Interview: Evocation - Marko Palmén

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Die zwölfjährige Pause war doch etwas lang. Wir hätten die Reunion wohl früher über die Bühne bringen können...

EVOCATION-Klampfer Marko Palmén stand der Strombringer-Redaktion wieder einmal Rede und Antwort. Neben der brandneuen und doch alten Demo-Compilation ging es um das neue Album, verhinderte Gastsänger und promovierte Psychologen.

Veröffentlicht am 19.06.2012

Hey Marko, "Evoked From Demonic Depths" heißt die feine Zusammenstellung, mit der ihr noch einmal tief in die Vergangenheit blicken lässt. Wann seid ihr auf die Idee gekommen, das alte Demomaterial wieder auf den Markt zu bringen und wieso habt ihr eigentlich den Labelwechsel von Cyclone Empire zu Century Media vollzogen?

Cyclone Empire und all die Mitarbeiter, die dahinter stecken haben über die letzten Jahre wirklich einen fantastischen Job gemacht, wenn es ums Promoten von EVOCATION ging. Über die Jahre haben wir auf Tour und bei Festivalauftritten auch die Leute von Century Media kennengelernt. Nicht nur das Label selbst, sondern vor allem die Menschen dahinter haben uns sehr begeistert. Gerade für Death Metal sind sie ja perfekt, weil sie in diesem Bereich ihre Wurzeln haben. Im Endeffekt war der Wechsel unserer Ansicht nach der nächste logische Schritt, um uns weiterzuentwickeln und den nächsthöheren Level zu erreichen.

Ich glaube, die erste Idee dazu hatten wir schon so rund um 2004, als wir mit unserer selbstbetitelten Compilation via Breath Night/Merciless Records quasi wieder begannen, zusammen zu musizieren. Direkt nach der Veröffentlichung dieser Compilation haben wir viel Feedback bekommen und die Leute waren der Ansicht, wir hätten weit mehr unseres alten Demomaterials ausgraben und zugänglich machen sollen. Die Idee haben wir dann immer so dahingeschleppt und der Zeitpunkt, das Teil als Einstand via Century Media herauszubringen ist perfekt. Außerdem ist das Jahr 2012 insofern passend, da es das 20-jährige Jubiläum für unsere beiden alten Demos "The Ancient Gate" und "Promo 1992" darstellt.

Neben den beiden Demos können wir auch ein paar Songs direkt aus euren alten Proberaumtagen bestaunen. Wenn du so an die guten alten Zeit zurückdenkst, was hat sich denn zu heute so alles verändert?

Der größte Unterschied zu damals ist sicher, dass wir als Songschreiber über die Jahre ungemein gereift sind. Alle Songs von heute sind wesentlich besser durchdacht und strukturiert als damals. Aber versteh mich da nicht falsch! Ich liebe unsere alten Früh-90er-Jahre-Songs, da sie eine Art jugendliche Aggression und viele überraschende Elemente darstellen, die man bei Bands meist nur am Karrierebeginn oder am Debütalbum erkennen kann. Die Tracks sind auch sehr wichtig für die Karriere und Evolution von EVOCATION. Es ist auch schön zu sehen, dass wir die Schlüsselelemente von damals in das 21. Jahrhundert getragen haben - die Melodien, der Groove und die generelle Tatsache, dass wir eine Band sind, und auch weiterhin sein werden, die ihre Wurzeln ganz tief in der 90er-Jahre Schweden Death Metal Szene verhaftet hat.

Mit "Genesis" befindet sich ja sogar ein bislang unveröffentlichter Song auf der Compilation. Wann habt ihr den Song damals aufgenommen und habt ihr noch mehr Schätze in euren Höhlen versteckt, die ihr hoffentlich mal auf die Menschheit loslassen werdet?

Aus diversen Gründen wurde "Genesis" eigentlich nie so richtig aufgenommen in den 90er-Jahren. Das einzige Überbleibsel des Songs war ein 30-Sekunden-Live-Clip von einem Konzert in Göteborg, wo wir damals mit DISMEMBER, DARK TRANQUILLITY, CEREMONIAL OATH, CAEDES und EXEMPT aufgetreten sind. Sonst war von diesem Song nichts mehr übrig und wir hätten ihn wohl völlig vergessen, hätte es 2009 bei eurem österreichischen Kaltenbach Open Air eine schicksalshafte Begegnung mit DARK TRANQUILLITY gegeben, die am selben Tag wie wir spielten. Backstage habe ich dann mit deren Sänger Mikael Stanne gequatscht und er hat mir plötzlich gesagt, dass er von zuvor genannter Show noch Livematerial übrig hat und uns senden könnte. Eine Weile später hat er uns die Show übermittelt und zu unserer aller Überraschung war doch tatsächlich dieser "Genesis"-Teil darauf zu sehen. Es war, als ob man einen Geist aus der Vergangenheit treffen würde... Wir haben dann recht schnell beschlossen, diese vergessene Perle endgültig wieder auszugraben und neu zu arrangieren. Die ganze Band möchte auf diesem Weg nochmal Mikael danken - ohne ihn wäre der Song wohl für immer verloren gewesen.

Allerdings ist das auch gleichzeitig der einzig verschollene Song aus alten EVOCATION-Tagen, mit weiteren unveröffentlichten Tracks können wir in Zukunft also leider nicht dienen. Bis auf gewisse Live-Video-Aufnahmen findet ihr auf "Evoked From Demonic Depths" aber alles, was wir in den frühen 90er-Jahren so verbrochen haben. Das Livematerial hat leider eine derart schlechte Qualität, dass wir es wohl nicht mehr veröffentlichen werden. Das werden wohl für immer versteckte Edelsteine in der geheimen EVOCATION-Gruft bleiben... Die drei Songs, die ihr als Video ansehen könnt, sind die besten Aufnahmen, die aus den alten Tagen übrig geblieben sind. Wir sind sehr glücklich, dass wir sie noch als Extra-Bonus für die CD verwenden konnten.

Im Herbst 1993 war ja Schicht im Schacht mit EVOCATION. Warum habt ihr die Band damals aufgelöst und vor allem - warum habt ihr ein gutes Jahrzehnt später doch wieder angefangen?

Der Grund für die nicht näher definierte Auszeit waren musikalische Differenzen. Jeder wollte EVOCATION irgendwie in seine eigene Richtung lenken. Der eine wollte schnellere Songs, der andere langsamere etc. Im Endeffekt war das natürlich kein gesunder Prozess für die gesamte Band. Dadurch haben wir uns entschlossen, die Band eben auf Eis zu legen. Es erschien uns klüger, das so handzuhaben, als etwas weiterzuführen, dass nicht mehr nach EVOCATION klingt.

Die Lust, wieder ordentlich Musik zu machen kam wohl als wir 2004 oben erwähnte Compilation veröffentlichten. Wir haben aus den Reaktionen erkannt, welchen Eindruck wir damals in der schwedischen Death Metal Szene hinterlassen haben. Hauptsächlich deswegen, weil unsere Demos zu Kultobjekten in der Tape-Trading-Szene wurden. Wir hatten ja keinen Hinweis, dass die Teile so verehrt wurden... Ich glaube das war der entscheidende Punkt wo wir dann gesagt haben, dass wir die Death Metal Maschine noch einmal anwerfen.

Als ihr euch aufgelöst habt, sind eure Landsleute wie etwa DISMEMBER oder ENTOMBED erst so richtig durchgestartet. War es rückblickend der absolut falsche Zeitpunkt, um das Projekt zu Grabe zu tragen? Bereut ihr diese Entscheidung im Rückspiegel betrachtet?

Für uns war das damals die absolut richtige Entscheidung. Es hat keinen Sinn, wenn die Chemie nicht stimmt, da ist es auf jeden Fall besser, den Schlussstrich zu ziehen. Das einzige, dass ich rückwirkend bereue ist die Tatsache, dass eine zwölfjährige Pause wohl doch etwas zu lang war. Wir hätten die Reunion wohl auch früher über die Bühne bringen können...

In unserem letzten Interview hast du den typischen EVOCATION-Sound als "roh und brutal" beschrieben. Wenn du dir jetzt nochmal die alten Demotapes vor Augen führst, würdest du was ändern? Bist du mit gewissen Riffs oder Hooks nicht zufrieden?

Wenn ich an unser erstes Demo "The Ancient Gate" zurückdenke, würde ich absolut gar nichts daran verändern. Ich liebe die Songs wirklich so, wie sie sind! Das ist sowas wie eine Präsenz unserer damals jugendlichen Brutalität, was ich großartig finde. Auf der "Promo 1992" gäbe schon hier und da Dinge, die ich nach Möglichkeit ändern würde. Manche Riffs klingen etwas deplatziert, andere würde ich wohl ganz streichen. Zudem ist die Produktion wirklich ziemlich schlecht gewesen. Sollten wir mal auf die Idee kommen, die Tracks unseres zweiten Demos neu aufzunehmen, werden wir auf jeden Fall so einiges daran herumbasteln.

Was habt ihr denn alle so getrieben, als EVOCATION von der Metal-Landkarte verschwand?

Wir waren alle mit alltäglichen Dingen wie Arbeit, Familie oder Studium beschäftigt. Ich persönlich habe an der Universität in Göteborg fünf Jahre lang Psychologie studiert, davon ein Jahr Praxisarbeit im Gefängnis gemacht und bin nun promovierter Psychologe. Einige von uns waren natürlich in diversen musikalischen Projekten involviert. Eigentlich sind die alle nicht der Rede wert. Da ging's eher darum etwas zu tun, anstatt nichts zu tun zu haben. EVOCATION war, ist und wird immer das absolute Hauptprojekt für uns sein.

Nebenbei seid ihr ja schon fleißig am Werkeln für euer viertes Langeisen. Was können sich die EVOCATION-Fans denn vom nahenden Werk erwarten?

Zum neuen Album - es gibt so viele Dinge, die ich jetzt lang und breit erklären könnte, aber wir behalten uns die Details für später auf, da sonst ja der Überraschungsmoment verloren geht. Wir haben sehr eng mit Produzent Roberto Laghi (THE HAUNTED, IN FLAMES, HARDCORE SUPERSTAR etc.) in den IF- und Evocation-Studios gearbeitet. Es hat einfach irrsinnig gut getan, wieder mit einem professionellen Produzenten zusammenzuarbeiten. Das letzte Mal taten wir das für unser Debütdemo "The Ancient Gate" 1992 mit Thomas Skogsberg in seinen Sunlight-Studios. Roberto hat es wirklich geschafft, die Qualität unserer Songs und des Sounds auf einen neuen Level zu bringen. Zurzeit sind wir gerade dabei, die Produktion für das neue Album zu finalisieren. Als ich mir unlängst in den IF-Studios die Tracks angehört habe, habe ich mir fast das Kiefer ausgerenkt, weil die Songs so knallen... Das Album wird im Herbst über Century Media veröffentlicht werden. Ich denke wir stoppen das Thema jetzt, um nicht alles vorab zu verraten...

Was aber schon bekannt ist - ihr habt AMON AMARTH-Sänger Johan Hegg gastbrüllen lassen. Wie seid ihr denn zum Oberwikinger gekommen und kannst du vielleicht nicht doch verraten, ob noch weitere Gäste zu hören sein werden?

Mit den AMON AMARTH-Jungs haben wir uns während der 2011er Europa-Tour wirklich gut angefreundet. Es fühlte sich also ganz normal an, Johan für einen Gastbeitrag einzuladen. Wir haben auch einige weitere Freunde für den Aufnahmeprozess eingeladen, da Terminpläne aber meist streng und voll sind, mussten wir die Idee leider begraben. Also wird Johan der einzige Gast auf unserem neuen Album sein - dafür aber ein wirklich großartiger... Wie immer wenn Johan irgendwo in der Nähe ist, wunderst du dich, warum von draußen plötzlich Donnergrollen über dich hereinbricht bis du draufkommst, dass es dann doch seine ungemein mächtige Stimme ist, hahaha. Danke für deinen tollen Beitrag, Johan!

Die Arbeit mit Johan war verdammt angenehm. Wir haben ihm den Track und die Lyrics dazu via Internet gesendet, sodass er sich damit vertraut machen konnte. Wenige Wochen später war er geschäftlich in Göteborg zugegen und die Evocation-Studios sind da nicht mehr weit entfernt. Da sprang er natürlich kurz zur Tür herein und hat uns den Song eingegrunzt. Er ist ein absoluter Vollprofi, denn der Aufnahmeprozess war schnell beendet. Nach etwa eineinhalb Stunden hatten wir alles im Kasten.

Marko, dann danke ich dir nochmal für die Zeit und wünsche dir alles Gute für die Finalisierung des neuen Albums.

Ich danke dir und der Stormbringer-Crew. Ich hoffe wir alle sehen uns mal auf Konzerten und Festivals, wenn das gute Teil im Herbst in den Läden steht. Zwischenzeitlich genießt einfach "Evoked From Demonic Depths - The Early Years"!


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