Interview: VOLBEAT - Michael Poulsen

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Aber definitiv kein Radio. Ich hasse Radio.

VOLBEAT finden ganz einfache Alben ziemlich langweilig. Viel lieber mischen sie verschiedene Genres, Stile und Inspirationen zusammen. Sänger Michael Poulsen erzählt was passiert, wenn Rock’n’Roll auf Metal trifft. Und auf Banjos. Und auf Dudelsäcke. Und auf Gospelchöre. Und auf Johan Olsen.

Text: Lora
Veröffentlicht am 27.10.2016

Michael, ihr seid wieder auf Tour, wart ihr gut vorbereitet?

Vor der Tour nicht wirklich. Aber zehn Minuten bevor es auf die Bühne geht – da bin ich fertig! Wir haben schon so viele Show gespielt und sind erst von einer Tour in den USA zurückgekommen. Da hat es wirklich mal gut getan, so zwei oder zweieinhalb Wochen zu Hause zu sein. Deshalb haben wir davor noch nicht so viel über die Tour nachgedacht. Aber zehn Minuten vor Stagetime bin ich dann immer bereit.

Euer neues Album kam im Juni raus, seid ihr bisher zufrieden damit?

Oh ja! Wir sind nicht nur zufrieden, sondern auch total stolz und überrascht. Heutzutage sind die Leute sehr verwöhnt, denn das ist alles nicht mehr so langsam wie früher. Die Leute können ihre Lieblingsbands eigentlich ständig sehen und finden permanent Neues von ihnen im Internet. In der Musikbranche ist das alles sehr schnell geworden und man kann nichts mehr als selbstverständlich hinnehmen, vor allem nicht Erfolg. Aber die Reaktion auf unser neues Album war so beeindruckend. Wir haben noch nie ein Album in so kurzer Zeit so oft verkauft. Das ist so verrückt – wir bekommen immer noch Gold und Platin! Es war und ist in hohen Positionen der Radio Charts, das ist so super! Die Fans haben es wirklich gut aufgenommen, auch wenn da einige sind, denen unsere alten Sachen besser gefallen haben. Aber das finden wir total ok, denn das zeigt uns, dass jedes VOLBEAT-Album einen eigenen Charakter hat, da muss nicht jeder das gleiche Album mögen. Aber bis jetzt hat uns die Reaktion total gefreut und wir können wirklich stolz drauf sein.

Also ihr hattet gar keine Erwartungen, wie es ankommen wird?

Ich persönlich erwarte da gar nichts. Ich weiß, auf welchem Level wir spielen, wie viele Alben wir verkaufen, welche Show wir spielen, aber heutzutage kann man wirklich nichts erwarten. Die Leute haben so viele Möglichkeiten Shows zu sehen und im Internet an Infos zu kommen – das passiert alles unglaublich schnell. Aber genauso schnell können sie auch davon gelangweilt werden. Was gestern noch ihre Lieblingsband war, hören sie heute schon gar nicht mehr und morgen haben sie eine andere Lieblingsband. Wir als VOLBEAT haben von Anfang an versucht uns nicht so übermäßig oft zu präsentieren. Ja, wir sind viel unterwegs, spielen viele Konzerte und veröffentlichen Alben. Aber wir sind keine Band, die konstant in sozialen Netzwerken vertreten sein muss. Wir bekommen immer wieder TV-Angebote, die wir aber ablehnen, denn wir möchten für die Leute interessant bleiben. Und das gelingt eben nur, wenn man sie nicht ständig mit Infos überflutet und damit irgendwann langweilt. Leider gibt es immer noch so viele Bands und Künstler, die das ganz anders sehen und permanent gesehen und gehört werden möchten. Ich finde, dass die einfach nicht verstehen, dass man Fans damit müde macht und diese ihr Interesse verlieren. Wir konzentrieren uns da lieber wirklich auf die Musik. Das klingt ziemlich oldschool, aber im Grunde ist es das, was wir machen möchten: Musik, Konzerte und Alben. Wenn wir dann ein Album veröffentlichen sind wir immer davon überrascht, wie viele Leute wir damit dazugewonnen haben – das macht uns glücklich.

Kurz nachdem das Album rauskam habt ihr damit Gold unter anderem in Dänemark und in Österreich gewonnen. Mittlerweile habt ihr auch Platin in Österreich bekommen – wie fühlt sich das an zu sehen, wie gut die Band in diesen Ländern ankommt?

Ja, das ist beeindruckend! Wir haben mehrmals Gold und Platin damit gewonnen und vor allem, dass wir Gold und Platin in Österreich bekommen haben, ist Wahnsinn! Im Musikbusiness geht’s immer auf und ab und ich muss zugeben, wir haben eine Zeit lang gebraucht, bis wir in Österreich wirklich präsent waren. Aber jetzt kommen wir in Österreich besser an als je zuvor, da sind wir richtig stolz drauf und wir schätzen das sehr hoch, wie uns die Fans in Österreich aufnehmen. Wir freuen uns definitiv schon total auf die Shows, die wir bei euch spielen. Wir spielen wirklich gern in Österreich, die Leute waren bisher immer super drauf. Jetzt können wir auf die Bühne gehen und den Fans dafür danken, uns so unterstützt zu haben, dass wir mittlerweile Platin in Österreich bekommen haben!

Kurz bevor ihr ins Studio seid wart ihr vermutlich nicht ganz so euphorisch – Anders Kjolholm hat die Band verlassen. Wie war das für dich ihn gehen zu lassen, obwohl er ja von Anfang an dabei war?

Es war ok – es ist halt so gekommen. Anders war in dem Sinn kein Gründungsmitglied. Jon Larsen und ich haben die Band gestartet, ich hab damals Jon angerufen, weil ich ein paar gute Songs geschrieben hatte. Wir haben das dann probiert, sind in den Proberaum und haben das mal versucht. Das waren die zehn Songs, die auf unserer ersten Demo waren. Wir hatten eine wirklich gute Zeit als wir das aufgenommen haben. Später haben wir dann Anders gefragt, ob er Bass spielen wolle. Später kam dann noch unser erster Gitarrist Teddy Vang dazu. Aber ja, seit wir live spielen war Anders mit dabei. Das war eine lange und wirklich gute Zeit. Wir sind schon lange befreundet und sind das auch weiterhin. Aber Zeit vergeht nun mal, Leute werden älter, man wird mit neuen Interessen und Einflüssen konfrontiert – man verändert sich einfach irgendwie. Und so eine Band ist wie eine Ehe oder zumindest eine Beziehung. Man glaubt, dass man für immer zusammen ist, nur funktioniert das dann doch nicht immer. Dann muss man sich einfach irgendwann trennen und seinen eigenen Weg gehen. Mit Anders war das auch so, wir haben uns zusammengesetzt und darüber gesprochen, über die Vergangenheit und die Zukunft. Aber am Ende haben wir festgestellt, dass es das Beste ist, ohne Anders weiterzumachen, damit er bei seiner Frau und seinen Kindern sein kann. Da gab es kein Drama. Jetzt haben wir Kaspar Boye Larsen in der Band, den kenne ich schon seit ich 18 bin. Also er ist nicht wirklich so neu bei uns. Er war sogar der erste am Bass, der mit VOLBEAT auf der ersten Europa-Tour war, weil Anders damals nicht dabei sein konnte. Das heißt, dass die Leute, die VOLBEAT zum ersten Mal in Europa gesehen haben, die Band mit Kasper gesehen haben. Er ist ein alter Bekannter, der wieder zurückgekommen ist.

Das heißt, es war für euch ganz unkompliziert Kasper in die Band zu integrieren?

Ja, das war total unkompliziert. Ich kenn ihn echt schon lange. Er war viel im Underground unterwegs, hatte selbst einige Bands mit denen er auf Tour war. Er hat in der Zeit viele kleine Shows gespielt und steht total hinter dem, was er macht. Er glaubt immer an sich und ist sehr verbunden mit seiner Musik und dem Touren. Er hat viel Rückhalt von daheim, ist erst Papa geworden – ein total bodenständiger Typ eben. Er weiß was zählt, schätzt was er hat und ist dennoch sehr bescheiden. Es ist wirklich eine Bereicherung für uns, ihn in der Band zu haben. Ich habe ihn und seine Bands schon immer unterstützt, habe sie mit auf Tour genommen, was immer total problemlos war.

Ich glaube aber auch, dass sich bei dir auch beim Songwriting etwas getan hat, oder?

Ja, ich bin erst umgezogen, raus aus Kopenhagen, zurück aufs Land. Also dahin, wo ich ursprünglich herkomme. Ich hab ein Haus gekauft, ziemlich abgelegen, meine einzigen Nachbarn sind Pferde, Kühe und Ziegen und es ist wirklich ruhig hier. Also habe ich mir einfach die Zeit und Ruhe genommen, das Album zu schreiben, das ich schon lange schreiben wollte. Bei den Songs, die es aufs Album geschrieben haben, habe ich mir immer gewünscht die Zeit zu haben, sie zu schreiben. Am Ende hatte ich so viel Material, dass ich so um die 25 Songs aussortieren musste, davon sind einige wieder im Papierkorb gelandet, andere kommen vielleicht auf unser nächstes Album. Aber ich glaube, dass das Album mehr ist als nur ein Rock-Album. Alleine schon wegen den Metal- und Punk-Einflüssen. Ich finde, dass das bisher unser stärkstes Album ist, weil es in meinen Augen die größten Songs hat, die ich jemals geschrieben habe. Exakt so ein Album wollte ich schon schreiben, seit ich versucht habe, das erste Album zu schreiben. Aber das ist auch einfach so ein Prozess, den hat man nicht nur als Songwriter, sondern zum Beispiel auch als Gitarrist. Selbst der Produzent wird besser, je länger er arbeitet. Dazu kommt aber auch noch den richtigen Zeitpunkt zu treffen, um so etwas zu machen. Aber wir haben den richtigen Zeitpunkt erwischt und das Ergebnis ist überwältigend. Eigentlich brauche im immer eine Pause, bevor ich wieder was Neues schreibe. Aber diesmal könnte ich direkt weitermachen und bin schon gespannt, wie sich die nächsten Songs so anhören werden. Der entscheidende Punkt ist einfach, in welcher Situation du bist, wenn du schreibst. Vielleicht wird das nächste Album härter oder aggressiver – ich weiß es nicht. Das aktuelle Album hat in meinen Augen aber total diesen VOLBEAT-Signature-Sound. Da sind Songs dabei, die hätten auch auf vorherigen Alben sein können. Das gibt aber einen guten Überblick woher wir kommen und wo wir derzeit sind.

Ich muss zugeben, dass ich sehr überrascht vom Album war, denn da waren so unglaublich viele verschiedene Elemente. Etwas Orientalisches in „The Gates of Babylon“, Country Style in „Battleship Chains“, der Gospelchor in „Goodbye Forever” oder der Dudelsack in „The Loa’s Crossroads”. Du bist ja selbst ein Fan vieler verschiedener Musikstile, aber war es dennoch so einfach, so viel Verschiedenes auf einem Album zu kombinieren?

Danke für das Kompliment – genau das trifft zu, denn das Album hat wirklich all diese verschiedenen Elemente. Dudelsack, Banjo, ein Gospelchor, Backgroundsängerinnen, Johan Olsen und so weiter. Das sind verschiedene Stile, aber genau das ist die Art, wie ich gerne schreibe. Ich fand es deshalb auch nicht kompliziert, das alles zu kombinieren. Ich kann mich nicht hinsetzen und einfach einen total normalen Metal-Song schreiben, ich bastle da lieber Verschiedenes zusammen. Alleine schon wenn ich daran denke, wie ich Auto fahre: ich höre so viel verschiedene Musik. Aber definitiv kein Radio. Ich hasse Radio. Besser ist eine gute Mischung von allem, was auf meinem iPod so zu finden ist. Ich lasse mich da gerne bei verschiedenen Genres inspirieren. Wenn ich mich dann hinsetze und Songs schreibe denke ich nicht verkrampft darüber nach, wie man verschiedene Dinge aneinanderknüpfen könnte – das passiert halt einfach. Wenn du den Song hundertmal im Proberaum spielst und ihn immer noch interessant findest, dann hast du wirklich was Gutes. Wir hatten schon viele Songs, die wir anfangs gut gefunden haben, aber nachdem wir sie mehrmals gespielt hatten, fanden wir sie gar nicht mehr so gut, sodass wir sie live nicht mehr spielen wollten. Es braucht Zeit zu schreiben und das Schwierigste sind halt die ersten fünf oder sechs Songs, also den Anfang zu finden und die Richtung festzulegen. Aber danach, wenn ich das habe, fallen mir die nächsten sechs Songs umso leichter. Es ist nicht schwierig verschiedene Stile zu mischen. Die Herausforderung ist es, die Songs zu wählen, die dich wirklich begeistern.

Auf dem Album gibt’s nicht nur verschiedene Stile zu hören, sondern auch wieder dänische Lyrics in “For Evigt”. Wie wichtig sind euch Texte in eurer Muttersprache?

Ja irgendwie ist das schon wichtig. Wir sind halt leider nicht so oft daheim in Dänemark, wir touren meistens woanders. Dänemark ist ein kleines Land, dementsprechend spielen wir wenige Shows hier, die aber dann immer ziemlich groß sind, also in großen Arenen, Stadien und so. Ansonsten sind wir hauptsächlich im Rest Europas oder in den USA unterwegs, aber wir möchten nicht den Bezug zu dem Land verlieren, aus dem wir kommen. In Dänemark hat für uns alles angefangen: die ersten Fans, die ersten Konzerte. Die dänischen Fans haben uns dann weitergebracht. Wir werden immer stolz darauf sein, woher wir kommen und deshalb auch versuchen, dänische Elemente in unseren Songs einzubauen. Wir möchten den Dänen zeigen, dass wir nicht vergessen haben, woher wir kommen und dass wir sie nicht vergessen, selbst wenn wir um die Welt reisen. Es ist auch für die dänischen Fans schön, wenn wir wieder nach Hause kommen – mit dänischen Songs, ohne den Bezug zu diesem Land verloren zu haben.

Momentan seid ihr mit AIRBOURNE und CROBOT unterwegs. Für mich klingt das nach einer ordentlichen Mischung aus Rock’n’Roll, Metal und Hard Rock. Wie kam es zu diesem Lineup?

Ja, wir sind sehr gut mit AIRBOURNE und CROBOT befreundet. Wir waren auch mit beiden Bands schon mal auf Tour, in Amerika. Das sind zwei wirklich großartige Bands! AIRBOURNE sind über diesen ACDC-Signature-Style bekannt geworden und sind live echt ziemlich gut. Wir haben es in den USA sehr genossen, mit den Jungs auf Tour zu sein. Ich  habe ihnen dann versprochen, dass wir sie mal in Europa mit auf Tour nehmen. Und ich stehe zu meinem Wort, wenn ich etwas verspreche dann mache ich das auch. Mit CROBOT war das auch so, wir hatten die ja als Opener in den USA dabei, als sie ihr erstes Album veröffentlicht haben. Mittlerweile sind wir gut befreundet und ich wollte sie gerne mit nach Europa nehmen. Jetzt haben wir zwei super Bands dabei, die großartige Alben veröffentlicht haben – ich glaube, das wird echt gut!

Die Tour geht bis Mitte Dezember – habt ihr schon Pläne für das kommende Jahr?

Naja, wenn die Tour in Europa vorbei ist, dann werden wir kurz nach Hause kommen für ein paar Tage, dann folgt eine UK-Tour mit ALTER BRIDGE. Danach werden wir wieder kurz zu Hause sein, bevor wir wieder ein paar Monate unterwegs sein werden. Aber wir planen für das nächste Jahr ein paar Überraschungen. Wir haben schon ein bisschen geplant und das wird, soviel kann ich verraten, verdammt gut!


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