JUDAS PRIEST - Das 'Firepower' Gangbang-Review

Veröffentlicht am 07.03.2018

Im papierhaltigen Feuilleton überschlug man sich beinahe beim Jubeln angesichts der neuen JUDAS PRIEST. “Firepower” heißt das Album, 14 Songs und fast eine Stunde - und der Götz jubelt. Das Dortmunder Alternativmagazin zum Dortmunder Platzhirschen feiert PRIEST wie auch die letzte MAIDEN. Das machen natürlich auch alle anderen Printperdiodika, aber warum, weiß man nicht erst seit Ernie von Krachmucker TV (einer der zwei Metal-Youtuber den man kennen sollte!). Heißt also nicht wirklich viel.

Aber auch im Netz bejubelt man den vom Label zur Verfügung gestellten Stream nach den ersten vier Minuten.

“Sofort wird offensichtlich, wie gut der Band die zeitgemäße Produktion von Andy Sneap in Kombination mit Band-Intimus Tom Allom tut: Die Drums krachen und rollen, der Bass pumpt, die Gitarren sägen, und Halfords einzig­artige Stimme glänzt in allen Tonlagen, ohne gekünstelt zu klingen.”

“... this is an album that maintains a classic band’s identity while making a meaningful contribution to their discography, and to Metal in general…”

“Firepower” is heavy metal as the masters forged it decades ago, with no regrets and no room for mistakes”

“Even five decades into their career, Judas Priest remain the very best at what they do. Firepower is excellent.”

Und so weiter, nöm. Man kann es natürlich auch etwas kritischer und ohne Fanbrille sehen. Klar, sie sind Legenden, aber eben auch, wie manche ihrer britischen Landsleute, schon lange keine lebenden Legenden mehr. Vitalsignale noch ok, aber musikalisch ist der Legendenstatus wie bei den Cockneys seit Anfang der 90er weg. Man tauschte Sänger aus, scheiterte mit den Ersatzmännern, begann von vorne und treibt seitdem die Sau gerne und oft durch das Dorf.

Ach ja, die Welt des Geronto-Reviewers ist eine bittere. Immer muss man sich an die 80er erinnern und überhaupt war es früher doch alles besser.

Das ist nicht notwendigerweise so, aber einige Bands hätten es doch schon lange lieber ruhen lassen sollen.

Aber ich schweife ab. JUDAS PRIEST kommen mit “Firepower” seit langem wieder ungefähr in ihre eigene Richtung, die Experimente und Totaldesaster sind Geschichte. Grandios ist es dennoch nicht. Der Beginn lässt auf eine nette Stunde hoffen. Rob Halford hat sich gesanglich eine schöne, altmetallisch-staatsmännische Patina zugelegt und singt wirklich stark. Die Höhen lässt er außen vor, aber die Melodien intoniert der Brummie-Chefpeitscher souverän und mit dem Wissen, dass so nur er singen kann. Das gelingt auf den beiden ersten Songs, dem Titelsong und dem Priest-Urknall “Lightning Strikes”, vortrefflich. Starker Refrain - typisch PRIEST, quasi.

“Evil Never Dies” beginnt mit einem knackigen aber generischen Riff. Hier offenbart sich eine eigenartige Ambivalenz bei “Firepower”. Die Produktion ist manchmal, wie eben bei “Evil Never Dies” gitarrentechnisch recht heavy bei vielen anderen Songs aber hat Andy Sneap die Gitarren dermaßen glatt gebügelt als ginge es darum, in den Fahrstühlen dieser Welt als Hintergrundmusik akzeptiert zu werden. Das ist zwar rifftechnisch Metal aber vom Klang des britischen Stahls Äonen entfernt, das ist moderner Metal-Sound, wie er den Mainstream heutzutage gerne bedient. Keine Ecken, keine Kanten, dazu ein deftig getriggertes Schlagzeug und schon haben wir die Libro-Hintergrundbeschallung.

So gut hier manche Refrains, viele Soli und Gitarrenharmonien sind, das Album hat die Halbwertszeit einer Packung Vollmilchschokolade im Hause Wiederwald. Hier kommt die Crux des Albums. Es will Metal sein, ist es aber nur sehr selten. Oft hangelt man sich nur von Refrain zu Refrain, manchmal wird das durch eben genannte Sologitarren gut gemacht, sehr oft sind die Strophen aber wirklich beliebig. Und noch zäher wirds, wenn selbst die Refrains nicht mehr wirklich rocken. “Necromancer” fährt ins Leere, “Children Of The Sun” erinnert im Pre-Chorus an die starken Zeiten der Halfordschen Solokarriere, aber der Chorus selbst ist beinahe schon ärgerlich konstruiert.

Mit “Rising From Ruins” haben wir so etwas wie den Höhepunkt des Albums. Hier glänzen sowohl Strophe als auch der Chorus. Entspannter und souveräner Metal. Nicht übertrieben heavy, aber kann man so machen und erinnert mich irgendwie an die ruhigeren Phasen von Halfords Alleingängen. Schöne Soloarbeit und passt.

Leider, ach leider, folgt mit “Flame Thrower” eine Blendgranate die all das Übel dieses Albums in viereinhalb Minuten darstellt. Hier will man wohl etwas “edgy” sein, aber das ist nur leidenschaftslos dahingenudelt und mit einem Refrain garniert, der mich in seiner 90er-Lastigkeit schon fast verärgert. Dabei ist der Song erstaunlich hart, hier funktioniert auch die Produktion nur das Songwriting ist einer ehemaligen Stahl-Großmacht absolut nicht würdig. Schon klar, dass es PRIESTer geben wird, die so etwas abfeiern, weil es eben auch nach PRIEST von damals klingt, aber man muss nicht wirklich jede schlecht gemachte Selbstkopie abfeiern als stünde der Leibhaftige vor einem.

Guter Punkt, wie ich just feststellen darf. “Selbstkopie”. Wie schon von einer anderen englischen Alt-Metall-Institution seit Jahren praktiziert, klingt hier alles wie der eigene Backkatalog. Nicht im Sinne von “ähnlich” oder “inspiriert von” sondern genau gleich. Beinahe jedes Riff, jede Melodie, jedes Fistgepumpe hat man schon unzählige Male gehört. Ich bin da mittlerweile der Meinung, dass auch Institutionen, Denkmäler, Vordenker oder Ikonen der Musik in ihren alten Tagen dafür kritisiert werden dürfen, nein: müssen, wenn sie sich einfach aus welchem Grund auch immer einfach nur selbst kopieren. Und wie auch die anderen Engländer (wer wohl…) ist das gesamte Album eine einzige Selbstreferenz. Nur leider keine wirklich gute. Dafür noch dazu mit 14 Songs und fast einer Stunde Spielzeit viel zu lang. Hätte man hier ein wenig Selbstzensur geübt und das Songmaterial auf 40 Minuten herunter gekürzt, einen etwas griffigeren Sound gewählt und wäre man nicht mit null Risiko gefahren, ja dann…

Ist aber leider nicht so.

Das Album für sich allein ist nicht wirklich schlecht, es hat nur leider sehr viele “aber” mit dabei. Ein zu harmloser Sound, das modern getriggerte Schlagzeug, die generischen Songs und alles schon mal da gewesen.

Sorry, da PRIEST ist zwar back, aber die Begeisterung hält sich bei mir massiv in Grenzen. Das Album ist bei weitem nicht so ein Desaster wie die letzte MAIDEN, aber von mehr als “gutklassig” ist es leider auch weit entfernt.

3/5 - Christian Wiederwald

 


Inhaltsverzeichnis:

Seite 1: Einleitung
Seite 2: Pascal Staub
Seite 3: Christian Wiederwald
Seite 4: Anthalerero
Seite 5: Christian Wilsberg
Seite 6: Fazit


ANZEIGE
ANZEIGE