25.07. - 29.07.2016, Tolmin, Tolmin

METALDAYS 2016 – oder was haben Putin, Porn Grind, Professoren und Pizza gemeinsam?

Veröffentlicht am 02.08.2016

Gleich zu Beginn: Für all jene, die noch unter starken Nachwehen ihres Urlaubs leiden oder in Slowenien einfach nur Deutsch verlernt haben: ganz unten gibt es eine Kurzzusammenfassung in Form des Captain’s Fazit. Allen anderen wünscht die Redaktion unterhaltsame Lektüre:



Nun lieber Leser, versetze Dich bitte wieder einmal in die Position eines pseudo-intellektuellen, leicht schrulligen Psychologen und Professor-für-eh-alles mit einer Affinität zu den Randgruppen unserer Gesellschaft (die da sind: Metaller, Punks oder Hipster). Nach dem letzten Forschungsabenteuer im Innsbruck Weekender (wissenschaftliche Studie hier nachzulesen: CANNIBAL CORPSE & KRISIUN) brauchte Professor Critical dringend Urlaub. Die bestialischen Rituale, die Lautstärke und die gigantische Menschenmasse hatten einfach ihren Tribut gefordert. Da er schon viel von der Schönheit und ruhigen Idylle der julischen Alpen und dem dazugehörigen Soča-Fluss gehört hatte, buchte er gemeinsam mit einer Handvoll Diplomanden und Dissertanten, die sich ebenfalls einen ruhigen und entspannenden Urlaub verdient hatten, ein hübsches kleines Appartement im beschaulichen Tolmin, Slowenien.
 

Anreise in Slowenien bei brütender Hitze.


Anreise:

Bei gefühlten 40° Celsius kommt die kleine Gruppe am Sonntag, den 24.7.2016, in Tolmin an. Doch was muss sie dort erkennen? Tausende schwarzgekleidete Gestalten (Menschen und andere Kreaturen, wie z. B. Österreicher oder Deutsche) haben Tolmin überflutet und mustern die Neuankömmlinge auf misstrauische Art und Weise. Professor Critical kann mithilfe trigonometrischer Berechnungen feststellen, dass es exakt 12 352,99 Individuen sind, die die slowenische Kleinstadt in Besitz genommen haben, somit sind die Kapazitäten des Ortes vollständig erreicht. Plötzlich rast eine dieser Gestalten auf die Gruppe zu. Sie ist bereits seit einer ganzen Woche hier und hat laut eigener Angabe mehr oder weniger freiwillig an seltsam anmutenden, grausamen slowenischen Ritualen teilnehmen müssen. Unsere verängstigte Gruppe erkennt sofort, dass aus dem Erholungsurlaub nichts werden wird, und plötzlich fühlen sie seltsame Bändchen an ihren Handgelenken (wie sie sie auch bei den schwarzen Gestalten beobachtet haben) und müssen mit Schrecken feststellen, dass sie Teil der Meute geworden sind. Der Besitz der Bändchen stellt sich jedoch alsbald als vorteilhaft heraus, immerhin bleibt der kleine akademische Tross von nun an unbehelligt und kann in das Appartement flüchten.
 

Spuren der grausamen slowenischen Rituale.


Tag 1:

Montag. Im Appartement werden seltsame Runen entdeckt, die sich nach akribischen Untersuchungen als eine Art Zeitplan mit martialisch klingenden Ritualen (wie z.B. FLESHGOD APOCALYPSE, DYING FETUS oder NAPALM DEATH) herausstellen. Was es wohl damit auf sich hat? Gegen Mittag ist es leicht bewölkt, doch plötzlich setzt starker Platzregen ein – die Wettergötter scheinen schlecht gelaunt zu sein, vielleicht hängt das mit den blasphemischen Kreaturen im Ort zusammen… Ein unterbewusst wahrgenommener Trieb, den Ritus namens DESERTED FEAR zu besuchen, fällt sprichwörtlich ins Wasser, doch am frühen Abend zwingt eine mysteriöse Kraft unser Team dennoch zu den (un)heiligen tolminischen Hainen, wo es einer exotischen Zeremonie namens ORPHANED LAND beiwohnt.

Da fällt es den Forschern, obwohl sie sich im Urlaubsmodus befinden, wie Schuppen von den Augen: die schwarzen Gestalten, der höllische Lärm im ganzen Tal, der Alkohol-Gestank, eine seltsame Bühne mit Musikern darauf: bei den Ritualen handelt es sich eindeutig um ein Heavy Metal-Festival. Satan-sei-Dank haben der Professor und sein Team bei der oben erwähnten Studie bereits reichlich Erfahrung in Sachen Metal sammeln können – sie wissen, wie sie sich verhalten müssen, um den Wahnsinn mehr oder weniger unbeschadet zu überstehen – der Urlaub scheint doch noch gerettet. Und das mitten in der schönsten Umgebung, die man sich vorstellen kann. Eingebettet zwischen den Flüssen Soča und Tolminka befindet sich die wohl traumhafteste Festival-Location Europas – Hell over Paradise eben (Fotos sind hier zu finden). Hier kann man sogar Metal-Hochzeiten feiern – wirklich! ORPHANED LAND aus Israel sind nebenbei erwähnt ein guter Einstieg ins Festival bzw. den Urlaub, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Es regnet nach wie vor, als die Italiener von FLESHGOD APOCALYPSE die Bühne entern, doch dies tut der guten Stimmung keinen Abbruch und durch die vom Professor vor kurzem entwickelte "Kostüme-sind-echt-cool-Brille" kommt der akustische Ritus schon recht gut bzw. druckvoll zur Geltung. Die Zwerchfelle werden von orchestralem Death Metal in Schwingung gebracht und auch die Nackenmuskulatur wird ein bisschen trainiert.
 

FLESHGOD APOCALYPSE – Blick durch die magische "Kostüme-sind-echt-cool-Brille".


Nachdem die barocken Römer die Bühne wieder verlassen haben, meldet sich plötzlich der Appetit. Und da geschieht es: im sogenannten Fresszelt (man munkelt, dass die kulinarische Versorgung seit der 2013 durchgeführten Neuorganisation und Umbenennung von Metalcamp zu Metaldays deutlich an Qualität gewonnen hat, was definitiv bestätigt werden konnte) traut der Professor seinen Augen kaum. Der im Dezember 2015 viel zu früh verstorbene, bereits zu Lebzeiten am Metal-Olymp residierende Lemmy Kilmister erscheint wie von Geisterhand direkt neben… Lemmy Kilmister – der Pappfigur. Mr. Critical weiß gar nicht mehr, vor wem er sich nun verneigen soll, also trinkt er einfach sein Bier aus, plaudert kurz mit dem sympathischen Lemmy (dabei ist er nicht ganz sicher, ob er sich vielleicht nicht doch mit der Pappfigur unterhalten hat) und ist dadurch bestens eingestimmt für die nun auf der in Lemmy-Stage benannten Bühne auftretenden SACRED REICH. METALLICA lässt grüßen, der Regen auch und deshalb werden die US-Veteranen aus Arizona aus der Entfernung vom Zelt aus gemeinsam mit einem Stück Pizza genossen. Schade, denn so viel Tightness vermisst man bei jüngeren Bands leider viel zu oft und SACRED REICH müssen sich mit einem doch reduzierten Publikum zufrieden geben, welches dafür aber ordentlich Gas gibt.
 

Die "Lemmy-Stage" wurde nach einer dieser zwei Gestalten benannt.


Es wird dunkel – über Tolmin, auf der Bühne und in unseren Herzen. DARK FUNERAL haben ihre schwedische Gruft verlassen und treiben nun ihr Unwesen in den slowenischen Bergen. Unwesen ist hierbei wörtlich zu nehmen, denn der Sound rauscht einfach so dahin, Genre-typisches Gekeife thront so ein bisschen darüber und grabesähnliche Langeweile macht sich breit – sehr breit. Black Metal kann definitiv interessanter klingen, für einen ordentlichen Teil der Besucher scheint es jedoch auszureichen und die Stimmung bleibt auf gutem Niveau. Nach der Beerdigung sind TESTAMENT an der Reihe (komische Reihenfolge, normalerweise schreibt man seinen Nachlass doch vor dem Begräbnis? Die Metal-Szene zeigt wirklich seltsame Verhaltensmuster, unser tapferer Forscher sollte wohl doch noch einige Studien hierzu durchführen). Die Bühne verwandelt sich dabei auf magische Weise in einen aztekisch anmutenden Tempel. Die Amis rund um Front-Zeremonienmeister Chuck Billy zeigen eine enorme Spielfreude, die das Gros der beiwohnenden Besucher mitreißen kann. Aztekische Blutrituale scheinen hochgradig infektiös zu sein – was für eine geile, wohlklingende Zeremonie, kalt werden kann einem da definitiv nicht!
 

Poser? Was sind Poser? DARK FUNERAL?
 

TESTAMENT heizen im Tempel richtig ein.
 

Tag 2:

Dienstag (weil nach Montag in der Regel Dienstag folgt). Die Wetter-Götter-Laune scheint trotz der testamentarischen Huldigungen nicht besser geworden zu sein. Die Party mit GLORYHAMMER, SKÁLMÖLD sowie die rituelle Kuh-Schlachtung mit CATTLE DECAPITATION werden von einer reißenden Flut hinfort gespült. Unsere Forschungsgruppe rettet sich zum überdachten Grill des Appartements. Dann wird eben der Verdauungstrakt gestärkt, um für die abendlichen Shows gerüstet zu sein.
 

Die Fluten von Tolmin.


Das Verzehren von Fleisch scheint eine beruhigende Wirkung auf die Wetter-beeinflussenden Kräfte zu haben und so wagt sich Dr. Critical mit Anhang wieder aufs Krawall-Gelände. An ein Verdauungsschläfchen ist nicht zu denken, denn es findet das Schlaflosigkeits-Ritual INSOMNIUM statt. Doch was müssen wir feststellen? Der Funke springt nicht so recht über, die rituellen Gesten (fürs bessere Verständnis: das rhythmische Zupfen an den Gitarren-Saiten) sind nicht präzise genug, der Sound wirkt schwammig. An Schlaf ist trotzdem nicht zu denken, immerhin scheint das restliche Publikum den Finnen aus der Hand zu fressen und feiert begeistert mit, der Professor ist trotzdem ein wenig enttäuscht, ist er doch eigentlich mit großer Vorfreude zu INSOMNIUM gegangen, vielleicht ist er aber auch ein wenig zu critical?
 

INSOMNIUM – weniger posen, präziser spielen!
 

Auf die nordischen Krieger folgen barbarische russische Horden, die Streiter von ARKONA stürmen das Soča-Tal. Doch das Publikum ist keineswegs ängstlich, vielmehr scheinen sich alle darauf zu freuen, von Humpa-Humpa-Zeltfestklängen mitgerissen zu werden. Die Stimmung scheint schon vor Beginn magisch aufgeladen (vielleicht liegt dies aber auch an den seltsamen slowenischen Kräutern, die nach einem nicht näher beschriebenen Räucher-Ritus Weihrauch-artig über dem Hain liegen). Wehrlos ergibt sich nun auch unser Expertenteam den wilden Klängen. Angeführt von Maria "Scream" Archipowa zwingen die Russen rund 10 000 Menschen dazu, im Einklang zu tanzen. Maria scheint irgendwo einen Ekstase-Knopf zu haben, der durchgehend aktiviert ist. Der Professor ist ebenfalls begeistert, obwohl er im Normalfall Humpa-Klänge, Dorf- sowie Zeltfeste meidet, wie Deutsche österreichische Bergstraßen meiden (sollten).
 

ARKONA – ein überraschendes Highlight!


Was jetzt folgt, ist im Nachhinein laut Erzählungen der reine Wahnsinn gewesen. Reggae-Power, gemischt mit Hip-Hop, Metal und Punk – die bunte Mischung von SKINDRED aus Wales ist an Coolness nicht zu übertreffen. Als Intro wird einfach mal "Thunderstruck" von ACDC in voller Länge missbraucht. Doch nicht genug, ein geiler Remix des "Imperial March" von Darth Vader folgt prompt, doch es erscheint keine schwarze Gestalt mit Helm und rotem Licht-Schwert auf der Bühne, sondern Mister Benji Webbe (statt des Helms zieren Rastas seinen Schädel). Und was macht der Professor? Er marschiert rüber zur 2nd-Stage und nimmt an den sumerischen Zaubersprüchen von MELECHESH teil. Fast scheint es so, als wären die Licht-Schwerter hier gelandet, die Bühne erscheint in stimmungsvollem (Blut-)Rot.
Der kleinere Bereich hier ist rappelvoll mit Anhängern der Nahost-Hohepriester und Haupt-Djinn Ashmedi hat die Meute routiniert im Griff. Technisch höchstversiert wird hier stark orientalisch angehauchter Black Metal zelebriert. So eintönig dieser Sound auch ist, so magisch zieht einen die beinahe meditative Wirkung immer mehr in dessen Bann. Hypnose?
 

Die sumerische schwarze Magie von MELECHESH – Hypnotisch!
 

Jetzt geht es wieder zur Lemmy-Stage. Auf ihr herrschen Stille und Dunkelheit, im wahrsten Sinne des Wortes. Nur das gedämpfte Flüstern einiger schwarzer Gestalten und der eine oder andere Bierbecher, der verschüttet wird – mitsamt dem dazugehörigen Fluch –, sind zu vernehmen. Plötzlich, wie aus dem Nichts, erscheint der babylonische Stadt-Gott MARDUK. Doch der Hunger auf Pizza erscheint ebenfalls mit brutaler Macht und so hat unser Forscher-Team keine Wahl und verzichtet darauf, von den schwedischen Babyloniern in Grund und Boden getreten zu werden. Eines sei gesagt: es ist die gewohnte Dampfwalze (Nachzulesen, wenn auch in heimischer Umgebung, hier).

 

Tag 3:

Die Schlaumeier unter euch haben es sicher schon geahnt: Mittwoch. Und dreimal dürft ihr raten, wie das Wetter ist! Gratulation, es regnet. Aber egal, eine wahre Forscher-Natur lässt sich davon nicht beirren und marschiert gemächlich durch lediglich dezenten Schlamm zu ABORTED. Die Belgier rund um Master-Gurgel-Mind Sven de Caluwe knüppeln wie die Regenwand, die über Tolmin gefegt ist, auf die Trommelfelle ein. Nur wenige lassen sich vom nachlassenden Regen noch davon abhalten, all ihre aufgestauten Aggressionen abzureagieren. Circle-Pits entstehen und Dr. von und zu Critical vermutet, dass dies ein Anti-Schlechtwetter-Ritual darstellen könnte.
 

Der Anti-Schlechtwetter-Tanz von ABORTED.


"ABORTED ist und bleibt eine Macht im Gore-Bereich" grunzt ein beglückter Fan. Gore-Bereich? Unser Forscher ist neugierig geworden und muss sich eingestehen, dass er bei Wikipedia recherchieren muss:
"Als Gore (engl. geronnenes Blut und durchbohren, aufspießen) wird, ähnlich wie beim Splatter, eine visuelle und affektorientierte Strategie der filmischen Körperdarstellung bezeichnet. Während beim Splatter jedoch der Akt des Verletzens im Mittelpunkt steht, wird beim Gore eher das Ergebnis der Gewalt in farbigen, klinisch detaillierten Groß-, Nah- und Detailaufnahmen präsentiert. Zerstückelungen, Ausweidungen, das Herausquellen von Organen sowie das Wühlen in den Eingeweiden der Filmopfer finden hier ihren Platz. "
Nachdem das jetzt geklärt ist, ergibt der Name der nächsten Psychopathen PRO-PAIN Sinn, die von den Gore-Gourmets verursachten Schmerzen sitzen im ganzen Körper. Aus diesem Grund werden die New Yorker aus sicherer Pizza-Zelt-Entfernung genossen. PRO-PAIN sind eine erbarmungslose und leider auch abwechslungslose Groove-Maschine. Daher trainieren unsere tapferen Akademiker für KREATOR lieber schon mal Luftgitarre-Spielen mit dem freundlicherweise zur Verfügung gestellten Guitar Hero.

 

Luftgitarre-Training bei Guitar Hero.


Das fröhliche Üben wird jedoch alsbald brutal unterbrochen. DYING FETUS grunzt, shreddert und walzt jegliche andersartigen Klänge vom Gelände. Und das mit einer Präzision und Ordnung, dass sich jeder Pedant die Finger ableckt. Bei der Meute vor der Bühne löst dies allerdings eher nervöse Zuckungen und epileptische Anfälle aus, doch die Front-Sau John Gallagher lässt sich dadurch nicht beirren. Dem Psychologen-Team bleibt also nichts anderes übrig, als die Flucht anzutreten und mit einem weiteren Stück Pizza und Bier die nervlichen Schäden zu therapieren.
 

Das epileptische Grunzkommando von DYING FETUS.


Zur Therapie gesellt sich jetzt – der Hippie-Bewegung-sei-Dank – liebliche Heilmusik mit dem blumigen Namen GRAVEYARD. Die Schweden haben sich wahrscheinlich so benannt, weil sie nächtlich mit Vintage-Schaufeln und Blumen bewaffnet die 70er am heimischen Friedhof ausgebuddelt haben. Woodstock-Feeling überkommt die schwarzen, blutrünstigen Kreaturen der Metaldays. Doch dieses Feeling ist einfach fehl am Platz, zu viele sind zu besoffen und unzureichend psychedelisch beeinflusst. Die Blumenkinder auf der Bühne sind zwar echt süß, interagieren aber zu wenig mit der Meute und die Stimmung bleibt daher eher verhalten – abgesehen von einem Hula-Hoop-Reifen samt dazugehöriger Lady.
 

Blumen- und Hula-Hoop-Power von und mit GRAVEYARD.


Was folgt idealerweise auf fröhlich-gechillte Hippie-Sounds der 70er? Richtig. NAPALM DEATH. Die sympathischen, britischen Spinner mit Oberzappelphilipp Mark "Barney" Greenway sind gekommen, um alles zu zerstören: Harmonie, Urlaubsgefühle, Romantik und den Sinn für Melodien. Der Name ist Programm, die unglaublich agile und witzige Hektik auf der Bühne verführt die Zuhörer (kann man das Lauschen von Lärm in seiner reinsten Form überhaupt Zuhören nennen?) zu martialischen Kampf- / Tanzritualen und die typisch britischen Ansagen von der Bühne animieren nach jedem Song nur noch mehr (ein Song kann hier durchaus nach drei Sekunden beendet sein, nur um von einem immerhin zehn Sekunden dauernden Song abgelöst zu werden). Geiler und klarer kann Lärm auf dieser Welt einfach nicht sein. Ein Therapie-Gespräch mit Abrissmeister "Barney" ist hier nachzulesen.
 

NAPALM DEATH – wie kann man zu viert nur so einen Höllenlärm machen?


Kann es etwas geben, das noch mehr Energie freisetzt als das Napalm-Quartett? KREATOR versuchen sich heuer an dieser Herkules-Aufgabe, immerhin haben sie die "Flag of Hate", "Extreme Aggression" oder auch "Hordes of Chaos" im Schlepptau, da sollte doch was gehen, und zur Not sind KREATOR heuer auch Herren über die Sonne, "Black Sunrise" ist wahrlich ein mächtiger Zauber. Die stimmungsvolle Bühne (zwei Fackelträger inklusive) bietet eine würdige Kulisse für die Rückkehr des KEATORs. Die Essener sind bereits zum fünften Mal hier und feiern quasi ein Heimspiel – nicht wegen der deutschen Fans, sondern einzig und allein aufgrund der Tatsache, dass keine Band bisher konstant so viel Stimmung nach Slowenien bringen konnte. Auch heuer grinsen die Jungs vereint im Hass um die Wette, reinste Energie und Brutalität gepaart mit einer herrlichen Sympathie. Das beste Konzert von KREATOR am Metalcamp / Metaldays? Leider nicht, denn obwohl die Musiker 100 Prozent geben, stellt das Publikum maximal 90 Prozent zur Verfügung. Mille Petrozza scheint trotzdem tief berührt und kündigt an gewohnter Stelle " The Return of the Kreator" an.
 

The KREATOR has returned. And he will return!


Tag 4:

Donnerstag – es ist wichtig den Wochentag im Auge zu haben, einwöchige Festivals haben sonst den Nachteil, die ureigene zeitliche Orientierung vollständig in Luft aufzulösen. In dieser sprichwörtlichen Luft findet sich leider keine zeitliche Orientierung, denn heute gibt es von der Früh weg einfach nur Regen und Regen. Dieser wird zeitweise unterbrochen von Regen mit einem Schuss Regen. Habe ich schon erwähnt, dass Regen auch in Slowenien nass ist? Jedenfalls ist unser ein wenig müdes Forschungs-Team nicht bereit, sich den Fluten auszuliefern und verbringt einen angenehmen Tag beim Grillen und Bier trinken. Auch Forscher haben mal etwas Ruhe verdient.
 

Ein Akademiker in typischer Pose an seinem freien Tag.


Tag 5:

Freitag. Eine unglaubliche Überraschung kündigt sich an. Es ist sonnig und Mister Putin höchstpersönlich soll nach Slowenien kommen, ob er Grind Core-Fan ist? Vielleicht haben ARKONA die Lage für ihn erkundet, wer weiß. Beim Flanieren durch die Stadt sind jedenfalls keine KGB-Agenten zu entdecken, aber die sollen ja meistens gut getarnt sein. Die vom vortäglichen Nichtstun erschöpften Wissenschaftler stolpern jedenfalls wieder zum Zentrum des Geschehens. Es ertönt schon beim Nähern das mächtige Knarzen eines Abbaths, doch es handelt sich nicht um Mr. Freeze himself, sondern um die Norweger EINHERJER. Es gibt nordischen Geschichtsunterricht und dieser ist auch ganz nett, aber nicht mehr. Interessierte Schüler finden sich nur wenige ein, vielleicht sind alle noch beim Schwimmen in der Soča? Auch Putin scheint sich nicht für norwegische Geschichte zu interessieren.
 

Drastischer Publikumsrückgang beim Geschichtsunterricht – EINHERJER.


Weiter geht’s mit GUTALAX auf der 2nd Stage. GUTALAX sind kein Abführmittel, sondern tschechische Klopapier-Fetischisten in Ganzkörper-Kondomen. Und sie scheinen mit ihrem Fetisch nicht alleine zu sein, vor der Bühne ist praktisch kein Platz mehr frei. Unsere Psychologen haben ihren Scheißhaus-Fetisch jedoch schon in diversen Therapie-Sitzungen überwunden und ziehen ihren persönlichen EXODUS zur Lemmy-Stage vor. Der EXODUS ist unvollständig, da Gary Holt momentan bei SLAYER die Gitarre würgt. Dafür ist Steve Souza wieder dabei, der den genialen Rob Dukes wieder ersetzt hat. Nach Meinung von Professor Critical ist auch das Fehlen des proletigen Ex-Fronters die Ursache, der die langweilige Stimmung vor der Bühne zu zollen ist. Doch mit dem vierten Song "Children of a Worthless God" wird die Stimmung besser und die obligatorischen Circle-Pits tauchen auf. EXODUS' klassischer Bay Area-Thrash ist wahrlich nicht schlecht, doch Pizza ist besser.
 

Klopapier wohin das Auge reicht – GUTALAX.
 

EXODUS mit neuem altem Fronter Steve Souza.
 

Jetzt fehlt nur mehr der krönende Abschluss des Festivals: BLIND GUARDIAN. Und die blinden Gardinen beginnen mit dem Opener ihres aktuellen Longplayers "Beyond the Red Mirror". Dem akademischen Forschungstross schwant Übles, die Publikumsstimmung ist untypisch emotionslos für ein Konzert der Krefelder, aber "The Ninth Wave" ist einfach zu drucklos für einen live-Opener. Vielleicht ist aber auch das Problem, dass hier noch kein Mensch mitsingen kann, denn das kollektive Mitsingen (von Musikkritikern eher als immerhin textsicheres Mitgrölen bezeichnet) funktioniert hier (noch) nicht. Doch dann folgt mit "Script for my Requiem" ein Klassiker und schwupp: das BLIND GUARDIAN-Feeling ist da. Und mit jedem Song wird die Stimmung besser, magischer – einfach guardiniger. Hansi Kürsch ist sensationell gut bei Stimme, die Gitarrenfraktion steht sowieso seit jeher außerhalb jeder Kritik und … das Konzert ist einfach viel zu schnell vorbei. Zugabe gibt es leider auch keine, es wurde zehn Minuten überzogen. Die Akademiker ziehen Richtung Appartement, immerhin müssen sie sich altersgerecht früh schlafen legen, um die Heimfahrt am nächsten Tag bewältigen zu können. Doch noch wird ein wenig gegrübelt. BLIND GUARDIAN war super, ihr Sound auch optimal eingestellt, trotzdem war die Stimmung nicht gewohnt hochgeschraubt. Dies galt eigentlich für den gesamten Freitag, fünf Tage Festival scheinen einfach eine kollektive Müdigkeit manifestieren zu lassen, die keine Band dieser Welt überwinden kann.
 

BLIND GUARDIAN – immer ein würdiger Abschluss.

 

Setlist BLIND GUARDIAN:

- The Ninth Wave
- The Script for My Requiem
- Nightfall
- Tanelorn (Into the Void)
- Prophecies
- The Last Candle
- Time What Is Time
- Lord of the Rings
- Time Stands Still (At the Iron Hill)
- The Holy Grail
- Imaginations From the Other Side
- War of Wrath / Into the Storm
- The Bard's Song (In the Forest)
- Mirror Mirror

 

Captain’s Fazit und Danksagung:

Wie versprochen, nur ganz kurz: das Metaldays ist eines der geilsten Metal Festivals in Europa. Wieso? Fahr einfach hin und finde selbst heraus, wieso fünf Tage Metal in einer traumhaften Landschaft mit umfangreichem Freizeitangebot und unglaublich netten Ureinwohnern so toll sind. Auch wenn das Line-Up heuer zu den subjektiv gefühlt schwächsten der Festival-Historie zählt, war es wieder ein toller Trip. Wer fährt denn primär wegen Bands auf ein Festival? Mal ganz ehrlich?

Der Sound war konstant von hoher Qualität, die Lautstärke ebenfalls immer optimal eingestellt. Nicht einmal dem KGB scheint viel Negatives aufgefallen zu sein. Die Organisation ist vielleicht nicht so straff wie bei den deutschen Festivals der gleichen Größe, aber wen schert das? Und die Qualität des Essens hat sich im Vergleich zum Metalcamp ordentlich verbessert (speziell die Pizza). Wer es trotzdem nicht mag, geht lächerliche zehn Minuten nach Tolmin und kann dort anderweitig den Gastrointestinaltrakt vergewohltätigen.

Anmerkung: Es liegt in der Natur der Sache, dass die hier wiedergegebene Meinung höchst subjektiv ist. Beschwerden daher bitte direkt an captain.critical@stormbringer.at oder an die Veranstalter des Metaldays 2016.

 

Ein kurzes Dankeschön an meine akademischen Kollegen (you know who you are), Stefi für den inhaltlichen Input und alle Kreaturen, die sich freiwillig und unfreiwillig bereit erklärt haben, ihre Konterfeis in fotografischer Form zur Verfügung zu stellen.


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