuprobieren. Auch die bisherigen Reaktionen darauf waren sehr positiv, weshalb ich denke, dass es durchaus zu mir passt, die Stimme mal in einem tieferen, souligen Bereich, einzusetzen. Zudem ist der Song auch sehr mystisch und ich kenne den textlichen Hintergrund. Von dem her war die Produktion insgesamt emotional eine sehr große Herausforderung für mich, weil ich von dem Ganzen auch sehr betroffen war.
„Für mich ist es schwer, einen speziellen Song herauszupicken“, spinnt Lanvall den Faden weiter. „Ich hab’s erst vor kurzem wieder gespürt, wie sehr mich das ganze Album berührt, als wir die Songs im Kreis von Freunden anhörten. Ich hatte nach längerer Zeit, in der ich die Platte nicht mehr angehört hatte, wieder bei jedem Song Gänsehaut pur. Das ist schon was sehr Spezielles. Wobei ich den Titelsong natürlich schon besonders hervorheben möchte, der mit seinen 15 Minuten echt ein riesen Ding geworden ist und so unglaublich viele Facetten beinhaltet.“

Wie Lanvall bereits angesprochen hat, hatte er mit dem Tod seines Vaters einen schweren Schicksalsschlag zu verkraften. Umso bewundernswerter und auch ungewöhnlich ist es, wie offen Lanvall mit diesem Thema umgeht: „Ich bin ganz bewusst mit diesem Schicksalsschlag an die Öffentlichkeit getreten, weil es für mich sehr wichtig war, den Grund zu kommunizieren, weshalb über längere Zeit nichts von uns zu hören war. Zudem war das Album – was die textliche Seite betrifft – richtiggehend eine Therapie für mich, da viele Texte direkt mit dem Tod meines Vaters zu tun haben. Es war auf der einen Seite sehr schmerzvoll und auf der anderen Seite aber auch sehr wichtig für mich, die ganze Trauer textlich zu verarbeiten. Deshalb war es logisch, dass ich damit an die Öffentlichkeit ging. Denn wenn du ehrliche Musik machst, die direkt aus deinem Inneren kommt, dann kannst du diese Themen nicht verschweigen. Die Musik war zwar in wesentlichen Teilen bereits geschrieben als dies passiert ist, aber die Texte sind allesamt nachher entstanden, weshalb es die Album-Thematik insgesamt sehr beeinflusst hat.“

Um wieder mit einem Orchester arbeiten zu können, sind EDENBRIDGE dieses Mal eher ungewöhnliche Wege gegangen: „Anfänglich war es gar nicht geplant, wieder ein Orchester zu engagieren, da es im Vorfeld nicht danach aussah, als ob sich dies finanzieren lassen würde. Aber dann kam ein österreichischer Sponsor auf uns zu, der ein großer Fan von uns ist und meinte, wir sollten doch unbedingt wieder ein echtes Orchester einsetzen, da dies einfach genial klinge. Ich habe ihm aber klar gemacht, dass dies wohl an der Finanzierung scheitern würde. Da hat er sich bereit erklärt, einen Teil der Gesamtkosten zu finanzieren. Damit hat er den Ausschlag gegeben, dass wir uns wieder an ein ganzes Orchester herangewagt haben. In letzter Instanz haben wir dann die Fans hinzugeholt, um die Scheibe zu sponsern. Sie konnten das Album in diesem ganzen Package signiert und mit persönlicher Widmung bekommen. Die Resonanz war wirklich phantastisch! Wir konnten mit den Fans zusammen schlussendlich das ganze Orchesterprojekt finanzieren. Das war einfach wunderbar! Insgesamt waren es gut 100 Fans, die sich am Sponsoring beteiligt haben und es ist eine fünfstellige Summe zusammengekommen. Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich neben den österreichischen auch ganz besonders bei den Schweizer Fans bedanken, die das Ganze zahlreich und sehr finanzkräftig unterstützt haben!“

EDENBRIDGE haben bereits auf „MyEarthDream“ mit einem Orchester zusammengearbeitet. Aber diese Mal war vieles anders, wie Lanvall ausführt: „An sich war es wieder geplant, das ganze Orchester auf einmal aufzunehmen. Doch dann kam der Studiobesitzer drei Wochen vor dem Aufnahmetermin plötzlich zum Schluss, dass sein Studio klangtechnisch nicht ganz dicht sei! Unglaublich aber wahr - haha. Deshalb mussten wir innert kürzester Zeit ein anderes geeignetes Studio in Wien finden. Wir haben dann ein ganz tolles Studio gefunden, welches entsprechend ausgerüstet war, um mit 45 Leuten gleichzeitig aufzunehmen, was aber natürlich nicht für das ganze 53-köpfige Orchester reichte. Das ließ uns somit keine andere Wahl, als die verschiedenen Orchestergruppen – Streichersatz, Holz- und Blechbläser, Perkussion – separat aufzunehmen. Das hat sich schlussendlich aber als glückliche Fügung herausgestellt. Denn wir hatten so viel mehr Möglichkeiten, das Orchester im Mix räumlich zu verteilen. Das war zwar von der Dynamik her nicht ganz einfach. Jedoch gibt es auch dann Dynamik-Probleme, wenn man das gesamte Orchester gleichzeitig aufnimmt. Diese Erfahrung haben wir damals mit einem tschechischen Orchester gemacht. Wenn da bei einer Gesamtaufnahme beispielsweise die Trompeten zu laut sind, dann kann es sein, dass du die Streicher nicht mehr darüber kriegst. Dieses Problem hatten wir dieses Mal natürlich nicht. Aus der Not heraus wurde das Getrenntaufnehmen schlussendlich also ganz sinnvoll.“

Bevor das Orchester die komplexen Werke einspielen konnte, hatte Meister Lanvall natürlich einen riesen Berg an kreativer und kompositorischer Vorarbeit zu leisten: „Ja, das war aufgrund des involvierten Orchesters ein immenser Aufwand.“
„Mir erscheint es in diesem Zusammenhang zudem sehr wichtig zu betonen, dass Lanvall die Orchesterparts selbst schreibt, was im Metalbereich doch eher unüblich ist“, meldet sich Sabine zu Wort. „So lagern die meisten Musiker aus der Metalszene diese Arbeit meistens aus und lassen die Partituren von jemand anderem schreiben.“
„Ja, das stimmt“, bestätigt Lanvall. „Zwar habe ich schon früher mit Midi-Files alles orchestriert, aber die Partituren hab ich damals schreiben lassen, wobei der Typ, der das gemacht hat, de facto nur meine Midi-Files eins zu eins in die Partitur übertragen hat. Aber das Ganze in eine Partitur zu schreiben ist schon noch einmal ein riesen Schritt. Da musst du beispielsweise sämtliche Spielanweisungen und Dynamiken für die einzelnen Instrumentensektionen einsetzen. Und dann muss auch noch berücksichtigt werden, dass gewisse Instrumente wie beispielsweise das Horn anders notiert werden, als dass sie schlussendlich klingen. Da gibt es also viele Dinge, die man bedenken muss, um den Überblick nicht zu verlieren. Ich habe schon noch einen Bekannten von mir, der Dirigent und Komponist ist, darüber schauen lassen, und der hat mir dann noch ein paar Tipps gegeben, die ich mit habe einfließen lassen. Aber die Partitur habe ich schlussendlich selbst geschrieben. Ich hab mir das alles im Selbststudium beigebracht, indem ich oft Partituren – unter anderem von Anton Bruckner (österreichischer Komponist, 1823-1896, Anm. d. Verf.) – analysiert habe.“

Lanvall ist bekannt dafür, in seinen Stücken immer wieder exotische Instrumente einzusetzen: „Dieses Mal habe ich mich ein bisschen zurückgehalten“, erzählt Lanvall lachend. „Aber auf dem letzten Song hab ich ein indonesisches Saiteninstrument benutzt, das ich auf der Promotour zu „Solitaire“ in Indonesien entdeckt habe. Ich war sofort begeistert davon. Man muss sich das in etwa so vorstellen: Das Ding hat 20 Saiten und liegt auf dem Tisch. Man kann darauf eigentlich auch nicht falsch spielen, da es pentatonisch gestimmt ist, haha. Ich habe dann einen Ton in dieser Skala umgestimmt, damit es in den Song gepasst hat. Das Schwierige daran war aber, dass man es mit nur einer Hand und einem Plektrum spielt. Das bedarf schon einiger Umstellung. Das Instrument war unglaublich billig, dafür hat der Versand nach Österreich in etwa dreimal so viel gekostet, wie das Instrument selber, haha.“

Die neue Platte von EDENBRIDGE erinnert einmal mehr an große Filmsoundtracks und Musicals. Da läge es für Lanvall doch nahe, mal selbst etwas für die Leinwand oder die Bühne zu schreiben:
„Also ich bin ein großer Musicalfan. Gerade „Tanz der Vampire“ oder das relativ unbekannte Musical „Dracula“ fand ich musikalisch großartig. Ich selbst könnte mir das auch durchaus vorstellen. Aber es ist schon so, dass man ein Musical nicht einfach ins Blaue hineinschreibt. Da müsste schon ein konkreter Auftrag vorliegen dafür. Ich habe das schon bei anderen Leuten erlebt, die versucht haben, in Österreich ein Musical zu schreiben. Das waren wirklich tolle Sachen, aber die sind schlussendlich fast daran verzweifelt, weil sie kaum Erfolg hatten. Und natürlich interessiere ich mich auch für Filmmusik. Insbesondere der Soundtrack des dritten Teils von „Lord Of The Rings“ fand ich absolut genial – das ist echt die großartigste Filmmusik aller Zeiten! Aber vielmehr beeinflusst mich eigentlich die romantische Klassik, wie eben beispielsweise von Anton Bruckner oder von Antonín Dvořák. Das ist viel mehr in mir drinnen als irgendwelche aktuellen Filmsoundtracks. Zudem sind Soundtracks selbst ja auch überwiegend von der romantischen Klassik inspiriert.“
„Also wenn Lanvall ein Musical machen würde, dann wäre es wohl eher eine Rockoper,“ meldet sich Sabine lachend zu Wort. „Bei den Musicals sind halt auch immer die visuelle Umsetzung und die Emotionen etwas sehr besonderes. Ich könnte mir auch gut vorstellen, mit der Band wieder mal in einem Theater zu spielen, wie wir’s ja schon mal in Moskau und in Vietnam gemacht haben. Das hat immer ein sehr spezielles Ambiente.“

EDENBRIDGE feiern dieses Jahr ihr 15-jähriges Bandjubiläum. Grund genug also, mal auf ein paar bisherige Karriere-Höhepunkte zurückzublicken: „Der erste grosse Moment war für mich sicher die Unterzeichnung unseres ersten Plattenvertrages“, gibt Lanvall zu Protokoll. „Das war schon ganz was Spezielles – und natürlich als die Scheibe dann auch gerade wie eine Bombe eingeschlagen hat. Da wussten wir, jetzt geht’s richtig ab. Das zweite große Highlight war wohl unser Abstecher nach Asien, wo wir unter anderem in Korea gespielt haben und an einem Festival vor 20‘000 Leuten gestanden sind. Das war unglaublich!“

Dagegen ist EDENBRIDGE der ganz große Erfolg in Österreich unverständlicherweise bislang versagt geblieben. Der Prophet gilt im eigenen Lande also immer noch nichts. Lanvall sieht das Ganze aber relativ entspannt: „In Österreich ist das schon etwas speziell. Irgendwie hat man da etwas Mühe, die eigenen Musiker zu schätzen. Gerade im Metalbereich ist es in Skandinavien ganz anders. Da werden die eigenen Bands viel mehr hochgehalten. Aber uns war es von Anfang an bewusst, dass wir’s als Band übers Ausland probieren müssen. Es bringt überhaupt nichts, sich in Österreich als Support-Act zu verdingen. Erst über den Erfolg im Ausland wirst Du dann auch in Österreich wahrgenommen.“

Nach 15 Jahre EDENBRIDGE könnte man meinen, Sabine und Lanvall hätten mal Lust, stilistisch etwas ganz anderes auszuprobieren, was Lanvall aber klar verneint: „EDENBRIDGE sind so offen für alle musikalischen Einflüsse – da kann ich mich echt zur Genüge in jeglichen Stilen austoben, die ich mir wünsche. Bei uns gibt es keine musikalischen Grenzen. Geht nicht gibt’s nicht, haha.“
„Natürlich ist es aufgrund unserer Vielfalt manchmal schwierig, uns irgendwo einzuordnen“, fügt Sabine an. „Denn wenn man in keine Schublade passt, ist die Vermarktung nicht so einfach. Aber mit den Jahren konnten wir unsere Musik als eigenen Stil etablieren. Schlussendlich hat es sich sogar als Vorteil erwiesen, dass man uns nicht schubladisieren konnte. Aber zu Beginn war’s dadurch schon etwas schwierig. Aber wir haben‘s durchgezogen – und es hat sich ausgezahlt.“
„Gerade als Komponist ist es enorm wichtig, immer seinen Weg gehen“, fügt Lanvall ergänzend an. „Man muss von Beginn an darauf achten, sich selbst treu zu bleiben. Genauso wichtig ist es aber, den Weg immer wieder neu zu überdenken und auch neue Einflüsse zulassen, so dass man als Musiker immer interessant bleibt. Ich denke, das hört man auch an unseren Alben – da sind von jeder Scheibe zur nächsten ein Reifeprozess und ein Entwicklungsschritt hörbar. Man muss schlussendlich immer auf den Bauch hören und nicht nach dem Kopf entscheiden. Es gibt viele junge Bands, die sich einfach vorne an den Zug hängen und das machen, was gerade so IN ist, weil es vermeintlich der einfachere Weg ist, als etwas Originäres zu erschaffen. Aber auf lange Zeit hinaus, ist man mit dem eigenen Weg sicher glücklicher und kann sich auch längerfristig im Business halten. Schließlich bleiben immer nur die originellen Bands eines Stils übrig.“


WERBUNG: Hard
ANZEIGE
ANZEIGE