Interview: NAILED TO OBSCURITY - Jan-Ole Lamberti und Raimund Ennenga

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Irgendwie konnten wir uns nicht mit dem Gedanken anfreunden, wieder ins gleiche Studio zurückzugehen, unabhängig davon, wie gut es dort war. Wir wollten gerne diese neue Erfahrung machen, wollten nicht schon vorher ganz genau wissen, welches Ergebnis uns am Ende erwartet.

"King Delusion" ist ein echtes Death-Doom-Highlight und da war es quasi Pflicht, die dafür verantwortliche Band NAILED TO OBSCURITY ausführlich zu Wort kommen zu lassen. Über Texte, Produktion, Livepläne uvm..

Veröffentlicht am 30.01.2017
Stormbringer.at: Servus erstmal nach Niedersachsen. Alles gut bei euch? Erstmal bedanke ich mich für die Zeit, die ihr für diese kleine Fragerunde aufbringt und fange mal mit der Bitte an, euch kurz unseren Lesern vorzustellen.
 
Raimund: Auch von unserer Seite Danke für dein Interesse. Für uns fühlt sich das Ganze gerade etwas surreal an, weil wir gefühlt erst gerade aus dem Studio kommen und nun noch mit den frischen Erinnerungen und Eindrücken darüber berichten können.
Nailed To Obscurity gibt es bereits seit 2005, aber die aktuelle Besetzung mit mir am Mikro kam 2012 zustande. Ich kannte die Jungs schon damals recht lange durch gemeinsame Auftritte mit meiner anderen Band Burial Vault. Nachdem sie sich von ihrem alten Sänger getrennt haben, hatten sie mich gefragt und ich musste nicht lange überlegen. Der Stil der Band war schon damals genau das, was ich suchte: ein schönes Ventil für melancholische Gedanken, aber eben auch unterdrückte Ängste und Aggression. Nach dem Release unseres ‘gemeinsamen Debüts’ “Opaque” (dem zweiten Album der Band) haben wir zahlreiche Auftritte gespielt, von denen wohl das Wacken, das Summer Breeze und die gemeinsamen Shows mit Arch Enemy und Paradise Lost als Highlights zu nennen sind. Dabei sind wir als Band auch menschlich extrem zusammengewachsen, was man als Zuschauer, glaube ich, auch bei unseren Shows merkt. Naja, und nun stehen wir vor dem Release von “King Delusion” und freuen uns auf deine Fragen :)
 
Stormbringer.at: Wie ist die Gefühlslage, nachdem euer neues Album "King Delusion" nun im Kasten ist und gibt's schon erste Reaktionen?
 
Ole: Das Songwriting selbst ist für uns wirklich immer ein großer Kraftakt, aber wenn man dann nach so viel Arbeit und Mühen endlich am Ziel angelangt ist und das fertige Album in den Händen hält, dann ist das schon ein sehr besonderes Gefühl. Und wenn dann so nach und nach die ersten Reaktionen eintrudeln und diese überweg sehr positiv sind, dann ist das natürlich noch viel besser :)  Bisher war die Resonanz wirklich super und wir hoffen, dass es da jetzt so weitergeht und sich unsere harte Arbeit ausgezahlt hat. Mit der Musik selbst sind wir aber so oder so zufrieden und glücklich.
 
Stormbringer.at: Um direkt mal meinen Eindruck von "King Delusion" zu schildern: Ich bin mal wieder, also wie schon bei "Opaque", ziemlich beeindruckt. Ihr werdet mit vielen Genregrößen wie früheren OPETH und KATATONIA beispielsweise in einen Topf geworfen, schafft es meiner Meinung nach aber trotzdem, ein eigenes Gesicht für eure Musik zu formen. Besonders die Art, wie die Melodien eingeflochten, bzw. die Atmosphäre erzeugt werden und das Schlagzeugspiel gefallen mir persönlich richtig gut, wobei man euch damit vielleicht auch ein wenig Unrecht tut, weil das Gesamtpaket einfach rundum stimmig ist. Lasst ihr euch von solchen Vergleichen eigentlich unter Druck setzen, oder spornt euch das an? Wen würdet ihr als eure Einflüsse zitieren und was ist euer Hauptaugenmerk beim Komponieren eines neuen Albums?
 
Ole: Das freut uns natürlich sehr, dass dir das Album gefällt! Unter Druck setzt es uns eigentlich gar nicht, wenn wir mit solchen Bands verglichen werden. Natürlich sind das große Einflüsse von uns und daraus machen wir gar kein großes Geheimnis. Wir sind überzeugt davon, dass wir dennoch einen recht eigenen Sound haben und da sehen wir so einen Vergleich dann eher positiv. Stören würde es uns allerdings, wenn wir als schlechterer Abklatsch dieser Bands bezeichnet würden, aber das ist bisher noch nicht vorgekommen und würde in meinen Augen auch gar nicht zutreffen. Vielmehr setzen wir uns eigentlich selbst unter Druck. Wenn man ein Album fertig hat, dann stresst einen der Gedanke an das nächste Album wirklich sehr, weil man zunächst erst einmal nicht weiß, wie man das nochmal schaffen oder sogar toppen soll… Unser Hauptaugenmerk liegt beim Songwriting ganz simpel darauf, gute Songs zu schreiben, die uns selbst als Hörer zu 100% zu überzeugen. Dabei achten wir immer darauf, dass wir uns nicht wiederholen, trotzdem unsere “Trademarks” beibehalten und auch immer wieder mal etwas Neues ausprobieren. Eine stetige, logische Weiterentwicklung ist uns auf jeden Fall wichtig.
 
Uns beeinflusst eigentlich alles, was wir uns so anhören und das ist sehr viel und breit gefächert. Nicht alle Einflüsse sind so offensichtlich, wie die oben genannten. Wir finden auch oft Inspiration in Musik, die mit unserer eigenen kaum etwas zu tun hat.
 
Stormbringer.at: Was zu dem erwähnten, rundum stimmigen Gesamtpaket beiträgt, ist meinem Eindruck nach definitiv auch das Soundgewand, das euch dieses Mal Victor Bullok von Dark Fortress und Triptykon zurechtgeschneidert hat. Ich möchte jenes von Lasse Lammert auf dem Vorgänger nicht schwachreden, aber die Woodshed Studios sind schon ein Garant für moderne, wuchtige und klare, aber dennoch auch kantige Produktionen, die wunderbar organisch klingen und jedem Instrument genügend Raum geben. Was sind denn eure Beweggründe für diesen Wechsel und wie zufrieden seid ihr mit der Arbeit von V. Santura? Hatte er auch Einfluss auf das Songwriting?
 
Ole: Also der erste und ausschlaggebende Grund war eigentlich, dass wir das Gefühl hatten, wir müssten mit diesem Album wieder etwas Neues ausprobieren. Irgendwie konnten wir uns nicht mit dem Gedanken anfreunden, wieder ins gleiche Studio zurückzugehen, unabhängig davon, wie gut es dort war. Wir wollten gerne diese neue Erfahrung machen, wollten nicht schon vorher ganz genau wissen, welches Ergebnis uns am Ende erwartet. Außerdem sind wir alle riesige Fans von Victors Produktionen und uns war auch klar, dass er unserer Musik sehr gut verstehen würde. Irgendwie hatten wir das Gefühl, dass das super passen würde und das hat sich dann am Ende auch bewahrheitet. Dementsprechend sind wir extrem zufrieden. Die Aufnahmen haben einfach nur Spaß gemacht, die Atmosphäre war sehr entspannt und Victor hat aus jedem von uns mit seiner angenehmen Art das Beste herausgeholt. Beim Mix hatten wir so gut wie nichts zu bemängeln, weil er einfach alles so umgesetzt hat, wie wir es uns vorgestellt hatten. Entspannter hätte es wirklich nicht laufen können.
Den größten Einfluss hatte Victor auf den Sound. Die Arrangements der Songs haben wir im Studio nicht mehr verändert, aber bei einigen Melodien hat Victor noch Änderungen vorgeschlagen, die wir mit ihm zusammen ausgearbeitet haben. Das waren nur ganz wenige Stellen, aber auch wenn es nur 1-2 Töne waren, hatten diese Änderungen einen riesigen Effekt.
 
Stormbringer.at: Das Album handelt lyrisch von der verzerrten Wahrnehmung des eigenen Ichs und wie man sich darin verlieren kann. Das geschieht auf einer Ebene, die dem Hörer zwar schon diverse Abgründe offenbart, das aber nicht durch zu trostlose Phrasen, sondern eher durch eine nachdenkliche Art erreicht. Dass die Texte ein wichtiger Eckpfeiler eurer Kunst sind, muss man vermutlich nicht explizit erwähnen, aber woraus zieht ihr eure Inspiration dafür?
 
Raimund: Danke zunächst für das Kompliment. Es freut mich sehr zu hören, dass du bei den Texten die Komponente Nachdenklichkeit ansprichst. Mir ist es bei den Texten nicht wichtig, dass sie nur niederschmetternd deprimierend sind oder ähnliches. Es geht vielmehr darum, dass Gedanken freigesetzt werden, wie die Rolle im eigenen Leben und dem Leben seiner Mitmenschen in Einklang zu bringen sind, ohne sich selbst zu verlieren. So plakativ, einfach, ja vielleicht sogar abgedroschen das auch klingen mag, letztlich ist das Leben selbst die größte Inspiration. Ich selbst bin ein sehr nachdenklicher, melancholischer Mensch, der sich sehr viele Gedanken um bestimmte Begegnungen oder Situationen macht. Dies versuche ich dann in eher bildhafte Metaphern, manchmal auch kleine Geschichten zu verpacken.
“Kind Delusion” mal als exemplarisches Beispiel soll das Gefühl symbolisieren, dem man verfällt, wenn man sich in einem Ohnmachtszustand oder in Rage selbst verliert und sich einem negativen Gefühl voll und ganz hingibt. Im Nachhinein betrachtet, hat man häufig das Gefühl das eben dieser “Ausbruch” oder das Gesagte gar nicht zu der eigenen Person gehören; als sei man einem altertümlichen König unterworfen, der mit eiserner Faust regiert. Obwohl er selbst missgeleitet ist, muss ihm sein Volk bedingungslos gehorchen. Genauso sehe ich auch diesen Zustand: Der Herr der Lage ist jemand anderes.
 
Stormbringer.at: Ein weiterer Baustein im Konstrukt "King Delusion" war sicherlich auch Santiago Caruso, der das Artwork dafür angefertigt hat. Ich muss zugeben, dass ich, trotz dessen dass ich mich eigentlich recht viel mit Artworks bzw. verschiedensten Künstlern beschäftige, bislang eigentlich nur das famose Cover zum October Falls Album "The Plague Of A Coming Age" kannte, aus dem man aber schon ein bisschen ableiten kann, warum die Wahl auf ihn gefallen sein könnte. Ihm gelingt definitiv das Kunststück, dem Albumtitel und den Thematiken eine visuelle Analogie zu verleihen. Zunächst einmal die Frage: Wie nah ist er eurer Meinung nach der Vision des Albums gekommen? Und wie ist überhaupt die Wahl auf ihn gefallen, bzw. was waren eure Beweggründe dabei?
 
Ole: Wir kannten ihn vorher auch nicht, aber irgendwie bin ich auf der Suche anch Artworkern auf ihn gestoßen. Zuerst hatte ich nur gesehen, dass es sich um einen argentinischen Künstler handelt und da ich einen Hang zu Argentinien habe, hat mich das neugierig gemacht und ich habe mich mit seinen bisherigen Arbeiten beschäftigt. Da war mir dann irgendwann einfach klar, dass das funktionieren würde, weil eigentlich alles von ihm stilistisch gepasst hätte.
 
Stormbringer.at: Wie kam dann der letztlich Kontakt zu ihm zustande und lief dann anschlieflend auch alles reibungslos?
 
Ole: Wir haben ihn einfach mal angeschrieben und gefragt, ob er Lust hätte, unser Artwork zu malen. Wir haben ihm dann instrumentale Demoaufnahmen des Albums und die Lyrics für das Album geschickt und er war sofort Feuer und Flamme und hatte direkt Ideen, die er uns dann direkt vorstellte. Abgesehen von einigen Kleinigkeiten, die wir daraufhin mit ihm besprochen hatten, hat er seine Idee einfach umgesetzt und dabei ist nicht nur ein sehr passendes und, wie wir finden, richtig geiles Cover entstanden, sondern ebenso 6 weitere Gemälde, die im Album zu finden sein werden.
 
Raimund: Ich kann an dieser Stelle auch nur nochmal betonen, dass er die textliche Vision und die Atmosphäre der Instrumentale mit seinen Entwürfen perfekt eingefangen hat. Wir sind immer noch beeindruckt, wie gut letztlich das Artwork zu dem Album passt.
 
Stormbringer.at: Zwischen eurem Debütalbum "Abyss" und dem oben erwähnten "Opaque" sind seinerzeit sechs Jahre vergangen, von "Opaque" zu "King Delusion" nur drei Jahre. Ich bin zwar sowieso ein Jünger der "It's done when it's done"-Fraktion, würde aber trotzdem gerne mal fragen, inwiefern sich die beiden Phasen zwischen den Alben unterscheiden, bzw. wie ihr die unterschiedlich langen Prozesse zu "Opaque" und eben "King Delusion" in Erinnerung habt.
 
Ole: Der Entstehungsprozess von “Opaque” war wirklich anstrengend und geprägt von vielen negativen Ereignissen, folgenschweren Fehlern und unangenehmen Entscheidungen. All das zusammen hat dann dazu geführt, dass wir ganze 6 Jahre gebraucht haben. Wir waren zwar wirklich langsam, was das Songwriting anging, aber das lag auch daran, dass wir uns teilweise uneinig waren, in welche Richtung wir gehen wollten, etc. Wir waren 2010 dann so weit, dass wir aufnehmen konnten, aber Texte gab es noch keine. Wir begannen trotzdem und hatten danach super Schlagzeugaufnahmen im Kasten. Danach ging dann eigentlich alles schief. Wir entschieden uns für den falschen Produzenten und die Gitarrenaufnahmen und der erste Mix des Albums waren eigentlich unbrauchbar. Auf den finalen Mix mussten mehr als ein halbes Jahr warten, um dann festzustellen, dass alles umsonst war… Naja, zahlen mussten wir trotzdem und das warf uns natürlich finanziell zurück. Die Gesangsaufnahmen mussten wir außerdem verschieben, weil die Texte auch nach so langer Zeit nicht komplett fertig waren und als sie dann letztlich aufgenommen waren, hat man gehört, wie unvorbereitet alles war. Das hat dann letztendlich zu persönlichen Konflikten geführt und so endete alles damit, dass wir uns entschieden alles neu aufzunehmen (außer das Schlagzeug von 2010) und zwar mit einem neuen Sänger. Da kam dann Raimund ins Spiel und wir begannen direkt mit dem Schreiben neuer Texte für das Album. Das Ganze kostete wieder ein ganzes Jahr und so waren dann plötzlich 6 Jahre verstrichen.
Bei “King Delusion” war der ganze Enstehungsprozess komplett anders. Wir hatten viel klarere Ideen für das Album und auch einzelne Songs, waren viel fokussierter, was das Songwriting angeht. Wir hatten auch aus unseren Fehlern gelernt und wussten nun genau, wie wir die ganze Sache angehen wollten und das hat reibungslos geklappt. Der einzige Grund, weshalb wir trotzdem relativ lang gebraucht haben, ist der, dass wir relativ verstreut wohnen und nur an Wochenenden proben können. Beim Songwriting müssen wir zusammen in einem Raum sitzen und zusammen aktiv an den Songs arbeiten. Bei uns gibt es niemanden, der alle Songs mit Guitar Pro am Rechner schreibt, sondern wir sind alle am Songwriting beteiligt. Es läuft aber immer so, dass Volker und ich die Grundgerüste vorlegen und die rohen Songs dann zum Ausarbeiten mit in den Proberaum bringen. Aber auch dafür setzen wir beide uns zusammen. Da fliegt die Zeit dann nur so an einem vorbei und plötzlich sind schon wieder 3 Jahre um.
Und wir sehen das ganz genau wie du: Wir wollen nicht veröffentlichen, von dem wir nicht zu 100% überzeugt sind. Da spielt Zeit dann auch keine Rolle.
 
Raimund: Für mich persönlich ist der wesentlichste Unterschied eben der, dass ich diesmal von Anfang an dabei war und mein Input beim Arrangieren auch gewünscht war. Auch wenn ich dabei eher zurückhaltend bin, so hat man doch viel mehr eine Banddynamik gefühlt, zu der man gehört. Ein weiterer angenehmer Fakt war der, dass ich nun deutlich mehr Zeit für die Texte hatte. Die finalen Fassungen sind zwar alle in diesem Jahr entstanden, aber ich konnte Ideen sammeln und mich nachdem die groben Arrangements standen, von mir selbst inspirieren lassen und Ideen gezielt bei Songs verwenden, bei denen ich das Gefühl hatte, dass die eine oder andere Idee sehr gut zu der Stimmung des Songs passen könnte.
 
Stormbringer.at: Neues Album heißt meistens auch Tour. Wann sehen wir euch nächstes Jahr, oder: gibt es abgesehen vom Gig beim belgischen Darken The Moon Festival überhaupt schon konkrete Pläne? Summer Breeze wäre doch mal wieder eine feine Sache, oder nicht? :)
 
Ole: Pläne gibt es viele und auch sehr gute, aber leider können wir noch nicht abschätzen, was davon alles klappen wird. Natürlich sind da auch Festivals dabei, aber auch Ideen für bestimmte Touren, etc. Aber es wird sich zeigen, was davon dann tatsächlich alles klappen wird.
 
Stormbringer.at: Ich wäre dann mit meinen Fragen schon am Ende angelangt und möchte mich hiermit nochmal aufrichtig für eure Zeit bedanken. Ich hoffe, dass euer Album auch bei anderen Hörern seinen berechtigten Anklang finden wird und überlasse euch an dieser Stelle die letzten Worte.
 
Raimund: Wir freuen uns auf den Release von “King Delusion” und hoffen, dass es den Hörern genauso gut gefällt wie uns. Außerdem hoffen wir, dass wir bei den Shows in 2017 viele neue und alte Bekannte treffen werden. Danke nochmals an dich Pascal für dieses Interview.

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