Interview: Caliban - Andreas Dörner

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An sich bin ich gar kein großer Fan von Suicide Silence.

CALIBAN liefern wie ein Schweizer Uhrwerk im Zweijahresrhythmus neue Platten ab und machen regelmäßig die Bühnen Europas unsicher. Mit "Ghost Empire" schlug den Jungs viel Kritik um die Ohren, doch mit "Gravity" möchte man wieder in eine härtere Kerbe einschlagen. Sänger Andy steht Rede und Antwort.

Text: Sonata
Veröffentlicht am 25.03.2016

Moin Andy! Eine einfache Einstiegsfrage, mit „Gravity“ (Albumreview) haut ihr im März euer neues Album raus und mich würde an sich nur ganz simpel interessieren, wie du selbst die Platte in Relation zu euren letzten Outputs betrachtest?

Eigentlich ähnlich wie die letzten beiden „Ghost Empire“ und „I Am Nemesis“, im Grunde eine gute Mischung aus den Beiden. Es hat viel Härte, ist ziemlich düster gehalten und hat dennoch wieder diesen melodiösen Anteil.

Meiner Auffassung nach hat euer letztes Album „Ghost Empire“ deutlich mehr negatives Feedback bekommen als z.B. das gefeierte „I Am Nemesis“. Habt ihr das auch so empfunden und falls ja, fandet ihr die Kritik gerechtfertigt?

Also ich hab schon gemerkt, dass „Ghost Empire“ von den Leuten anders aufgenommen wurde als „I Am Nemesis“, richtig nachvollziehen kann ich es nicht. Ich denke auch, dass „Ghost Empire“ einen Schritt weiter ist als „Nemesis“. Vielleicht war’s auch so, dass…naja, „I Am Nemesis“ war einfach auch z.B. in eine andere Richtung als die vorigen Scheiben und 'n bisschen anders als sonst. Das hat die Leute vielleicht wieder 'n bisschen mehr gekickt. „Ghost Empire“ war für die Leute dann eventuell nicht mehr so eine große Überraschung, aber ich find die Platte nicht minder gut. Also das würde ich nicht so sagen. Und wie im Allgemeinen die Platte jetzt so aufgenommen wurde, das kann ich eigentlich selbst gar nicht so genau beurteilen. Live wurden die Songs gut angenommen, von daher weiß ich es eigentlich nicht.

Das ist im Endeffekt das Wichtigste, dass die Fans das Material abfeiern, die eure Konzerte besuchen. Das ist die beste Resonanz, die man bekommen kann.

Auf „Gravity“ wirken Caliban wieder eine Spur härter und düsterer als auf dem vorangegangenen „Ghost Empire“, was quasi auch der Grund von der von mir eben formulierten Frage war. Ihr habt insbesondere wieder mehr Wert auf Gitarrenarbeit gelegt und das ganze Vocal-Konstrukt stellt sich anders dar. Die ganz krassen Clean Vocals von Denis sind nicht wirklich vorhanden, es macht eher den Anschein als würdet ihr da quasi auf melodische Screams setzen. Kannst du uns mehr über die Stimmgewalt von „Gravity“ verraten?

Das liegt im Endeffekt daran, dass Denis nicht mehr wirklich einen großen Anteil an den Vocals hatte, was „Gravity“ betrifft. Er ist nur noch so im Hintergrund zu hören und ich habe diesmal tatsächlich den Hauptteil gemacht und melodische Screams umgesetzt, was für mich ja auch was ganz Neues war, da ich jetzt nicht der Sänger vor dem Herrn bin. Wir haben diese Richtung aber auf „Ghost Empire“ teilweise schon umgesetzt und wollten das diesmal komplett so machen und ich bin eigentlich ganz zufrieden mit dem Resultat.

Was war denn das Kriterium dafür, dass ihr das diesmal so angestrebt habt? Denis hat als Gitarrist auf der Bühne natürlich auch nicht alle Freiheiten und gerade da tun sich viele schwer in Kombination mit dem Gesang. Hat das auch eine Rolle gespielt?

Im Prinzip wollten wir diesmal insgesamt einen härteren Sound verkörpern und Denis hat ja eine sehr weiche sanfte Stimme. Außerdem haben wir wie gesagt auf „Ghost Empire“ schon damit angefangen, da lag im Grunde genommen der Ursprung.

Stimmt, auf „Ghost Empire“ konnte man das schon in Nuancen raushören.

Genau!

Bei „We Are The Many“ war u.a. Mitch Lucker zu hören, der ja leider verstorben ist. Wie sehr hat dieser Kerl euch allgemein beeinflusst bzw. sein Schaffen mit SUICIDE SILENCE?

Ich sage ganz offen, dass ich an sich gar kein großer Fan von Suicide Silence bin und ich dachte anfangs sogar, dass der gute Mitch ein Arschloch sei, aber da kannte ich ihn gar nicht gut genug. Als wir mit der Truppe auf Tour waren, hatten wir einige tolle Gespräche und ich kann nur sagen, dass er ein großartiger Typ ist! Ich muss auch sagen, dass SUICIDE SILENCE ohne ihn nicht mehr dasselbe sind, ja, der Eddie ist kein Schlechter, aber es ist einfach anders…

Mitch war ja quasi das Gesicht der Band…

Ja und er hatte eine Stimmgewalt, das war unfassbar, da kommt keiner ran und deshalb hätten die Jungs nach seinem Tod meiner Meinung nach unter einem anderen Banner weiter machen sollen.

Mit „Mein Schwarzes Herz“ finden wir erneut einen deutschen Track auf der Scheibe vor, das wird ja mittlerweile zur Tradition. Hattet ihr schon mal die Idee, ein Album komplett in deutsch aufzunehmen oder würde sich das zu weit von dem entfernen, was ihr eigentlich machen wollt?

Wie du richtig sagst, ist das eine Art Tradition geworden und das macht uns auch Spaß, ist ja unsere Heimatsprache. Unsere deutschen Fans freuen sich auf Tour dann auch, wenn wir die Songs spielen, weil sie die natürlich perfekt mitgrölen können. Immer mal wieder eine Nummer auf Deutsch wird wohl auf dem Album landen, aber ein gesamtes Album werden wir nicht machen. Maximal eine Sonderedition mit irgendeiner Bonus CD, wo vielleicht mal mehr Songs drauf sind. Mal schauen.

Wohin führt uns „Gravity“ denn thematisch diesmal? Du beschäftigst dich ja oft mit den Schattenseiten der Menschheit und da die neue Scheibe in sachen düsterer Atmosphäre nochmal einen draufsetzt, wird es sicherlich nicht um Regenbögen und Einhörner gehen.

Du sagst das ja schon ganz richtig, es geht oft um das Dunkle im Menschen, aber auch Verlust ist ein Thema. Sogar ein wenig romantisch wird es, aber das gehört ja auch zu diesen ganzen Gefühlswelten. Im Prinzip geht es einfach ganz oft um die Selbstfindung.

CALIBAN ist eine Band, die mit jedem Album eine gewisse Entwicklung durchmacht, so auch auf „Gravity“. Dennoch gibt es da draußen natürlich immer Fans, denen man es nicht so richtig recht machen kann. Da kommen natürlich Fragen auf wie „Warum macht ihr nicht mal wieder sowas wie „Shadow Hearts“ etc. Wie begegnest du solchen Menschen bzw. wie wichtig ist es für dich, dass eine Band sich auch kontinuierlich weiterentwickelt und sich nicht einer gewissen Stagnation hergibt?

Ich kann’s absolut verstehen, wenn Fans der ersten Stunde sich mal beschweren oder nicht mehr so großen Gefallen an unseren neuen Sachen finden, das ist legitim. Die haben uns halt ganz anders kennengelernt und ich kenn’s natürlich auch selbst, wenn man Releases aus den 90ern z.B. total gefeiert hat und später nicht mehr alles gut fand, was jene Band so fabriziert hat. Das schwankt total stark, manchmal ist auch was dabei, was man wiederum total geil findet, weil es neu und anders ist.

Es ist oft ein Spiel der falschen Moral, die Leute beschweren sich einerseits, wenn mal was Neues ausprobiert wird und wenn man dann doch mal in alten Gefilden rumwuselt, heißt es „Das kenn ich doch schon!“. Ich bin definitiv ein Fan davon, wenn Bands auch mal ein Wagnis eingehen und was Neues ausprobieren.

Da bin ich absolut bei dir und darauf legen wir auch viel Wert. Wenn wir dann mal live ein paar ganz alte Nummern rauskramen, freuen sich fünf Leute, aber die stehen halt hinten an der Bar, weil die auch schon vom älteren Kaliber sind. Die restlichen Fans starren uns dann oftmals ganz verwirrt an. Von daher muss ich schon sagen, dass die aktuelleren Sachen besser ankommen, gerade live. Aber natürlich gibt’s trotzdem immer mal wieder Songs, wo wir die alten Sachen neu aufleben lassen.

Wir sprachen gerade über Entwicklung, ein Thema, was den gesamten Core-Sektor relativ häufig beschäftigt. Ich glaube aus KEINEM Genre kamen in der Vergangenheit mehr neue Bands zum Vorschein, insbesondere z.B. was den Post-Hardcore Bereich angeht. Leider Gottes klingt da eine Truppe wie die andere und viele verpassen es, sich eine eigene Identität zu schaffen. Ihr seid in dem Sektor ja quasi ein alter Hase, daher würde mich interessieren, wie du die Entwicklung in diesem Genre so beurteilst und ob es vielleicht sogar frischere Bands gibt, die dir persönlich zusagen?

Da kann ich dir nur zustimmen, da kam wirklich extrem viel in den letzten Jahren und ich muss gestehen, dass ich da kaum noch mitkomme. Klar, hin und wieder bekomm ich mal was zu hören, aber was wirklich grandioses könnte ich dir jetzt nicht nennen. Die Jungs von DREAM ON, DREAMER finde ich super, nicht nur wegen dem Gastauftritt auf unserer neuen Scheibe. Ich hab die Jungs auch vorher schon gehört. Das sie jetzt aber was total Monumentales erschaffen haben, das könnte ich jetzt auch nicht behaupten. Ansonsten feier ich Sachen wie ARCHITECTS, die aber total speziell sind oder auch BRING ME THE HORIZON, wo ich die letzte Platte sehr geil fand. Die war ja auch total anders.

Und dafür bekamen BRING ME THE HORIZON teilweise auch auf die Fresse, nicht jedem hat das gefallen. Ich persönlich find’s wie gesagt auch super, wenn Bands sich mal was trauen und ein Wagnis eingehen, nicht immer nur dieselbe Schiene fahren. Daher feier ich die neue Platte von den Jungs definitiv auch.

Eben, es ist total mutig, was die Band da angestellt hat und das zeichnet sie aus. Klar, es war irgendwie folgerichtig, dass sie so einen Schritt gehen würden, auch wenn es im Endeffekt noch krasser war als ich dachte. Dennoch ein sehr tolles mutiges Album!

Bei einer Band wie CALIBAN stehen natürlich Screams im Vordergrund, was grundsätzlich eine Technik ist, die es erstmal zu erlernen gilt. Trotzdem würde ich behaupten, wird die Stimme da nochmal auf eine andere Art und Weise beansprucht. Wie bereitest du dich auf Konzerte vor und wie gestaltet sich das auf einer längeren Tour, die allgemein große Anstrenungen mit sich bringt?

Für mich persönlich ist es eigentlich nicht so anstrengend, da ich das ja mittlerweile seit einigen Jahren mache und mich auf jedes Konzert gut vorbereite. Ich geh quasi einmal die komplette Tonleiter durch und trinke vor allem viel, auch während des Konzerts. Wichtig ist im Endeffekt aber auch die Performance, denn gerade in unserem Sektor wollen die Fans komplett abgeholt werden.

Vielen lieben Dank für deine Zeit, Andy! Ich wünsch euch alles gute mit der neuen Scheibe!

Danke dir! Man sieht sich auf Tour!


 


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