Interview: LA BRASSBANDA - Manuel Winbeck

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Es war auch ein Gewinn, da wir schon eher polarisieren und wir gedacht haben, uns will da niemand hören, so „komische, hässliche Bayern“!

Manuel Winbeck von LA BRASSBANDA erzählt, warum Rocker tolerante Menschen sind und warum eine Blasmusik-Kapelle am Roskilde-Festival spielt.

Veröffentlicht am 06.06.2013

Manuel Winbeck, seines Zeichens „zweiter“ Sänger und Posaunist von LA BRASSBANDA im Interview:

SB: Hallo Manuel. Schön, dass du Zeit für dieses Gespräch gefunden hast. Kannst du kurz was über dich erzählen?

MW: Ich bin der Manu, spiele bei LA BRASSBANDA Posaune und bin weitgehend für die Texte zuständig. Zudem singe ich die zweite Stimme.

SB:Eigentlich dachte ich, LA BRASSBANDA wären aus Bayern. Wikipedia sagt aber, dass ihr aus Übersee kommt. Wie erklärt sich das?

MW: Das kommt daher, weil Übersee zwei Bedeutungen hat. Einerseits ist das eine Ortschaft am Chiemsee, die während den ersten zwei, drei Jahren unsere Heimbasis war. Wir haben da zu dritt in einer WG gewohnt, also der Oli, der Stefan und ich und hatten da auch unser kleines Studio, wo wir Musik gemacht haben. Und Übersee bedeutet für uns auch, dass wir immer hinaus wollten.

SB:Falls es jemanden gibt, der LA BRASSBANDA noch nicht kennt, wie würdest du euch beschreiben?

MW: Wir sind eine Bläsercombo mit starker Bläserpräsenz. Wir spielen internationale Tanzmusik mit bayrischen Texten. Musikalisch vereinen wir Dancehall, Ska, Reggae Techno und Volksmusik.

SB:Ihr habt Konzerte in Simbabwe, Nowosibirsk oder Omsk gespielt. Dahin haben euch das Goethe-Institut oder die Zimbabwe German Society geschickt. Seid ihr eine Art „deutsche Botschafter“ für Blasmusik?

MW: Kann sein, dass das die Leute so sehen. Wir sehen es eigentlich eher umgekehrt. Wir wollen raus, andere Länder und andere Musik kennenlernen und das als Erfahrungen mitnehmen. Das ist eine Bereicherung für jeden. Wir wollen eher bayrischen Bands Mut machen, die Volksmusik auch mal über die Grenzen zu tragen.

SB:Ihr seid eine Blasmusikkapelle und spielt an Events wie dem Hurricane Festival, dem Southside oder dem Roskilde. Wie spielt es sich an Festivals, die auch von RAMMSTEIN oder METALLICA gerockt werden?

MW: Das ist sehr spannend für uns, da wir da vor großen Mengen an Publikum spielen können. Das ist neu für uns, das haben wir mit unseren anderen Bands so nicht erlebt. Des is scho sche.
Die Musik vermischt sich auch immer mehr, die Leute wollen interessante und schöne Musik hören, auch abseits vom klassischen Rocksound.
Umgekehrt ist die Worldmusic-Szene eher puristischer, will eher für sich bleiben. Aber vielleicht dauert das einfach noch etwas und verändert sich langsamer.

SB: Wie hart ist es, wenn man hinter CASCADA auf dem zweiten Rang des Eurovision Song Contest landet?

MW: Des is eigentlich ned hart. Wir sind ohne Erwartungen da hingekommen. Wir wurden eingeladen und durften live spielen, was nach der Satzung eigentlich nicht erlaubt war. So gesehen war das schon ein Gewinn für mehr Livemusik am Fernsehen. Es war auch ein Gewinn, da wir schon eher polarisieren und wir gedacht haben, uns will da niemand hören, so „komische, hässliche Bayern“!

SB: Zu Ska, Reggae und verschiedenen Punkrichtungen gehören Bläser mit dazu. Seid ihr eine typische Ska-Reggea-Punkband?

MW: Nein, der Unterschied ist wohl der, dass „normale“ Ska- und Reggae-Bands ein Gerüst aus Harmonieinstrumenten haben und die Bläser drüber legen. Bei uns sind die Blasinstrumente die Basis, das Fundament.

SB: Deine Mitmusiker und du, ihr habt fast alle am Konservatorium studiert. Was hat euch davor bewahrt, in einem klassischen Orchester zu landen?

MW: Das ist nur teilweise richtig; Stefan, Manu, da Coll und ich haben uns beim Studium kennen gelernt, Andreas unterrichtet an der Uni Mozarteum in Salzburg und Oli war eigentlich Techno-DJ, der damals in Berlin lebte.
Ich glaube, der Betrieb im klassischen Umfeld hat uns davor bewahrt. Das Interesse an klassischer Musik ist schon vorhanden, aber Berufsmusiker mit Stelle sind so stark eingebunden, mit Mittagspause und Dienst nach Vorschrift. Zudem ist es extrem schwierig, hier überhaupt eine Stelle zu kriegen.

SB: Du kommst aus einem Freistaat, von dem noch immer nicht endgültig geklärt ist, ob er zu Deutschland gehört oder umgekehrt. Wie prägt dich deine Heimat, bayrisch bist du?

MW: Ich bin ein heimatverbundener Mensch, ich brauche einen Ort, an dem ich verwurzelt bin, wo ich aufgefangen werde. Aus diesem Grund haben wir Bayern vielleicht auch diese starke Sympathie für die Schweiz. Wir Bayern wirken vielleicht auch so, weil wir unsere Mentalität auch gerne nach außen tragen.

SB: Am 14. Juni erscheint euer neues Album „Europa“. Was dürfen die Fans erwarten?

MW: Das Album ist eine runde Geschichte geworden, ich bin sehr glücklich damit. Wir haben viel ausprobiert, gewisse Experimente teilweise wieder verworfen, neue Elemente integriert. So nutzen wir mehr elektronische Elemente wie Vocoder, andererseits ist es aber wieder eine ganz elementare Geschichte. „Europa“ ist auch ein erdiger, trockener Bläsersound. Der Name des Albums erklärt sich auch, weil es immer Thema und Antriebsfeder war, aus Deutschland raus zu kommen nach Europa. Unser Weg hat uns ja eigentlich über England, Bosnien, Kroatien zurück nach Deutschland geführt. Europa war auch deshalb Fokus, weil die ganze Welt halt zu weit war.

SB:Ab 15. Juni seid ihr fleißig auf Tour durch Deutschland. Ein Konzert spielt ihr in Österreich. Wann können die Schweizer Fans euch live erleben?

MW: Wahrscheinlich erst wieder 2014, dieses Jahr spielen wir fast nur in Deutschland, nur ein Konzert findet in Wien statt. Aber nächstes Jahr werden wir bestimmt in die Schweiz kommen.

SB:Du hast weiter oben die „hässlichen Bayern“ angetönt. Gleichzeitig gibt es ein Foto von euch, das Gerald von Foris gemacht hat, wo ihr in Lederhosen und oben ohne unter einem Wasserfall steht. Gilt auch für LA BRASSBANDA die Philosophie „Sex Sells“?

MW: (lacht) Wenn, dann auf eine ganz pervertierte Weise. Ich glaube, die mediale Hochglanzwelt bringt immer mehr eine Gegenbewegung, die ehrlicher ist. Aber ein Bild mit nacktem Oberkörper und Wasserfall is halt scho sche.


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