AYAHUASCA - Yin

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VÖ: 09.09.2016
Bandinfo: AYAHUASCA
Genre: Sludge Metal
Label: Eigenproduktion
Hören & Kaufen: Webshop
Lineup  |  Trackliste  |  Credits

Das hier ist einer dieser magischen Momente, in denen die einzige Regung zu der man nach dem Einschalten der Musik noch fähig ist, das Aufdrehen des Lautstärkereglers ist. Im Gesicht ein gleißender Lichtstrahl und das Lächeln so breit wie die Soundwand, die sich auf einen zu bewegt. AYAHUASCAs „Yin“ klingt schon namentlich wie ein legendärer Drink und kombiniert mit Sludge, Progressive-Rock, 90s-Grunge und Metal-Einflüssen auch musikalisch nur die besten Zutaten zu einem suchtgefährlichen Cocktail.

Die bombastisch angelegten Gesangsharmonien erinnern stilistisch an eine ungezogene Mischung aus ALICE IN CHAINS und MUSE, imitieren aber nicht, sondern wirken so organisch wie das passende Ausatmen zum Einatmen der Musik. Und die ist auf dem zweiten Album des kanadischen Trios derart formwandlerisch, dass man jedes Mal eine neue Welt entdeckt, nachdem man den Vorhang zu- und wieder aufgezogen hat – egal wie schnell einem das auch gelingen mag.

Die Musik von AYAHUASCA wirkt, aus genau diesem Grund, oberflächlich einem hyperaktiven Aufmerksamkeitsdefizit entsprungen. So viele Details und Ideen. Manchmal so rumpelnd wie ein unerwartet eingeworfener Ziegelstein in der schleudernden Waschmaschine, manchmal wie das spontane Rezitieren eines Gedichtes im Strom der Rush-Hour. Doch diese anfallartige „Wüstheit“ ist nicht intentionslos dahingeworfen: auf „Yin“ kann man kanalisierte und trotzdem ungezähmte Aggressivität beim Fangen-Spielen mit komplexen Melodien und Rhythmen beobachten – dahinter steckt ganz offensichtlich ein irrer Plan.

Gitarrist und Ideengeber Luke Roberts (aka Berserk Lout) nennt als prägende Einflüsse eine, in der Nachschau völlig nachvollziehbare, Mixtur aus SOUNDGARDEN, THE MELVINS, VOIVOD, ALICE IN CHAINS und erklärt die Verspieltheit von „Yin“ wie folgt:

„Our last record was much more progressive, long winded, and full of details. This is a much more fast-paced, vomitus, cathartic release of anger that is kind of childish at times if I may speak frankly. Making this record satisfies the need to express a muse that's been bothering me since I was a teenager in the vein of the constantly dissatisfied stress and anger laden punk/grunge bands I grew up listening to.”

Die Professionalität der Musiker und die bei hoher Präzision überwältigende Fülle der Produktion sind die beiden letzten glitzernden Zuckerkörnchen, die diesem nahe an der Perfektion befindlichen Album zur Krönung verhelfen. Ein absolutes Meisterwerk – so wie es dasteht und grinst. Ich kann nicht anders als mir AYAHUASCAs „Yin“ so lange anzuhören, bis dieses kichernd hakenschlagende Biest unauffindbar davonrennt.

Anspieltipps:

„The Dodged Now“ (1), als entschleunigender Einstieg, bei dem Gesang und megatonnenschwere Riffs sich um die Intensitätskrone duellieren – unentschieden.

„Collapse Of A Lifelong Lie“ (9), für ein bisschen mehr Groove, Prog, Djent und Geschwindigkeit.

„Carbon“ (7), mit emotional einfangender Melodie. Verlässt auch nach dem Verklingen des Schlussakkordes nicht mehr den Kopf und spiegelt die zwittrige Aura des Albums wieder: niederschmetternd und aufrichtend zugleich.

„White Ship“ (12), dessen Lovecraft-Text durch die nostalgisch warme Stimme Jocelyn Barths unterstützt wird. Selbst dieses mit zur Vertonung eines Arthouse-Filmes geeigneten Noise-Salaten und wirr springendem Piano verzierte Monumentalwerk fügt sich derart in den flexiblen Rahmen ein, dass alles stimmig bleibt – dieses Album sowie das gesamte Bandkonzept.

 



Bewertung: 5.0 / 5.0
Autor: Daria Paul (19.11.2016)

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