TESTAMENT - das 'Titans Of Creation'-Gangbang - Review

Zugegebenermaßen bin ich ein Spätstarter, was TESTAMENT angeht. Als ehemaliger Verweigerer, den Thrash-Titanen (man möge sich den Bezug zum Album-Titel nun hinzudenken) Gehör zu schenken, weil das damals ja alle anderen auch taten, musste ich mich dann später als Strafe rückwärts durch die Diskografie arbeiten, bis ich irgendwann wieder in die richtige Richtung hören konnte und vom letzten Scheibchen "Brotherhood Of The Snake" hellauf begeistert war. Man muss hier nicht extra erwähnen, dass die Spannung auf "Titans Of Creation" zum Zerreißen war, auch wenn ich die leise Befürchtung hegte, dass wahrscheinlich nichts über die Verschwörungstheorien des Vorgängers kommen würde. Nun, dann sezieren wir mal ein bisschen genauer. 

Vorneweg: Begeistert bin ich nach wie vor schon allein von der schieren Tatsache, dass es TESTAMENT immer und immer und immer wieder schaffen, ihren Stil mit allen nur erdenklichen Erkennungsmerkmalen hundertpro zu halten, aber gleichzeitig dann doch niemals nach Selbstkopie und Wiederholungstäter zu klingen. Tatsache ist auch, dass ich immer wieder anerkennend erwähnen muss, wie großartig jeder einzelne Musiker der Fünflinge ins Gefüge passt, sich ergänzt, zusammenspielt. Und das nicht nur mit Standard-Techniken, sondern mit einer Qualität und einem spielerischen Niveau, das nicht zu verkennen ist. Dieses allgemeine Gütesiegel klebt natürlich auch auf "Titans Of Creation" und man wird es ohne Klebereste ohnehin nicht mehr los. 

Was mir zudem und über so ziemlich alle Songs hinweg aufgefallen ist: Alex Skolnick hat wieder richtig Bock, oder? Gefühlt befüllt er mehr Songs mit Gitarren-Solo-Granaten, als dass es mir auf früheren Scheiben aufgefallen wäre. Zumindest definitiv Soli, die herausstechenderweise regelrecht Begeisterungsstürme auslösen. Abgesehen von der restlichen high-level-Spielart aller musste dies nur noch einmal erwähnt werden. Aber wie sieht es nun inhaltlich aus?

Gestartet wird die musikalische Fleischbeschau also mit dem schon als Auskoppelung bekannten "Children Of The Next Level", das ganz TESTAMENT-like ordentlich aufs Thrash-Gas drückt und vor allem die Rhythmus-Sektion zu begeistern versteht. Nebenbei passiert hier auf über sechs Minuten ja quasi schon progressive Überlänge und gefühlt werden hier auch ebenso viele Parts eingeschoben, ohne dabei den befürchteten Kaugummi-Effekt auszulösen. Gewagt, die Herren, gewagt. Aber wer kann, der kann! "WW III" legt dann noch einmal an Tempo zu, hämmert sich richtiggehend durch die Gehörgänge und alles, was dazwischen liegt. Was an Speed dabei gewonnen wird, verliert sich ein wenig an der Eingängigkeit. Wobei klar sein sollte, dass hier auf sehr hohem Niveau gejammert wird, denn als brachialer Thrash-Song funktioniert das Brett allemal. Fast schon gechillter kommt dann "Dream Deceiver" an, hat wieder große Gitarrenparts mit im Gepäck und beinahe Mitfeier-Ohrwurm-Charakter. Über "Night Of The Witch" muss nicht mehr groß diskutiert werden, hämmert der Song prinzipiell alles nieder, was nicht freiwillig umfällt. Auf dem ersten Blick leidet "City Of Angels" beinahe an Altersschwäche, aber dann...Skolnick. Wo dem Anfang etwas an Antriebskraft zu fehlen scheint, läuft der Aufbau - vor allem an der Klampfe - a la Rakete. "Ishtars Gate" besticht dann zwar mit coolem Intro und dem kompletten Set der spielerischen Bandbreite von TESTAMENT, doch entwickelt sich vor allem hier der erste Hauch von Langatmigkeit. (In diese Kerbe schlägt dann auch später "False Prophet" und in Teilen "The Healers"). 

Mein persönliches Highlight schlägt dann mit "Symptoms" ein. Es ist wieder mal Alex Skolnick, aber vor allem dieses eine Riff, dass sich durch den kompletten Song zieht. So banal dies klingen mag, ich hab mich verliebt. Zudem der stampfende Rhythmus und die noch einmal eine Ecke räudigeren Vocals. Läuft. Nach wenigen, schon erwähnten etwas unspektakuläreren Tracks haut dann "Code Of Hammurabi" noch einmal richtig auf die Kante und beginnt dann schon einmal den Kreis mit dem sehr starken Anfang der Scheibe zu schließen, denn darauf folgt quasi nur noch eine extreme Speed-Granate mit "Curse Of Osiris", das ähnlich wie "WW III" gnadenlos durchgehämmert wird. Das Outro schließlich sorgte anfänglich sogar für Verwirrung, denn die instrumentale "Stimmungsnummer" klingt eher, als hätte sie sich in der Hausnummer geirrt und sich besser direkt am Anfang der Riege einreihen müssen. Doch auch wenn sich "Catacombs" selbst als Outro bestätigt, wird es wohl unweigerlich bei folgenden Live-Shows als wunderhübsches Eingangsgeplänkel den fröhlichen Thrash-Reigen eröffnen. 

Fazit: Erneut groß und hochwertig, TESTAMENT hat sich einen weiteren Thrash-Hammer in die Laufbahn zementiert, auch wenn vor allem im letzten Teil der Scheibe die ein oder andere Länge auftritt. Was bei zwölf unbestritten hochwertigen Krachern durchaus mal vorkommen kann. Verglichen mit zum Beispiel dem Vorgänger "Brotherhood Of The Snake" finden sich nun aber doch weniger "merkbare" Songs wieder, dafür wieder eine unglaubliche Stimmigkeit und Spielfreude im High-End-Bereich. Alles in allem zusammengerechnet gibts dafür dann (fast schon schweren Herzens, denn ich hätte gern höher bewertet) 4 Punkte. 

PS: Alex Slonick rules!!

4,0/5,0 - Lisi Ruetz

 


Inhaltsverzeichnis:

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Seite 7: Pascal Staub
Seite 8: Fazit


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