SÓLSTAFIR - das 'Berdreyminn' Gangbang-Review

Wie lässt sich Metal im Jahr 2017 von massentauglicher Populärmusik unterscheiden? Ein musikwissenschaftlicher Essay am Beispiel von SÓLSTAFIRs "Berdreyminn".

 

Man kann die Isländer von SÓLSTAFIR mittlerweile fast schon als großen Namen des Metal-Firmaments bezeichnen. Einerseits wird unsere schöne Welt seit 2014 mit Headliner-Touren beglückt und andererseits rücken die Mannen rund um Sänger Aðalbjörn Tryggvason in den Festival-Billings kontinuierlich nach oben. Die anfänglichen Black Metal-Wurzeln sind schon lange vollständig ausgerissen und mit "Berdreyminn" erscheint das bereits sechste Full-Length-Album der Band. Und wer dessen Vorgänger "Ótta" kennt, versteht folglich vielleicht jetzt schon, was es mit der Frage im Titel auf sich hat.

 


Ob "Berdreyminn" jetzt noch Metal ist oder doch schon Popmusik (wenn auch anspruchsvolle) wird anhand folgender Diskussionspunkte zu klären versucht:

  1. Art der Instrumente

  2. Gesangsstil (bzw. Art des Geschreis)

  3. Relevanz eines Sub-Genres

  4. Härtegrad der Musik

 

1) Art der Instrumente

SÓLSTAFIR verwendet auf "Berdreyminn" nach wie vor die typischen Metal-Instrumente E-Gitarre, E-Bass und Schlagzeug. Doch Streicher und Piano haben sich (auch schon bei "Ótta") dazugesellt. Unter Berücksichtigung der inoffiziellen Kriterien für das Metal-Sub-Genre "Progressive Metal" (siehe Punkt 2) lässt sich "Berdreyminn" jedoch gerade noch dem Metal zuordnen.


2) Gesangsstil (bzw. Art des Geschreis)

Frontman Aðalbjörn Tryggvason verfügt über eine herrlich vielseitige Stimme, von sanft säuselnd bis rockig-rauchig. Dieser Stil wird bekanntermaßen sowohl von der Metal-Community im Allgemeinen als auch von der Heerschar der Pop-Normalos akzeptiert – von den demonstrativ engstirnigen Black-, Death- oder Grind-Puristen einmal abgesehen. Der Klassifizierung von "Berdreyminn" ist dieser Punkt somit nicht dienlich.


3) Relevanz eines Sub-Genres

Bei einer hypothetischen Zugehörigkeit zur Metal-Klasse des "Black Metal" wären SÓLSTAFIR – wie bereits in Punkt 1 angedeutet – aufgrund der Wahl ihrer Instrumente klar der Populärmusik zuzuordnen. Auch der Gesang, z.B. guttural, clean oder gekreischt, spielt eine gewichtige Rolle bei der Sub-Genre-Relevanz (siehe dazu Punkt 2). "Berdreyminn" kann jedoch definitiv nicht mehr als Black Metal bezeichnet werden. Somit bleibt die musikalische Klassifizierung weiter strittig.


4) Härtegrad der Musik

Wie schon vom ursprünglichen Begriff "Heavy" Metal klar ableitbar, ist die Härte der Musik für die Klassifizierung essentiell – möchte man meinen. Betrachtet man jedoch z.B. die Unterarten Melodic Metal, True Metal oder Gothic Metal, so scheint der Härtegrad mittlerweile eine untergeordnete Rolle im Metal zu spielen. Das sanfte und zugleich druckvolle "Berdreyminn" geht somit sowohl als Metal als auch als Pop-Musik durch.

 

Da die Punkte 1 bis 4 kein eindeutiges Ergebnis zulassen, werden folgende Aspekte zusätzlich betrachtet:

  1. Textinhalte

  2. Stil der Live-Performance und Art des Ziel-Publikums


5) Textinhalte

Im Gegensatz zur klassischen Populärmusik zeichnen sich Metal-Texte hauptsächlich (natürlich vom Sub-Genre abhängig) durch Themen wie Tod, Krieg, Satan, Zerstörung, Lucifer, Hass, den Teufel oder Panzer aus. Die meisten Pop- und vereinzelte Metal-Gruppen beschäftigen sich dagegen mit Romantik, Liebe, Einhörnern und solchem Kram (offensichtlich geht es ihnen vorwiegend ums Vögeln). Welche Inhalte SÓLSTAFIR lyrisch transportiert, ist aufgrund der Sprachbarriere leider nicht ergründbar. Wer also des Isländischen mächtig ist, möge sein Wissen bezüglich der Texte von "Berdreyminn" bitte an folgende Adresse weiterleiten: captain.critical@stormbringer.at.

 

6) Stil der Live-Performance und Art des Ziel-Publikums

Dem letzten Punkt wurde bereits am 20.05.2016, bei SÓLSTAFIRs Auftritt im Komma, Wörgl nachgegangen (hier nachzulesen); zumindest wurde es versucht, denn die Live-Performance der Isländer war dermaßen einzigartig und emotional ergreifend, dass jegliche seriöse Forschungsarbeit zunichte gemacht wurde. So konnte z.B. der weibliche Anteil des Publikums nicht bestimmt werden, genauso wenig wie die Höhe des Bierkonsums (beides wichtige Kriterien für eine Einstufung als Metal).

 

 

Captain’s Fazit

"Berdreyminn" stellt einen beispielhaften Beweis für die Schwierigkeit einer objektiven Klassifizierung von Musik dar, denn das Album ist Metal und Pop zugleich. Wie SÓLSTAFIRs Schaffen generell, fordert auch "Berdreyminn" die ungeteilte Aufmerksamkeit seiner Hörer, lässt sich aber dennoch auch einfach so nebenher hören.

Leute, die sich von Musik einfach nur berieseln lassen wollen oder auf oberflächliche gute Laune hoffen, hören daher lieber Justin Bieber. Den musikalischen Genießern, die für das gesamte emotionale Spektrum offen sind, wird der Genuss von "Berdreyminn" hingegen wärmstens empfohlen.

 

 

4.5 Punkte - Captain Critical


Inhaltsverzeichnis:

Seite 1: Einleitung
Seite 2: Christian Wiederwald
Seite 3: Daria Hoffmann
Seite 4: Pascal Staub
Seite 5: Captain Critical
Seite 6: Anthalerero
Seite 7: Fazit


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