NIGHTWISH - das "Human. :||: Nature." Gangbang-Review

Eine kleine Geschichte des Folks in der Musik von NIGHTWISH

Die Verbindung von NIGHTWISH zum Folk war eigentlich schon vorhanden, bevor die zum Metal geknüpft wurde. Tuomas Holopainen wollte 1996 eine Band gründen, die „atmosphärische Lagerfeuermusik“ machen sollte. So bestanden die ersten Songs des heute weltbekannten Musikprojekts zunächst nur aus Gesang, Keyboard und akustischer Gitarre. Erst mit Jukka Nevalainen erhielt das Schlagzeug Einzug und bald nahm man eine E-Gitarre zur Hand. Aber der Folk wurde nie ganz aufgegeben.

Auf dem Debütalbum „Angels Fall First“ (1997) enthält „Lappi“ finnische Folk-Melodien und auf „Oceanborn“ (1998) gibt es den folkigen Song „Moondance“. 2001 erschien der Coversong „Over The Hills And Far Away“ und auf der Platte „Once“ (2004) finden sich Songs mit indianischen und arabischen Folk-Einflüssen: „Creek Mary's Blood“ und „The Siren“. Das Album „Dark Passion Play“ (2007) mit Anette Olzon besitzt keltische Bezüge bei „Last Of The Wilds“ und die überaus gelungene Folk-Überraschung „The Islander“.

„Imaginaerum“ (2011) besitzt gleich mehrere Titel, die dem Folk nahe sind wie „Taikatalvi“, „I Want My Tears Back“, „Turn Loose The Mermaids“ und „The Crow, The Owl, and The Dove“. Auch auf der letzten LP „Endless Forms Most Beautiful“ (2015) finden sich zum Beispiel mit „Élan“ und „My Walden“ Titel mit Folk-Einflüssen.

Darüber hinaus hat Holopainen 2007 für den Film „Lieska!“ die folkige Ballade „While Your Lips Are Still Red“ geschrieben, in seinem Soloalbum „The Life And Times Of Scrooge“ (2014) Folk verarbeitet und 2018 – mit seiner Frau Johanna Kurkela und Troy Donockley – unter dem Bandnamen AURI das starke Album „Auri“ herausgebracht, das sogar hauptsächlich dem Genre Progresive Folk zugerechnet werden kann.

Der Folk auf „Human. :||: Nature.“

Und auch auf „Human. :||: Nature.“ darf der Folk natürlich nicht fehlen. So hat Troy Donockley – seit 2013 bei NIGHTWISH – wieder seine Pfeifen und Flöten einfließen lassen. Ein besonders einprägsames Erlebnis ist dabei das sehr melodiöse „How's The Heart“. Aber auch der zweistimmige Gesangsstil in Passagen von „Shoemaker“ dringt tief ins Folk-Gefühl ein.

„Procession“ überzeugt durch Flötenmelodien, „Tribal“ benutzt indianisch anmutende Gesänge und Trommelei, aber Folk-Höhepunkt der Platte ist selbstverständlich „Harvest“, in dem der Metal streckenweise weit zurücksteht und mutmaßlich Troy Donockley das Ruder fast vollständig übernommen hat. Meinetwegen dürfte das regelmäßig oder in einem Neben-Projekt der Musiker dauerhaft passieren – siehe AURI.

Während es der Metal nicht auf die zweite CD des Albums geschafft hat, das von klassischer Komposition beherrscht wird, sind durchaus Instrumente und auch Genreelemente des Folk eingestreut und bilden zum Beispiel in „Moors“ einen wundervollen Kontrast zu den den tiefen Bläsern des Orchesters.

Einige schnelle Gedanken über „Human. :||: Nature.“ jenseits des Folks

„Musik“ könnte ein gelungener Beitrag zum Eurovision Song Contest sein.
„Noise“, „Pan“ und „Endlessness“ treffen den Kern dessen, was NIGHTWISH seit Jahrzehnten sind und werden wohl die meisten langjährigen Fans überzeugen können.
„Shoemaker“ und „Pan“ bedeuten wohlige Gänsehaut für die Fans der opernhaften Aspekte der Band.
Mein persönlicher Lieblingssong ist die durchdrigend-bewegende Tränen-Provokation namens „Harvest“.
Floor Jansens Höhen in „How's The Heart“ sind eine der größten Schwächen von „Human. :||: Nature.“
„Prozession“ bleibt etwas fade.
„Tribal“ ist gewöhnungsbedürftig bis provokant: „Who Let The Dogs Out“?
CD 2 „All The Works Of Nature Which Adorn The World“ ist umwerfend schön, aber ganz und gar kein Metal. Dieser Mut darf hier aber nur belohnt werden! Sehr stark!

Fazit: Je un-metalliger, desto besser!

Floors Stimme kann mich in den Höhen manchmal nicht überzeugen und weckt – obwohl durchaus stark – meist einfach mein Interesse nicht besonders. Dafür besitzt „Human. :||: Nature.“ bezaubernde Folk-Melodien und ausgezeichnete symphonische Passagen. Je mehr diese sich mit Metal mischen, desto belangloser erscheint es. Die Balance zwischen Metal, Klassik und Folk wurde sehr unterschiedlich gut getroffen und gewinnt meistens eher hinzu, wenn ein Aspekt direkt in den Fokus gesetzt wird. „Harvest“ ist ein beeindruckender Folk-Song, „Shoemaker“ und „Pan“ können in den opernhaften Passagen absolut überzeugen. Auf der zweiten CD weiß ein Orchester den Zuhörer zutiefst zu berühren. Der Metal gewinnt Überhand in Passagen von „Noise“ und „Pan“ und bewegt dann auch. Nur bei allzu großer Vermengung der Genres scheint mir die emotionale Akzentuierung zu fehlen und eine fast poppige Oberflächlichkeit zurückzubleiben. Ich finde Begeisterung – glatt Liebe – für einzelne Songs und musikalische Momente, aber nicht wirklich für das Gesamtwerk „Human. :||: Nature.“ – was vielleicht aber auch zu viel verlangt wäre für ein so ambitioniertes und vielseitiges Doppelalbum.

4 / 5 – Jazz Styx

 


Inhaltsverzeichnis:

Seite 1: Einleitung
Seite 2: manfred
Seite 3: Lord Seriousface
Seite 4: Schäff Koch
Seite 5: Jazz Styx
Seite 6: Lisi Ruetz
Seite 7: Anthalerero
Seite 8: Marc F. Folivora
Seite 9: Sonata
Seite 10: Fazit


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