30.11.2019, Rockhouse-Bar, Salzburg

In Your Facetival #1

Text: Anthalerero | Fotos: Anthalerero
Veröffentlicht am 05.12.2019

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Wenn die Extremitäten durch die Gegend fliegen und Crowdsurfer sich an der Decke der Rockhouse-Bar die Schädel einbeulen, dann kann das nur eines bedeuten: Es ist Hardcore-Zeit in Salzburg, Baby! Dass die Anzahl an bissigen Hardcore-Shows in Salzburg zuletzt etwas niedrig war, das erörterten wir mit den veranstaltenden Buben von DAZE AFFECT bereits im Interview und dass das Publikum für diese Spielart der harten Klänge durchaus vorhanden war, das zeigte der rege Besucherzulauf an diesem Samstagabend, der der Rockhouse-Bar ein äußerst gut gefülltes Ambiente bescherte.

Wie das bei Hardcore-Shows so üblich ist, gab es dann auch die ein oder andere blutige Nase, ob der schweißtreibenden Moshpit-Action bei wirklich jeder Band – und leider auch einen Ausfall schon vor Beginn: END OF NOTHING aus Nürnberg ging noch auf heimatlichem Boden die Luft am Pneu des fahrbaren Untersatzes aus, was den Burschen die Chance vermieste, das Salzburger Publikum ordentlich zu vermöbeln. Die Show wird natürlich baldest möglich nachgeholt – derweilen verschob sich der Beginn des Facetivals eben einfach um eine kommode halbe Stunde nach hinten.


Als Erstes auf die Meute losgelassen wurden SENSE OF JUSTICE aus dem schönen Burgenland, die trotz 25jährigen Bestehens noch keinerlei Ermüdungserscheinungen zeigten und überdies zum ersten Mal überhaupt (echt jetzt?!) in Salzburg aufgeigten. Zu dem klassischen, sehr groovigen Hardcore mit gelegentlichen fast thrashigen Eruptionen wüteten alsbald die ersten Leute durch die Bar und sorgten für eine stimmungsvolle Atmosphäre, die der Band sichtlich zu gefallen schien. Angeheizt von den motiviert zappelnden Besuchern hängten sich SENSE OF JUSTICE so richtig rein (der Bassist war gefühlt mehr in der Luft als am Boden!) und konnten gleich überraschend lauten und anhaltenden Jubel für sich verbuchen.


Wegen des Ausfalls von END OF NOTHING ging es gleich direkt österreichisch weiter mit den Tiroler Wüterichen von RECURRENT PAIN. Als härteste Band des Abends sorgte der Vierer mit gewaltigem Schub für eine amtliche Gnackwatschn, die die zunächst gehörigen Respektabstand haltenden Zuschauer zu Beginn gar ein wenig überforderte. Doch nach ein paar kantigen Songs mit kernig-thrashiger Note begann sich das Publikum dann doch für RECURRENT PAIN zu erwärmen und rückte immer näher, bis schließlich das Stereo-Gebrüll der kurzzeitig mit Gast-Schreihals verstärkten Truppe das Eis brechen konnte und die Anwesenden der Circlepit-Anweisung mittels Kreisverkehr-Schild folge leisteten und amtlich eskalierten. Sänger Bani warf sich ungeachtet seines Kreuzwehs wie ein Geschoss mitten in den Pit und brachte die Zuschauer gegen Ende des Auftrittes hin richtig in Schwung. So muss das!


Solcherart vorgelegt, übernahmen NINETYNINE das Publikum volley und brachten die Stimmung sogleich zum Überkochen. Ja, was war das bitte? Der Fünfer aus Erfurt ist ja wohl komplett bekloppt, hier in der Bar zum Crowdsurf-Wettbewerb aufzurufen! Irgendwie schien das brechende Riffgewitter aber bei den Leuten in Salzburg einen Schalter umgelegt zu haben, denn die Anwesenden in der Bar rasteten zu den Klängen von NINETYNINE so dermaßen aus, als hätten ihnen die Deutschen die Eier in den Schraubstock gezwängt. Wütende Moshpits, rasante Circlepits und todesverachtende Stagediver ließen alle Dämme brechen und verwandelten die Bar in einen kompletten Ausnahmezustand. Dass dann mitten in der höchsten und intensivsten Konzertekstase die Gitarre (!) ihren Dienst versagte und nach versuchtem Austausch von Kabeln und Amp die glücklicherweise noch anwesenden Kollegen von SENSE OF JUSTICE mit einer Axt aushelfen mussten, das war wohl wirklich die Höchststrafe für die Band. Doch der Schlagzeuger der Truppe erwies sich unterdessen als Entertainer und unterhielt die schon unruhig werdenden Partytiger während der hektischen Reparaturversuche mit einigen Soli, bis dann endlich wieder gewütet und der Sack zugemacht werden konnte. Was für ein Brett – und das direkt vor den Gastgebern!


Diese, nicht scheu, nutzten die Gunst der Stunde und machten nahtlos dort weiter, wo die Deutschen zuvor aufgehört hatten. Einfach mitten in die Fresse (ist ja bekanntlich das Motto des Festivals - nomen est omen!), flogen auch zu DAZE AFFECT alsbald wieder Körperteile und dazugehörige Personen fröhlich kreuz und quer durch die Bar. Dass der Bass schon ein wenig grenzwertig laut durch den Stollen donnerte, störte im allgemeinen Trubel nur Wenige (höchstens das ob der entfesselten Bühnenshow der Mondseer schon etwas unter Konzentrationsschwächen leidende Fotoantha), doch dafür konnte man zu den derben Klängen von DAZE AFFECT hingebungsvoll das Kleinhirn durch den Schädelinnenraum purzeln lassen. Und den Rest des Körpers natürlich auch. Schweißtreibend, so wie Hardcore sein soll, holten die vier Rabauken aus Mondsee (Shouter Andi kurzfristig auch selbst im Moshpit zugegen) noch einmal wirklich alles aus den Zuschauern, die es der Band mit anhaltendem Applaus dankten.


Wer dann noch stehen konnte, der schädelte sich zu DEAD LIKE JULIET als Schlusspunkt noch einmal gehörig die Rübe weg. Mochte der kräftige, durchaus auch melodische Hardcore der Italiener bei ihren letzten Auftritten inmitten von Metalcore-Acts trotz Keyboard-Einsatzes nicht so recht zünden, so konnten die Burschen aus Meran dafür in der Mozartstadt vor dem richtigen Spartenpublikum so richtig abräumen. Ein absolut hysterisch-entfesselter Keyboarder (wer sagt, dass die Herrschaften an den Tasteninstrumenten hinter ihrem statischen Instrument „limitiert“ wären? Schaut euch diesen Gummiball an!) verbrämte das satte Gerumpel von DEAD LIKE JULIET mit leicht modernem Anstrich, während Fronter Ale analog dazu die Bude konsequent in Grund und Boden brüllte und die Saitenfraktion auch noch den Rest des Gehörs in Schutt und Asche legte. Die finale Klappe des Abends fiel mit gehörigem Getöse und ließ nur noch verbrannte Erde, ein paar Scherben und reichlich ermattetes Publikum zurück. Intensiv!


So erwies sich die erste Ausgabe des In Your Facetivals in Salzburg als voller Erfolg! Die Zuschauer gaben durchwegs gewaltig Gas und boten eine ansprechende Kulisse für die kauleistenzerschmetternde Musik – weiteren Ausgaben des hoffentlich in Serie gehenden Festivals steht somit wohl nichts mehr im Wege! Wir kommen wieder!

Weitere Fotos der Eskalation findet ihr bei Images Of Pain And Pleasure.


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