Interview: GEFRIERBRAND - Tom, Yannick & Säsch

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Bis zu einem gewissen Grad erlebt jeder jeden Tag Schlachten – und wenn es nur die Frage für sich selbst ist, ob man sich noch ein Bier bestellt, obwohl man eigentlich nach Hause sollte.

Die frostgebissenen Black-Forest-Metaller von GEFRIERBRAND im nicht ganz todernst gemeinten Gespräch über zerstückelte Hundewelpen, Crowdfunding, die Befreiung aus vereisten Schubladen, Krieg und ihr aktuelles Album "Weltenbrand".

Veröffentlicht am 27.02.2017

Hallo Leute, vielen Dank, dass ihr euch die Zeit für ein paar Fragen nehmt!

Yannick: Gerne, auch ein Dankeschön an euch an dieser Stelle.

Ihr habt GEFRIERBRAND vor ca. zehn Jahren als Spaßprojekt gestartet. Im Jahr 2011 habt ihr dann mit „Zeitensturm“ euer Debutalbum veröffentlicht und eine ganze Menge Gigs gespielt, unter anderem als Support für NACHTBLUT und EISREGEN sowie mit STAMMHEIM. Wann kam euch denn die Erkenntnis, dass sich das einstige Spaßprojekt zu etwas Eigenständigem entwickelt? Was bedeutete das dann überhaupt für eine Veränderung?

Yannick: An sich kam uns nie die Erkenntnis, dass aus einem Spaßprojekt ein ernsthaftes wird. Dieser Übergang geschah eher unbemerkt. Als die ersten Lieder mit einer großen Bandbesetzung entstanden (vorher bestand die Band aus drei Leuten: Tom, Thomas und meiner Wenigkeit), haben wir einfach dort angesetzt und weitergemacht.

Tom: STAMMHEIM hat dann übrigens doch nicht gespielt ... die sind abgehauen, als es ein bisschen geblitzt und gedonnert hat. Dafür waren wir dann die Headliner des Rockfire Festivals in Thüringen! War ’ne ziemlich gute Erfahrung! Zum Thema Veränderung: Jede Band macht das durch, ob gut oder schlecht ist jedem selbst überlassen. Für uns kam es, wie Yannick schon sagte, eher unbemerkt in der ersten Zeit. Als dann plötzlich aber immer mehr Interesse an uns als Band aufkam merkten wir: jetzt wird’s langsam ernst!

Mit EISREGEN scheint euch musikalisch immer noch eine ganze Menge zu verbinden. Ihr werdet deshalb aber auch häufig gleich in eine Schublade einsortiert. Nervt euch der Vergleich mittlerweile oder empfindet ihr das sogar als positiv?

Yannick: Weder noch. Von Anfang an war diese Band ein Verbindungsglied innerhalb von GEFRIERBRAND. Da lässt es sich auch nicht leugnen, dass man diesen Einfluss bei den ein oder anderen älteren Liedern von uns heraushören kann. Allerdings hat sich in der Zeit zwischen unseren beiden Alben und der vorhergehenden EP einiges getan. Mir würden musikalisch gesehen kaum noch Vergleiche zwischen EISREGEN und GEFRIERBRAND einfallen.

Tom: Naja, mit einer bekannteren Band verglichen zu werden, ist in erster Linie nie etwas Schlechtes. Es gibt viele Menschen, die EISREGEN hassen, aber uns ganz geil finden. Natürlich gibt es auch das Gegenteil! Ich empfinde sowas durchaus als positiv, man bleibt mehr im Gespräch als durch Können. Und DAS ist genau das, was Bands heutzutage brauchen, leider.

Säsch: Das kommt ganz drauf an, wen du fragst! Wir haben da tatsächlich unterschiedliche Meinungen, die auch noch stimmungsabhängig sind. Die größte Einschränkung, die ich da sehe, ist: wenn der Vergleich gezogen wird, bezieht sich das meistens nur auf die Stimme. Sicherlich ist das auch die offensichtlichste Parallele – aber es steckt ja viel mehr hinter der Musik. Neben dem Respekt vor dieser Band ist das zumindest für mich persönlich aber zunächst überhaupt nicht nervig. Warum auch? Natürlich versucht man immer, in irgendeiner Form etwas zu vergleichen. Das macht Dinge greifbarer, das kann komplizierte Dinge vereinfachen – aber wir haben nicht das Ziel, wie eine bestimmte Band zu klingen.

Habt ihr im Laufe eures Selbstfindungsprozesses als Band je darüber nachgedacht, etwas am Stil oder Bandnamen zu ändern, um dem zu entgehen und eure Eigenständigkeit auch nach außen zu verdeutlichen oder war das nie Thema?

Tom: Doch, war es! Es gab mal eine Zeit, in der zur Debatte stand, den Namen der Band in „Weltenbrand“ zu ändern. Aufgrund der zunehmenden regionalen Bekanntheit entschieden wir uns jedoch dagegen. Dafür hat ja der neue Silberling den Namen bekommen.

Säsch: Der Stil wandelt sich – bis zu einem gewissen Grad – ständig. Ich selbst bin nun seit fast vier Jahren an Bord und die einzelnen Songs haben recht unterschiedliche Schwerpunkte. Den Bandnamen zu ändern wäre für mich keine Option. Warum auch? Ein Riesenvorteil an einem so abwegigen Namen ist: er bleibt im Gedächtnis! Bei meinem Nachnamen kenne ich das nur allzu gut.

Yannick: Stand für mich persönlich auch nie zur Debatte. GEFRIERBRAND!

Foto: Katharina Goermann

Foto: Katharina Goermann

Um noch einmal auf die Schublade zurückzukommen: auf einem Plakat ist eure aktuelle zu lesen: „Melodic Dark / Black Forest Metal“ – euren Humor habt ihr wohl glücklicherweise noch nicht verloren – der kommt überall in eurem Schaffen durch. Gibt es eigentlich Themen, über die ihr nicht lachen könnt, oder seid ihr da schmerzbefreit?

Tom: Naja, kleine Hundewelpen zu zerstückeln würde uns jetzt nicht vor Lachen Bauchschmerzen bereiten. Gewalt an Kindern ist auch kein schönes Thema!

Säsch: Für mich: klares Nein! Humor, auch über die dunkelsten Aspekte des (Ab-)Lebens in allen Facetten, ist eine der wichtigsten Möglichkeiten, mit genau diesen Themen fertig zu werden. Es ist natürlich ein Unterschied: lache ich direkt über die Situation oder über einen Witz dazu? Sicher würde ich keinen morbiden Witz während einer Beerdigung vom Stapel lassen. Und eine verstörende Situation mitzuerleben oder mitanzusehen, ist wohl auch nur selten komisch. Aber im direkten Einfluss eines tragischen Ereignisses über dieses Thema oder einen Witz darüber zu lachen? Verdammt, Ja! Humor/Satire darf, kann und soll alles. Manchmal ist das das einzige, was bleibt.

Euer zweites und aktuelles Album „Weltenbrand“ ist ein Werk geworden, bei dem man durchaus merkt, dass ihr euch einiges an Gedanken gemacht habt. Wenn ich das richtig interpretiere, dann ist „Weltenbrand“ eine Art Konzeptalbum mit Bezügen zu Kriegsereignissen und eurer Heimatstadt Pforzheim („Goldstadt“). Erzählt doch mal ein wenig mehr darüber. Wie ist es dazu gekommen und was waren die Überlegungen dazu?

Säsch: So kann man es natürlich sehen! Einen direkten, ausgesprochenen Bezug zu Pforzheim gibt es für mich aber eigentlich nur im von dir genannten „Goldstadt“. Auch hier steht aber wiederum der Aspekt der Zerstörung und Verzweiflung im Vordergrund. Weiters können Kämpfe und Schlachten natürlich ebenso auch metaphorisch gemeint sein (oder so verstanden werden!). Bis zu einem gewissen Grad erlebt jeder jeden Tag Schlachten – und wenn es nur die Frage für sich selbst ist, ob man sich noch ein Bier bestellt, obwohl man eigentlich nach Hause sollte. „Last Call“ fällt für mich thematisch am deutlichsten aus der Reihe. Abgesehen davon, dass dies das erste englischsprachige Lied der Band überhaupt ist: Hier geht es ausschließlich um einen Kampf mit sich selbst – und die Hommage an einen Film.

Die Brutalität von Krieg und Zerstörung passt thematisch natürlich gut zu brutaler Musik und als Bonus gibt es den gratis Gruselfaktor echter Ereignisse. Mal abgesehen davon, ist es euch irgendwie wichtig, an solche Ereignisse zu erinnern? Seht ihr einen Bezug zur Gegenwart?

Yannick: Rundfunk und Fernsehen geben es ja schon vor. Manchmal kommt es einem so vor, als würde sich alles wiederholen.

Säsch: Die Bezüge auf Kriege, Schlachten und Gewalt sind natürlich deutlich und nicht die neuste Thematik, gerade in unserem Bereich. So alt wie die Menschheit selbst ist das Verlangen, sich gegenseitig umzubringen. Was sich ändert, sind lediglich die Mittel, die wir verwenden. Und manchmal vielleicht auch das Motiv. Aber: wer führt Kriege wirklich aus reiner Uneigennützigkeit? Und selbst wenn das vorgeschobene Motiv „ehrbar“ ist, beispielsweise ein unterdrücktes Land befreit werden soll … gibt es nicht immer noch ein weiteres Motiv? Oder ist nicht zumindest das Motiv der Unterdrückung, die dies provoziert hat, allein auf das menschliche Verhalten zurückzuführen? Das alles ist heute keinen Deut besser als zu grauer Vorzeit. Und daher: klar! Das hat auch einen aktuellen Bezug. Die Erinnerung an die Vergangenheit geht dabei dann Hand in Hand mit dem Spiegel-Vorhalten. Und hier sei wiederum ein (gekürztes) Filmzitat eingebracht: „Der einzige Weg zu überleben ist die Ausbreitung auf ein anderes Gebiet, wie ein Virus. Der Mensch ist eine Krankheit! Das Geschwür dieses Planeten! Ihr seid wie die Pest...“

Ihr habt die Produktion von „Weltenbrand“ durch Crowdfunding finanziert. Wurde das gut angenommen von euren Fans oder habt ihr euch mehr erhofft? Könnt ihr euch vorstellen, warum das nicht viel mehr Bands nutzen?

Säsch: Tatsächlich hatte ich anfangs ein wenig Zweifel, ob wir das Ziel erreichen. Wir haben aber schnell gemerkt, dass wir auch dafür einen starken Rückhalt in unserer Fanbase haben (auch hier nochmal: Danke an jeden Supporter!). Ich glaube, viele Bands wollen ihre Unabhängigkeit bewahren – und vielleicht ist je nach Größe auch ein Funken Angst mit dabei? Der organisatorische Aufwand vor, während und nach einer solchen Aktion ist im Übrigen auch nicht zu unterschätzen.

Die Kneipentour mit euch durch Pforzheim für 100 € hat sich keiner der Sponsoren zugetraut – vielleicht müsst ihr nächstes Mal exotischere Dinge anbieten...

Säsch: Wir hatten tatsächlich noch relativ viele andere Möglichkeiten im Gespräch. Im Endeffekt mussten wir aber oft abwägen: „Macht das denn Sinn?“ – „Wer würde denn sowas wollen?“ – „Ist das nicht zu schmutzig?“ Ich denke bei sowas pragmatisch – „Würde ICH dieses ‚Dankeschön‘ denn wollen? Könnte ich es gebrauchen?“ Einige „Dankeschöns“ wurden auch direkt von Fans vorgeschlagen und nachträglich eingefügt – das ist immer noch die beste Quelle.

Die Konzerte gehen weiter, bald seid ihr unterwegs auf eurer ersten Europatour. Wie läuft es bisher? Gab es bereits Katastrophen oder epische Ereignisse? Habt ihr euch vorher Gedanken gemacht, ob eure Musik auch ohne Textverständnis wirkt?

Tom: Katastrophen ... ich übergebe an Säsch, der ist taktvoller!

Säsch: Die eigentliche Tour startet erst am 23.2. in Mailand. Ja, die Gedanken haben wir uns gemacht – allerdings auch nicht sehr lange. Wir stehen voll hinter der Musik und der Atmosphäre, die wir live erschaffen. Unser Ziel ist damit möglichst viele Fans dazu zu bewegen, sich eine CD zu schnappen, ins Booklet zu schauen und zu versuchen, an Übersetzungen zu kommen. Die Planung im Vorfeld hat uns dagegen einige Mühe und Nerven gekostet.

Am 25. März 2017 kommt ihr ja auch in Wien vorbei. Was steht bei euch dieses Jahr sonst noch an? Welche Pläne/Ziele wollt ihr noch umsetzen/erreichen?

Tom: Das stimmt, am 25. März sind wir im Escape in Wien zu Gast und spielen endlich wieder in dieser schönen Stadt! Mit dabei sind „IGNIPES“ und „IN CHAOS“ aus Österreich!

Säsch: Im Moment ist das Thema „Tour“ das vorherrschende Thema schlechthin und beschäftigt uns quasi Tag und Nacht. Daher gibt es momentan noch keinen ausgeklügelten Masterplan, aber die Marschrichtung ist klar: noch im Frühjahr drehen wir unser erstes richtiges Musikvideo und über das weitere Jahr gibt es so viele Gigs wie irgendwie möglich!

Herzlichen Dank! Ich bin dann schon gespannt aufs Video, wünsche euch noch jede Menge Spaß und Erfolg auf der Tour und überlasse euch das letzte Wort:

Säsch: Danke dir für die Fragen und die Zeit! Hört Euch unser Album an – kostenlos bei vielen Anbietern (z.B. bei Spotify) oder natürlich gerne auch direkt über uns (Gefrierbrand Website). In Wien vor ausverkaufter Halle zu spielen wäre natürlich ein Traum – also packt eure sieben Sachen und feiert mit uns!
 

Und wenn ihr schon da seid, lest doch direkt das Stormbringer-Review zu "Weltenbrand"!
 


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