DIMMU BORGIR - das 'Eonian' Gangbang-Review

Waren das noch Zeiten, als meinereins jeden Freitag voller Vorfreude in den Plattenladen getappst ist, um sich die neuesten Special Editions der größten Releases unter den Nagel zu reißen und diese dann voll aufgedreht auf der Fahrt ins Wochenende abzufeiern. Ich erinnere mich noch genau, wo und wann ich mir 2010 die Fan Box von "Abrahadabra" für circa 40 Euro habe aufschwatzen lassen – nur um unterwegs beim Auspacken beinahe in die Leitplanke zu knallen, weil ich vor lauter Spökes die CD nicht gefunden habe. Es ging gut aus, und belohnt wurde ich mit einem Meisterwerk des symphonischem Düsterschwarzmetalls, welches mir noch heute mit Krachern der Marke "Born Treacherous", "Gateways", "Chess With The Abyss" oder der längst überfälligen Bandhymne "Dimmu Borgir" im Gehör liegt. Ganze acht Jahre lang ist das nun her. Acht Jahre, in denen es aus dem Hause DIMMU BORGIR außer einer wirklich gelungenen Live-Zusammenstellung keine neuen Töne zu hören gab. Solche langen Pausen zwischen den Veröffentlichungen schüren immer eine schier unterägliche Antizipation, welcher in den seltensten Fällen genüge getan werden kann. Auch "Eonian" hat unter diesem Leistungsdruck zu leiden und schafft es nicht immer, diese auch zu erfüllen. Dennoch ist der sehsüchtigst erwartete neue Release der norwegischen Schwergewichte voller intensiver und unglaublich starker Momente.

Künstler entwickeln sich, experimientieren, probieren neue Sachen aus und erweitern ihren klanglichen Rahmen. Fans der Künstler lieben und hassen dies zugleich. Mal wird "More Of The Same" verlangt, mal kritisiert. Erwartungen gerecht werden kann man sowieso nie. Das ist ganz normal, doch nach acht Jahren Funkstille wird sich zeigen, wie sehr die Fans die experimentelle erste Halbzeit von "Eonian" werten. Fangen wir mal von vorne an, beim Opener "The Unveiling", welcher mit elektronischen Beats die erste Augenbraue in die höhe schnalzen lassen wird. Dieser baut danach mit dem Einsatz von Chor und Orchester Spannung auf, welche sich in einem mächtigen Riff und charakteristischen Blasts entlädt. Willkommen zurück! Doch überraschend wird das Tempo zurückgefahren, Shagrath setzt mit beschwörerischem Sprechgesang ein, Atmosphäre wird über Brachialität gestellt. Alles läuft auf einen symphonisch, dramatischen Chorus zu, welcher ohne Probleme aus der Feder eines Danny Elfman hätte stammen können. Das ist den Puristen wohl zu kitschig, ändert aber nichts an der Tatsache, dass Ansatz und Umsetzung ungemein effektiv geraten sind. Ungewöhnlicher, aber gelungener Einstieg. Die beiden vorab veröffentlichten Stücke "Interdimensional Summit" und "Council Of Wolves And Snakes" überspringen wir an dieser Stelle mal und schauen uns "Ætheric" an. Hier bewegen wir uns in der Schnittmenge von "Death Cult Armageddon" und "Abrahadabra", mit Nackenbrecher-Riffs, nach vorne getragenen Strophen und einem simplen, aber effektiven Chorus. Erst ab der zweiten Hälfte übernehmen Orchester und es wird wieder ultra-melodisch, fast NIGHTWISHig. Wem das zu viel ist, der sei auf das sehr ähnlich gestrickte "The Empyrean Phoenix" verwiesen. Ähnlich strukturiert, etwas brachialer in den Riffs und ohne zu viel Zucker und Farbe in den symphonischen Parts. Sehr gelungen.

So richtig stark wird "Eonian" aber erst mit "Lightbringer". Hört die "Stormblast"-Gitarren im Main Riff, renkt euch den Nacken aus, hier herrscht Brachialität bis ins letzte Detail. Hier hört man auch zum ersten Mal die lange Reifezeit des Songmaterials heraus. Wie der Refrain beide Male aufgelöst wird, enzückt mir jedes Mal einen quietschigen Freudenschrei! Herrlich! Auch "I Am Sovereign" und "Archaic Correspondence" sollten jeden, absolut jeden Anhänger der Band zufrieden stellen: Brachial, düster, verspielt und bis ins Detail ausgearbeitet. Alles kulminiert im Song "Alpha Aeon Omega" zu einem montrösen Finale, welches seinesgleichen sucht. Der beste DIMMU-Song seit ... ja, eigentlich haben wir hier den besten DIMMU-Song aller Zeiten vorliegen. Dramatische Orchesterarbeit, unterstrichen von eiskalten Blasts, leitet den Song über einen schönen Nackenbrecher-Part in einen der größten melodischen Momente langer Zeit im Refrain über, dass es einem die Gänsehaut bis in die Beckenregion treibt. Wie sich der Song weiter dramatisch aufbaut und in einem der besten musikalischen Momente im Jahr 2018 endet, ist an dieser Stelle nicht weiter in Worte zu fassen, sondern will von euch selbst gehört werden. Soweit dazu!

Ist "Eonian" somit ein einwandfreies Album? Nein, auf keinen Fall. Es gibt durchaus kritikwürdige Punkte. Zu allererst wären hier die inflationär eingesetzen Pizzicato-Raindrop-Effect-Sounds, die in Ihrer Hülle und Fülle eine Charakteristik für das Album darstellen, meiner Ansicht nach aber wesentlich zu dominant genutzt werden. In Dosen gut, in Massen nervig. Dann haben wir sicherlich zwei Problemsongs auf dem Album. "Interdimensional Summit" war die erste Veröffentlichung inklusive Videoclip, und wurde vom Internetpöbel mehrheitlich negativ aufgenommen. Kritikpunkte wie "zu kitschig", "zu sehr NIGHTWISH" und co. darf man gerne auch so stehen lassen. Andererseits haben sich DIMMU BORIGIR über die letzten Jahre zu einem absoluten Mega Blockbuster hochgespielt. Ein Stück für die breitere Masse auf das Album zu packen, ist daher in mehrfacher Hinsicht gut gepokert. Das alles wäre auch wesentlich schlimmer, wenn der Song tatsächlich schlecht wäre – ist er aber nicht. Er hat ein schönes Riff, einen knackigen Aufbau, eine eingängige Hook und er weiß durch geschickte Arrangements zu gefallen. Alle Nörgler, wartet mal ab, bis das Ding zum ersten Mal live gebracht wird – es wird einschlagen wie eine Bombe!

Anders verhält sich das allerdings mit der zweiten Vorab-Veröffentlichung "Council Of Wolves And Snakes". Hier wird tatsächlich experimentiert, mit merkwürdig versetzten Songstrukturen, unstimmiger Dymnamik, an dieser Stelle unpassenden Folkloregesängen und einfach einem ulkigen thematischen Konzept, das einfach nicht ernst zu nehmen ist. Wölfe und Tiere beraten sich im Wald? Sorry, das klingt nach Dschungelolympiade im Düsterwald und verfehlt die angedachte Wirkung meilenweit.

Fazit: DIMMU BORGIR sind zurück und liefern mit "Eonian" ein gutes, wenn auch nicht ganz ausgegorenes Album ab. Was an sich nicht schlimm wäre, hätte die Anhängerschaft nicht satte acht Jahre auf das Ergebnis warten müssen. Dennoch werden neue wie alte Anhänger der Band eine wahre Freude an diesem neuen Werk haben. Es darf aber zu hoffen sein, dass Silenoz & Co. zukünftig wieder etwas flotter arbeiten.

3,5 / 5 - Christian Wilsberg

 


Inhaltsverzeichnis:

Seite 1: Einleitung
Seite 2: Lucas Prieske
Seite 3: Anthalerero
Seite 4: Pascal Staub
Seite 5: Captain Critical
Seite 6: Sonata
Seite 7: Christian Wilsberg
Seite 8: Fazit


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