Interview: Hammerfall - Joacim Cans

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In Jeans und T-Shirt aufzutreten wäre doch furchtbar langweilig...

Mit "Unbent, Unbowed, Unbroken" beginnt das fünfte Kapitel der HAMMERFALL History. Frontkämpfer Joacim Cans im Gespräch über das neue Album, Nebenprojekte und die Unbequemlichkeit seiner Arbeitsklamotten...

Text: metfrog
Veröffentlicht am 27.02.2005

METFROG: Laß´ uns gleich mit Eurem neuen Album "Chapter V: Unbent, Unbowed, Unbroken" beginnen. Bitte erzähl uns doch ein wenig über die Entstehung der neuen Scheibe...

JOACIM: Nun, ich denke, daß dieses das erwachsenste Album ist, das wir in der bisherigen HAMMERFALL Geschichte gemacht haben. Das Songwriting ist erwachsener, die Musik als solches komplexer als je zuvor. Wir haben viele neue Elemente hinzugefügt, wobei die Grundessenz nachwievor 100% HAMMERFALL ist. Das ist auch das Allerwichtigste. Wenn man die CD hört, gibt es nicht den geringsten Zweifel, daß es sich um ein HAMMERFALL Album handelt. Aber daß wir zum Beispiel einen 12-Minuten Song ("Knights Of The 21st Century", Anm.) auf die CD gepackt haben, ist brandneu. Auch die Struktur des Openers ("Secrets", Anm.) mit dem Cembalo im Mittelteil ist eine vollkommen neue Idee bei uns. Außerdem haben die Vocals gegenüber unserer Vorgängeralben wesentlich mehr Ausdruck.

Wie lange habt Ihr gebraucht, um die CD fertigzustellen?

Das Songwriting nahm etwa sechs Monate in Anspruch. Für die Studioaufnahmen benötigten wir dann zwei weitere Monate. Also alles lief wirklich sehr sauber ab.

Klingt, als wärst Du absolut zufrieden mit dem neuen Album?

Ja, definitiv!

Worin unterscheidet sich Deiner Meinung nach "Chapter V" von bisherigen Veröffentlichungen?

Wie gesagt, alles ist viel gereifter als bisher. Angefangen vom Songwriting, über die wirklich verdammt gute Produktion bis hin zu meinen Vocals. Ich habe versucht, meine Stimme möglichst zu pushen, allerdings ohne sie in Bereiche zu manövrieren, in denen ich Probleme bekomme. Das größte Problem der meisten Bands ist ja: wenn die Stimme zu sehr gepusht wird, dann ist sie irgendwann weg und nichts geht mehr.

Ihr steht ja mitten in der Promotion zum neuen Album, wie ist Dein bisheriger Eindruck der Medienreaktionen auf "Chapter V"?

Bisher war´s sehr positiv, würde ich sagen. Die Meisten begrüßen die Tatsache, daß wir nun heavier und roher als früher klingen. Aber richtige Kritiken habe ich bisher noch keine zu lesen bekommen - erst dann stellt sich heraus, was die Leute wirklich denken. Aber mein bisheriger Eindruck ist sehr, sehr positiv.

Eure erste Single, von der auch ein Video auf Eurer Homepage zum Download bereit steht, heißt "Blood Bound". Warum habt Ihr gerade diesen Song ausgewählt?

Ich denke, daß dieser Song das Album wirklich perfekt repräsentiert. Er hat eine verdammt starke Hookline im Refrain und eine für unsere Verhältnisse ungewöhnliche Gesangslinie in den Strophen. Ich wollte damit etwas kreieren, was nicht so... nennen wir es mal "hammerfallisch" ist, etwas komplett eigenständiges. "Blood Bound" ist sehr heavy, und damit ein perfekter Appetizer auf das Album für alle HAMMERFALL Jünger da draußen. Ich spekuliere auch damit, daß die Hookline im Song stark genug ist, um die einen oder anderen Radiosender dazu zu bringen,   "Blood Bound" zu spielen. Wenn dann unser Video auch noch im TV kommt, freut es mich.

Waren die Arbeiten zum Video aufwändig?

Da war für uns wie ein Spaziergang im Park (lacht). Nein, ehrlich: das meiste entstand ja auf dem Computer. Für uns als Band bedeutete das nur ein paar Stunden Arbeit. Die Grafiker waren sieben Wochen mit den Visual Effects beschäftigt.

Auf Eurer Homepage konnte man lesen, daß das Video durch die beiden Filme "Lord Of The Rings" und "The Day After Tomorrow" inspiriert wurden...

Genau!

...welche Bedeutung haben diese beiden Filme für Dich?

Ich finde diese beiden Filme einfach großartig. Bei "Day After Tomorrow" gefiel mir besonders das Artwork. Ich meine, hast Du alleine schon mal das Filmplakat gesehen? Also, die Inspiration sowohl für das Album- und Single Cover als auch für das Video kam von diesem Plakat. Das ist so verdammt cool! Das Video ist so eine Mischung aus "Lord Of The Rings" mit seinen verschneiten Bergen und "Day After Tomorrow" mit der eingefrorenen Freiheitsstatue.

Kommen wir wieder zurück zu "Chapter V". Gibt es einen Song auf dem Album, der Dir besonders gut gefällt?

Ja, definitiv "Knights Of The 21st Century". Das ist etwas komplett Neues - etwas was wir noch nie zuvor gemacht haben. Und ich denke es ist der beste Song, den wir je geschrieben haben.

Du lieferst Dir ja auf dem Song ein Duell mit Cronos von VENOM. Wie lief die Zusammenarbeit?

Naja, wir haben mit Cronos nicht im engeren Sinn zusammengearbeitet. Genaugenommen hat er seine Parts in einem Studio in England aufgenommen. Als ich die Soundfiles zum ersten mal hörte, war ich ein wenig unsicher, weil seine Stimme sich total von meiner unterscheidet. Ich war nicht sicher, ob das am Ende zusammenpassen würde. Aber ich glaube, es erzeugt eine ganz eigene Atmosphäre im Song. Ich bin wirklich sehr zufrieden mit dem Ergebnis - und vor allen Dingen bin ich ziemlich stolz auf diese Zusammenarbeit.

Wie entstehen Eure Songs eigentlich normalerweise? Setzt ihr Euch im Proberaum zusammen und jamt oder wie läuft das bei Euch?

Es funktioniert eigentlich jedesmal gleich: Oscar erarbeitet die Gitarren Parts, arrangiert das Zusammenspiel mit den Drums und dem Bass und kommt damit zu mir. Entweder arbeite ich dann die Vocal-Lines aus, oder Oscar hat auch schon dafür Ideen, die dann noch überarbeitet werden. Wenn die Melodie steht, werden die Texte ausgearbeitet und dann ist  der Song fertig.

Eine ungewöhnliche Arbeitsweise für eine True Metal Band...

Stimmt, es ist absolut ungewöhnlich. Für uns ist es aber die normalste Sache der Welt.

Wer inspiriert Dich bei Deiner Arbeit?

Als Sänger auf jeden Fall Geoff Tate. Ich bin ein riesiger QUEENSRYCHE Fan. Als Songwriter lasse ich mich von vielen unterschiedlichen Stilen beeinflussen. Du weißt schon, ein guter Song ist ein guter Song. Die Metalera der Achziger Jahre interessiert mich natürlich schon sehr.

Charlie Bauernfeind hat Euch einmal mehr einen beeindruckenden Sound gezimmert. War er wieder erste Wahl?

Auf jeden Fall, ja! Nach seiner großartigen Arbeit bei "Chrimson Thunder" war klar, daß es keine andere Option geben würde. Charlie ist der einzige, der für HAMMERFALL in Frage kommt.

Wenn man sich Eure Tourdates so ansieht, fällt auf, daß HAMMERFALL heuer sehr viele Festivals spielt. Was ist Dir persönlich lieber - Festivals oder einzelne Shows?

Das Schöne bei Festivals ist: da geht jedes Mal eine Riesenparty ab. Man trifft viele andere Bands, mit etwas Glück trifft man sogar seine ganz persönlichen Helden. Jede Band bringt ihre Fans mit, und so hat man die Gelegenheit, vor sehr vielen Leuten zu spielen. Auf der anderen Seite weißt Du bei einer Einzelshow ganz genau: jeder einzelne Besucher da draußen ist nur gekommen, um DICH zu sehen. Das ist ein ganz anderes Gefühl. Ich persönlich bevorzuge kleine Clubshows, aber auf Festivals zu spielen ist schon auch sehr nett.

Wenn man HAMMERFALL hört, stellt man sich Euch oft gerne als Typen vor, die auch privat gerne im Kettenhemd und mit Schwertern herumlaufen würden. Wie lebt der Privatmensch Joacim Cans wirklich?

Wie alle anderen Musiker sind auch wir ganz gewöhnliche Menschen. Ich meine, in so einem Lederzeug schlafen zu gehen wäre ja auch total unbequem - man schwitzt und dann juckt es ständig (lacht). Ich würde sagen, bei uns Metalheads ist das ähnlich wie mit Fußballern, die haben ihr Dress ja auch nicht ständig an. In den Neunzigern war es ja üblich, daß Bands in Jeans und Leibchen gespielt haben, das wäre mir viel zu langweilig. Ich finde man muß dem Publikum auch optisch etwas bieten, was zum Heavy Metal paßt.

Also ist Euer Lederzeug für Euch sowas wie eine Uniform?

Ja, ich meine, es würde auch völlig vertrottelt aussehen, wenn ich im Bühnenoutfit einkaufen gehen würde. Die Leute würden mich anstarren und sich fragen: "Was zur Hölle treibt der bescheuerte Kerl da?". Nicht daß man zuviel darauf geben sollte, was andere Leute denken, aber es wäre auch total unbequem...

Kommen wir nun zu etwas ganz anderem: ich habe gelesen, daß Du vor einiger Zeit im "Musician Institut" in Hollywood, Kalifornien studiert hast. Kannst Du mir ein bißchen was über diese Zeit erzählen?

Richtig, das ist schon eine Weile her - es war 1993. Ich fuhr dort hin, um Gesang zu studieren. Durch einen glücklichen Zufall war mein Zimmergenosse dort Stefan (Elmgren, Anm.). Wir wurden Freunde und unternahmen eine Menge gemeinsam. Die Schule selbst ist sehr, sehr gut. Speziell für Gitarristen, Bassisten und Drummer. Der Gesangsbereich ist ein wenig unterentwickelt. Versteh mich nicht falsch, ich habe dort wirklich eine ganze Menge gelernt, habe so viele verschiedene Stile ausprobiert. Man kann gar nicht anders, ich habe dort Jazz, Blues und Top 40 Nummern gelernt. Durch dieses Ausprobieren der unterschiedlichen Richtungen habe ich eine Menge mitbekommen, was ich heute gut verwenden kann. Bei unserer letzten Amerika Tour war ich wieder an der Schule, doch diesmal nicht als Schüler - ich durfte dort einen Workshop abhalten. Ich erzählte den Schülern vom Tourleben und so, das war sehr cool.

Voriges Jahr hatte Dein neues Soloprojekt CANS Prämiere. Im Nachhinein betrachtet: wie erfolgreich war der Ausflug?

Die Leser eine schwedische Zeitschrift wählten dieses Album zum "Album des Jahres". Das war schon sehr cool! Ich habe übrigens gerade erst mit Noise/Sanctuary einen Vertrag für ein zweites Album unterzeichnet. Ich halte das auch für eine gute Kritik, denn wenn die ein zweites Album von mir wollen, heißt das automatisch, daß das erste Album gut war. Ich kenne leider keine Verkaufszahlen, doch ich denke schon, daß es sich recht gut verkauft hat. Natürlich nich überwältigend, klar, es war ja ein Debütalbum. Als solches muß es natürlich auch erst seine Fans finden. Ich bin froh, daß ich die Gelegenheit habe, ein zweites CANS Album zu machen.

Unvermeidliche Frage, weil´s gerade paßt: wie sieht´s denn mit einem eventuellen WARLORD Release aus? Bis jetzt hast Du das ja kategorisch abgelehnt...

Da gibt´s auch keine Veränderung. Es ist auch einfach so, daß Bill Tsamis schon zu lange weg ist von der Musikszene. Er hat ein Familienleben und arbeitet als Uni Professor. Und ich habe auch nicht wirklich Zeit für ein Comeback. WARLORD war toll und hat mir wirklich viel gebracht, aber ich schließe aus, daß es diese Band jemals wieder geben wird.

OK: CANS lebt, WARLORD ist definitiv gestorben, das neue HAMMERFALL Album ist in Kürze draußen - was werden die nächsten gemeinsamen Pläne sein?

Es ist natürlich noch etwas früh über das sechste Kapitel zu sprechen, aber ich denke die Pause zwischen den beiden Alben wird nicht ganz solange sein, wie zwischen "Crimson Thunder" und "Chapter V". Ich rechne mal mit Herbst 2006.

Abschließend noch ein paar Schlagworte und Deine Meinung dazu: Beginnen wir mit Manowar...

The Gods Of Metal!

True Metal...

Eine seltsame Bezeichnung von jemandem, den ich gerne mal treffen würde.

File Sharing, speziell im Musikbereich...

Diebstahl!

Nu Metal...

(angewidert) Nu Grunch...

Schlußfrage: was war der beste Rat, den man Dir je gegeben hat?

Kümmere Dich nicht darum, was andere denken sondern zieh lieber Dein eigenes Ding durch.


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