Interview: DARKWELL - Roland Wurzer & Raphael Lepuschitz

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Alex hatte bis auf die Unterwäsche nichts an, die ganze Crew hat Plastikröhren um sie herum angeschraubt und am Ende wurde noch eine komplette Plexiglas-Scheibe über alles drüber gebaut. Zum Glück leidet Alex nicht an Klaustrophobie...

DARKWELL, die Tiroler Gothic Rock/Metal-Pioniere, hatten bereits eine Blütezeit, vom Gründungsjahr 1999 bis 2007. Jetzt wollen sie es plötzlich wieder wissen – weshalb dies fast ein Jahrzehnt dauerte und was euch auf ihrem dritten Album "Moloch" erwartet erzählen euch DARKWELL aber am besten selbst!

Veröffentlicht am 22.09.2016

Hallo Roli & Raphael!

Offiziell habt ihr DARKWELL 2007 ja auf Eis gelegt. Habt ihr damals schon gewusst, dass ihr eines Tages weitermachen würdet und wie schwer fällt einem eigentlich die Entscheidung, seine Band einzufrieren?

Raphael: Hallo an alle Metalheads da draußen! Wir freuen uns, dass wir endlich unser neues Album "Moloch" präsentieren können, an dem wir jetzt einige Jahre gearbeitet haben. Ob es mit DARKWELL irgendwann weiter geht, war nach dem langsamen Split der Band nach 2007 ehrlich gesagt nicht sicher. Roland, Nussi (Matthias) und mir war immer klar, dass da noch eine halbe CD auf den Festplatten vor sich hin schlummert, aber ohne Drums und Sängerin war das nicht konkret umsetzbar.

Wieso hat eure Rückkehr eigentlich so lange gedauert? Nur wenige Bands überstehen eine so lange Pause ohne gravierende Besetzungswechsel. Habt ihr euch außerdem anderweitig musikalisch beschäftigt, um musikalisch fit zu bleiben?

Raphael: Wie es der Zufall so will hat sich genau in der DARKWELL-Pause ein neues Projekt – TrustNo1 – ergeben, wo Roland wieder auf Nussi und mich zugekommen ist. Allerdings mit einigen Unterschieden zu DARKWELL: Der Sound ist eindeutig härter, die Texte sind stark politisch und ich bin nicht am Keyboard, sondern darf als Shouter die Messages nach außen brüllen...

Wieso kam es 2003 eigentlich zum Wechsel der Frontfrau? Ihr scheint euch ja zumindest nicht total zerstritten zu haben, sonst wäre Alexandra für "Moloch" ja nicht zurückgekehrt?

Roli: Ja das ist lange her, damals gab es einige persönliche Probleme, aber primär war der Wechsel damals den Lebensumständen geschuldet: Alexandra ging ins Ausland und wir waren sehr fokussiert zu dieser Zeit. Deswegen hielten wir den Wechsel für unumgänglich, hatten aber auch eine tolle Zeit mit Stephanie.

By the way: Habt ihr auch überlegt Stephanie Luzie wieder mit ins Boot zu holen? Immerhin habt ihr auf "Moloch" eine Vielzahl an Vocal-Lines aufgenommen, da wäre doch viel Platz für eure zweite ehemalige Sängerin gewesen?

Roli: Nein eigentlich nicht, die Idee klingt sehr charmant, aber Stephanie hat Ende der Nuller-Jahre das Mikrofon an die Wand gehängt. Sie hat sowohl ihre Tätigkeit bei ATARGATIS als auch ihre vielfachen Auftritte als Gastsängerin aufgegeben. Falls sie musikalisch wieder aktiv werden würde, könnte man ja über so etwas nachdenken, aber momentan stellt sich die Frage nicht.

Roli, du warst ja auch einige Jahre mit den Oberösterreichern von IN SLUMBER aktiv. Gesetzt den Fall, es gäbe auch bei denen eine Reunion, würde es dich reizen, bei beiden Bands gleichzeitig zu spielen?

Roli: Also ich hab dem Wolfi (Rothbauer) gesagt, falls es zu dieser Reunion käme, würde ich zur Verfügung stehen. Aber ich denke nicht, dass sich die Frage im Moment stellt, ich hoffe allerdings schon, dass es irgendwann (egal ob mit oder ohne mir) dazu kommt!

Die Blütezeit des Female-fronted Gothic Rock/Metal ist mit Ausnahme von NIGHTWISH und WITHIN TEMPTATION ja schon seit einigen Jahren vorüber. Glaubt ihr, dass "Moloch" vielleicht etwas daran ändern wird und spielt das überhaupt eine Rolle für euch?

Raphael: Naja, wie das halt mit Schubladen so ist: Ich sehe unsere Musik nicht so eng darauf fokussiert, ob eine Frau vorne steht und wie viele Streicher-Flächen im Hintergrund mitschwingen... Insofern ist mir dieses Genre-Denken auch relativ wurscht. Wir sind dem Gothic Metal zwar zuordenbar, aber wir hatten immer einige massive Unterschiede zum verkitschten Mainstream aufzuweisen: Die Drums von DARKWELL sind meistens komplex und vor allem schnell (teilweise auf Black Metal-Geschwindigkeit) und die Gitarren eher verspielt und sehr rockig, während das Keyboard relativ progressiv ist – mit vielen Synthie-Leads, Hammond- oder Kirchenorgel, Cembalo oder Oboen und nicht nur den üblichen Streichern. Allerdings gebe ich zu, dass ich kitschigen Piano-Teilen auch nicht ganz abgeneigt bin – wie man auf dem neuen Album eindeutig hören kann (grinst fast schon … kitschig).

Was gefällt euch besonders gut am neuen Album? Was habt ihr bewusst anders gemacht als früher und was wolltet ihr beibehalten?

Raphael: Meine persönlichen Favoriten sind "Fall of Ishtar", "Clandestine", "Yoshiwara", "In Nomine Serpentis" und "Awakening". "Moloch" ist eindeutig unser reifstes Album, weil wir uns die Zeit genommen haben, alles genau durchzudenken, die Teile aufeinander abzustimmen und die Songs so lange zu arrangieren und zu ändern, bis uns alles gepasst hat. Einen maßgeblichen Anteil daran hatte auch unser Producer Stefan Graf, der uns fast schon mit den sprichwörtlichen Zuckerbrot und Peitsche durch die Produktion führte. Wir wollten auf jeden Fall den oben angesprochenen DARKWELL-Style beibehalten, aber feinschleifen. Es war uns bewusst, dass wir auf "Metat[r]on" an einigen Stellen übertrieben haben und deshalb wollten wir das diesmal tighter und durchgängiger konzipieren – ohne auf die typischen Elemente zu verzichten. Das ist uns aus meiner Sicht auch gelungen (Anm. d. Red.: Das wurde auch hier im Review überprüft!).

Gab es einen bestimmten Grund, nach der langjährigen Zusammenarbeit mit Napalm Records, "Moloch" über Massacre Records rauszubringen?

Roli: Napalm Records hat sich in der letzten Dekade stark gewandelt und ist zu einem großen Player mutiert. Wir haben in ebendieser Dekade auf Eis gelegen, dementsprechend ist Napalm mittlerweile eine Nummer zu groß, Massacre jedoch genau richtig. Wir haben uns aber von Napalm freundschaftlich getrennt, vielleicht kommt es ja irgendwann wieder zu einer Zusammenarbeit, gonna see...

Mit "Twist in My Sobriety" hattet ihr ja ein cooles Cover auf eurer EP "Conflict of Interest", hattet ihr diesmal keine Lust oder gibt es einfach keine coolen Pop-Nummern mehr, die es wert wären gecovert zu werden?

Roli: Ach, ich denke da gibt es genug, aber wir wollten den Fokus auf unser Material legen. Allerdings sind wir auch dieses Mal nicht ganz humorlos gewesen und haben uns einen Rock-Klassiker für den Bonustrack vorgenommen. Natürlich mit einer großen Portion Selbstironie, denn es wurde "Midlife Crisis" von FAITH NO MORE (lacht).

Gibt es vielleicht die ein oder andere lustige Anekdote zu den Video-Aufnahmen von "Yoshiwara"? Der Clip ist ja wirklich erfrischend anders. (hier geht’s nach Yoshiwara!)

Raphael: Der skurrilste Moment war wahrscheinlich als wir die Verwandlungsszene mit Alexandra in der Cryogenic-Kammer gedreht haben: Alex hatte bis auf die Unterwäsche nichts an, die ganze Crew hat Plastikröhren um sie herum angeschraubt und am Ende wurde noch eine komplette Plexiglas-Scheibe über alles drüber gebaut. Zum Glück leidet Alex nicht an Klaustrophobie...

Euer Artwork bzw. eure Outfits in Booklet und Video scheinen eine Geschichte zu erzählen? Klär uns Unwissende doch bitte mal auf!

Raphael: Das visuelle Konzept hinter "Moloch" ist stark an Fritz Langs "Metropolis" (1927) angelehnt. Natürlich haben auch schon andere Bands – allen voran DREAM THEATER – mit dem Thema gespielt, allerdings wollten wir wirklich nahe am Original bleiben und den Film mit den alten, ikonographischen Einstellungen als Stilmittel verwenden. Jedes Bandmitglied hat eine Rolle aus dem Film bekommen: Roland ist Joh Fredersen, der Konzernbonze und Stadtpatriarch, Michael – unser neuer Drummer – spielt seinen Sohn Freder, Alexandra ist sowohl Maria als auch deren Roboter-Alter-Ego, Nussi verkörpert Grot, den Vorarbeiter und Wächter der Moloch-Maschine und ich spiele den verrückten Dr. Rotwang, der Maria in den Roboter transformiert. Zusätzlich haben wir noch eine neue Rolle eingeführt – Alexandra als allwissende Erzählerin, die in unterschiedlichen Formen erscheint: Gut, Böse, als Ingenieurin, als Nachtclub-Chefin...

Wie kommt man auf die Idee, einen Song auf Deutsch zu singen, während alle anderen Englisch gehalten sind?

Roli: Eine sehr gute Frage... Die Geschichte ist ein wenig langwierig, denn ich dachte nach all den Jahren wäre es Zeit zu einem Follow-Up zu "Realm of Darkness" (vom Erstling "Suspiria"). Dementsprechend begann ich den Song Realm of Light zu schreiben, dieser wurde jedoch nicht fertig für "Moloch". Aber es war mir schon wichtig, dass der rote Faden auftaucht, also habe ich mit "Im Lichte" vorgegriffen. Die deutsche Sprache schien mir passend, da sich der Song somit vom restlichen Album, das einer lyrischen Gesamtidee folgt, abhebt.

Gibt es eigentlich Tour-Pläne? Immerhin seid ihr ja am Anfang des Jahrtausends mit namhaften Combos wie TRISTANIA, THE SINS OF THY BELOVED, VINTERSORG, GRAVEWORM, DORNENREICH, LEAVES‘ EYES, ATROCITY u.a. schon ordentlich rumgekommen!

Roli: Ja, das sind wir! Wir spielen noch immer sehr gerne live, das Business hat sich jedoch schon stark verändert und wir wollen jetzt mit dem Album erst mal ankommen, die Reaktionen abwarten und dann werden wir sehen, wie es mit unseren Live-Ambitionen läuft. Natürlich ist es jetzt für uns auch privat und beruflich schwieriger geworden, aber wie gesagt, wir warten jetzt mal ab, hoffen aber schon, dass wir 2017 wieder auf die Straße kommen.

Wie war es, damals (2000) am WGT (Wave Gothic Treffen, Leipzig) zu spielen im Vergleich zu 2014, wo ihr eure offizielle Reunion gefeiert habt?

Roli: Klar war es anders, damals waren wir unerfahren und da war das natürlich 'ne Riesensache auf einem großen Festival zu spielen. 2014 war aufgrund der Reunion nicht minder wichtig, aber klarerweise sind wir das dann schon ruhiger angegangen.

Würdet ihr auch wieder auf typischen Metal-Festivals wie z.B. dem Summer Breeze spielen wollen?

Raphael: Auf jeden Fall! Das Summer Breeze und die verschiedenen Gigs am WGT waren neben den Europa-Tourneen immer ein Highlight für uns – wie wahrscheinlich für jede Band. Und es war wirklich ein gutes Gefühl am WGT 2014 zum ersten Mal seit sieben Jahren wieder auf einer großen Bühne zu stehen.

Ich habe versucht euch alles Wissenswerte rauszukitzeln, doch mich beschleicht immer noch das Gefühl, ihr verbergt noch irgendetwas Wichtiges vor unseren treuen Stormbringer-Lesern. Willst du uns das vielleicht verraten?

Roli: Ja du hast auch Fragen gestellt, die vom typischen Muster angenehm abweichen und doch jede wichtige Frage gestellt. Tolles Interview und vielen Dank!


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