BURNING WITCHES - das 'Bang With The Devil' Gangdance-Review

Modeerscheinungen, Trends und Hypes wirken auf mich in der Regel so attraktiv wie ein Besuch beim Finanzamt, Kim Kardashian im Dschungelcamp oder eine Facebook-Challenge namens „Spaß mit Feuerameisen“. Und weil ich Massenphänomene aller Art zumeist geflissentlich ignoriere und mich darüber hinaus nicht zu den Schnellzündern meiner Gattung zähle, flogen auch die BURNING WITCHES lange Zeit an meinem Radar vorbei. Mein beiläufiges, vorsichtiges und von musikalischen Perversitäten überlagertes Beäugeln der aufsteigenden Damen hielt an, bis ich aus irgendeinem Grund auf die glorreiche Idee kam, ihrem dritten Langspieler „Dance With The Devil“ einen Auftritt in unserer beliebten Gangbang-Kategorie zu spendieren, woraufhin nach einigen Durchläufen etwas Wundersames geschah.

Neue Stimme mit starkem Charakter

Dass die vorliegenden Zeilen die bereits dritte oder vierte Inkarnation meiner diesbezüglichen Gedanken darstellen sollten, soll nur am Rande erwähnt sein. Was weitaus verwunderlicher erscheint, ist, dass meine sonst ziemlich hartnäckigen Vorbehalte nach flüchtigem Studium spurlos verflogen waren und „Dance With The Devil“ das erste Album seit Langem werden sollte, dass über Wochen beständig auf meinem virtuellen Plattenteller rotieren und unzählige Durchläufe überdauern sollte.

Und je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr finde ich einen gewichtigen Grund für diese sonderbare Gemütsregung in der auffälligsten Neuerung im Schweizer Hexenzirkel: der neuen Sängerin Laura Guldemond. Dabei muss ich vorab eingestehen, dass das zuweilen schrille Gekeife der Niederländerin mir anfangs Irritation und Stirnrunzeln bescherte – ein erster Eindruck, dem schlussendlich Begeisterung folgen sollte. Wie ihre Vorgängerin Seraina Telli verfügt sie über eine sehr charaktervolle Stimme, die mir aber im Gegenzug keine unbehaglichen Erinnerungen weckt [hust...man beachte die Rezension von Ernst Lustig] und überdies sehr facettenreich eingesetzt wird. Die neue Alphahexe klingt kratziger, sinistrer und auch ein stückweit ausgeflippter. Sie singt, kreischt, faucht und grunzt, dass es eine wahre Pracht ist und für einen Klecks Wahnsinn spricht – ein gesanglicher Tanz mit dem Teufel sozusagen. Dass nicht immer jeder Ton perfekt sitzt, bereitete mir anfangs und besonders bei „Lucid Nightmare“ so meine Probleme. Aber diese glühende, glaubwürdige Leidenschaft und die irren Screams in „Six Feet Underground“ oder „The Sisters Of Fate“ lassen darüber leicht hinwegsehen.

Härte, Melodie und Emotionalität

Daneben begeistert die Musik mit einer Reihe starker Songs, bei denen die bekannte, offenkundige Heldenverehrung nicht zu kurz kommt - man beachte „The Final Fight“ oder das großartige „The Sisters Of Fate“ (hier winkt der PRIESTer). Darüber hinaus dominieren thrashige Rhythmen, die in Abrissbirnen wie „Wings Of Steel“ oder „Sea Of Lies“ dargeboten zünftig das Gesäß peitschen. Während „Necronomicon“ stampfend in den Midtempo-Keller absteigt und bedrohliche Töne spricht, verkleistert der heitere, rockig-melodische Titelsong in ohrwurmigster Manier das Gehör. Die standesgemäße Ballade „Black Magic“ ist für mich die emotionalste und ergreifendste der bisherigen WITCHES-Alben. Allenfalls der Opener „Lucid Nightmare“ und das eher träge „Threefold Return“ nutzen sich verhältnismäßig schnell ab – dazwischen gibt es ohne Pause abwechslungsreichen Heavy-Metal-Spaß vom Feinsten. Und zu guter Letzt verabschieden sich die Hexen mit einer Coverversion von MANOWARs „Battle Hymn“, in der sich sogar Ur-Klampfer Ross „The Boss“ Friedman die Ehre gibt. Die Vorstellung eines schnaubenden, zum tobsuchtsanfälligen Moschusochsen mutierten Joey DeMaio mit einem Blutdruck von 200 bar drängen sich förmlich auf – zumal sein ehemaliger Waffenbruder Ross ironischerweise die Frechheit besitzt, sich gemeinsam mit den MANOWITCHES an einem der maskulinsten Songs dieser Erde zu vergehen. Besser geht’s nicht!

Wie ein Arschtritt mit dem spitzen Stiefel

Was ist von diesem dritten Tanz im Hexenkessel zu halten? „Dance With The Devil“ ist nicht perfekt - es hat Ecken und Kanten, opfert ein Quäntchen Akkuratesse zugunsten schwermetallischer Passion und hat die wundersame Eigenschaft, über Wochen zu fesseln und zu beschäftigen. Dafür rücke ich nur allzu gerne von meiner anfänglichen Skepsis ab und bekenne mich als bekehrt. Und weil der Spaß nach bisher mindestens 50 Durchgängen nicht ablässt, werfe ich über die verdienten vier Hexenbesen1) hinaus noch zwei Handfeger ins Walpurgisfeuer2) und lasse mich für verrückt erklären – sollte eigentlich keinen mehr wundern!


1) Nüchtern-rationale Wertung.
2) Subjektive Wertung unter Einlösung der Vielfliegermeilen, die sich der alte Meister Kartoffelbrei und seine vier Konsorten redlich verdient haben und trotzdem nach wie vor erstklassig fegen.

4,5 / 5,0 - Lord Seriousface


Inhaltsverzeichnis:

Seite 1: Einleitung
Seite 2: Anthalerero
Seite 3: Christian Wiederwald
Seite 4: Ernst Lustig
Seite 5: Hans Unteregger
Seite 6: Lord Seriousface
Seite 7: Marc F. Folivora
Seite 8: Walter Thanner
Seite 9: Fazit


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