Interview: ESKIMO CALLBOY - Sushi & Kevin

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Hinterher sind die Baggy Pants durch den Moshpit geflogen!

Sie wissen manchmal nicht genau, wie oft sie schon wo gespielt haben oder mit wie vielen Leuten sie eigentlich unterwegs sind. Aber sie wissen, wie sie auch Fans anderer Musikrichtungen von ihrer Art von Metal überzeugen.

Text: Lora
Veröffentlicht am 07.12.2015

Ich hab mal gelesen, hinter euren Songs stecken wahre Geschichten, die ihr wirklich erlebt habt – klingt als wäre da verdammt viel los bei euch?

Sushi: Naja, nicht unbedingt. Natürlich gibt’s den einen oder anderen Song hinter dem eine wahre Geschichte steckt, aber natürlich basteln wir auch gerne Geschichten zusammen mit erfundenen Ereignissen und überziehen diese dann auch. Also es ist nicht alles wahr was in den Songs so erzählt wird, eigentlich die wenigsten Sachen.

Kevin: Wir haben teilweise Themen wie im Film, also steckt eine wahre Begebenheit dahinter, aber die Personen sind frei erfunden, alles ordentlich ausgeschmückt.

 

Wenn man euch so auf der Bühne sieht, ihr nehmt nicht wirklich viel ernst, oder? Beeinflusst das den Zusammenhalt in der Gruppe? Gibt‘s keinen Streit, weil alles ohnehin nur Spaß ist oder dann erst recht?

Sushi: Oh ja, bei uns gibt’s auch schon mal so richtig Zoff. Wir haben uns auch schon mal auf die Fresse gehauen, kam auch mal vor. Aber eigentlich haben wir uns alle lieb, ist so wie ´ne Beziehung mit…

Kevin: …mit ´ner Frau?

Sushi: Ja, genau, aber halt in dem Fall mit sechs Frauen gleichzeitig. Da gibt’s schon auch Stress.

Kevin: Aber das gehört doch einfach dazu. Wir sind keine Band, die zusammen gekommen ist, weil es gerade passte, der eine konnte Gitarre spielen und der andere singen, sondern…

Sushi: …eigentlich schon, oder?

Kevin: Ne! Es war so, dass wir schon länger Freunde sind und in jeder guten Freundschaft knallt‘s mal, das gehört dazu. Vor allem wenn man so lange auf engem Raum zusammen ist. Aber wir machen nur den Anschein, als würden wir nichts ernst nehmen. Die Leute die uns kennen oder mit uns gesprochen haben wissen, dass wir nicht auf den Kopf gefallen sind. Die wichtigen Themen nehmen wir uns zu Herzen und da haben wir innerhalb der Band auch den nötigen Ernst. Aber was die Band angeht sind wir keine Gruppe, die die ganzen Probleme des Lebens anfasst – da gibt’s andere Bands die das sehr gut machen, wir sehen uns da eher als eine andere Instanz.

 

Ihr habt bereits nach kurzer Zeit auf einigen großen Festivals gespielt, unter anderem auch auf dem Wacken und dem Summer Breeze, also auf welchen, bei denen man jetzt vielleicht nicht mit Trance-Core, Porno-Metal und Hasen auf der Bühne rechnet. Hat man da mal Angst, dass irgendwelche Dinge auf die Bühne fliegen?

Sushi: Oh ja! Also als wir das erste Mal Wacken gespielt haben, da haben wir uns wirklich in die Buxe gekackt davor. Du fährst da lang und siehst nur Leute mit langen Haaren und dann kommen wir da an, kurze Haare und mit viel Gel. Da fragst du dich dann wie das, was wir da machen, auf diesem Metal-Ding funktionieren soll. Beim Summer Breeze war das auch so, das sind halt so die straighten Metal-Festivals. Aber da wurden wir immer eines Besseren belehrt, weil die Metal-Gemeinde einfach Gott sei Dank sehr offenherzig ist, auch für neue Geschichten. So waren das teilweise die besten Shows, die wir gespielt haben.

Kevin: Aber das Ding ist, wir sind über diesen Punkt schon hinaus, da Angst zu haben. Das war so 2012 oder 2013, als wir einfach zum ersten Mal auf solchen Festivals gespielt haben. Da hast du einfach als Band, die doch polarisiert, Leute dabei, die es scheiße finden. Aber mittlerweile können wir auf jedes Konzert oder Festival kommen und haben immer Leute da, die Spaß daran haben. Und die anderen sind dann auch nicht so vehement dagegen.

 

Ihr spielt mittlerweile nicht mehr nur im deutschsprachigen Raum sondern wart zuletzt auch in Japan, Russland, den USA und Großbritannien. Unterscheiden sich die Fans und die Art, wie sie euch aufnehmen?

Sushi: Oh, die sind alle ziemlich unterschiedlich. Also in Russland gibt’s nahezu gar keine Regeln, auch die Securities verhalten sich den Leuten gegenüber in unseren Augen leider ziemlich scheiße. Dafür rasten die Leute aber komplett aus, wenn sie mal die Möglichkeit haben so ein Konzert zu besuchen. Ich finde das Leben, das die da führen, irgendwie trist und deshalb gibt’s dann da bei sowas wohl auch keine Regeln. Wir hatten da teilweise Leute, die auf die Bühne gekommen sind und uns die Gitarrensaiten wegreißen und als Souvenir mitnehmen wollten. Oder wenn du stagediven gehst musst du aufpassen, dass du nicht gebissen oder gekratzt wirst. Ist schon relativ witzig und die Shows sind doch immer ziemlich geil dort.

Kevin: Es ist immer so ´ne Sache mit dem Reichtum, in welcher Form auch immer, also sei es materiell oder ideell. Man hat immer das Gefühl als würden die Leute die Shows in Russland sehr zu schätzen wissen, also dass sie das auch in allen Facetten auskosten wollen. In Japan waren wir bisher zweimal…

Sushi: …und es ist das genaue Gegenteil. Aber waren wir nicht dreimal da?

Kevin: Nein? Zweimal?

Sushi: Nee? Sicher?

Kevin: Ja, ganz sicher. Das Ding ist, als wir das erste Mal da waren, da hatten wir zwischen den Songs so das Gefühl, dass wir was Falsches gesagt haben. Die Menschen sind total ruhig, halten die Klappe, hören dir zu und so weiter, das hängt halt mit der ganz anderen Kultur dort zusammen. Man merkt das zwischen den Songs aber während den Songs sind die Leute alle gleich. Die rasten alle gleich aus, haben immer alle Spaß.

Sushi: Und USA ist halt so, da musst du wirklich Gas geben. Da musst du wesentlich aggressiver auf der Bühne agieren, was Ansagen angeht und so weiter, dann geht das schon.

Kevin: Die sind nicht so leicht zu beeindrucken!

Sushi: Ja genau, aber wenn du die Leute catcht, dann läuft das auch da. Wir waren da bisher nur auf einer Rap-Tour, da hat man einen schwierigen Stand, aber das lief erstaunlicherweise richtig gut.

Kevin: Obwohl ich mir da eine größere Abneigung erwartet hätte! Aber da muss ich sagen, da standen Leute mit Baggy Pants, die den Rap-Künstlern zugehört haben und uns dann auch abgefeiert haben. Die wussten zwar nicht wirklich was da gerade passiert und haben uns auch anfangs dumm angeschaut, aber hinterher sind die Baggy Pants durch den Moshpit geflogen. Fand ich witzig! Klar gibt’s kulturelle Unterschiede, aber wenn Leute abgehen, dann gehen sie ab!

 

Als ich das Album zum ersten Mal gehört hab, bin ich erstmal völlig auf "Baby T.U.M.H." hängen geblieben. Ihr habt damals ziemlich viel Aufmerksamkeit mit eurem „California Gurls“-Cover bekommen, aber wer kommt denn dann auf die Idee, NSYNC dazwischen zu mischen?

Kevin: Ja wir sind halt 90er-Kinder! Wir waren in Holland fürs Songwriting, haben uns zwei Wochen eingeschlossen, damit wir mal nicht abends nach Hause kommen und sagen können, wir hätten noch was vor. Da haben wir uns mal voll und ganz auf das Songwriting konzentriert, was uns für das Album "Crystals" viel geholfen hat. Du schreibst Songs immer unterschiedlich. Mal hast du ein gutes Riffing, einen coolen Abschnitt oder einen coolen Refrain und so weiter, nur fehlt dann ab und zu die catchige Melodie dazu. Ich weiß nicht mehr wie's dazu kam, aber wir haben da einfach mal diesen Song draufgesungen und von der Akkordfolge her hat‘s gut gepasst und sich gut angehört.

Sushi: Zu dem Zeitpunkt war‘s auch noch so, dass uns unser Label-Chef besucht hat. Wir haben da ein bisschen rumgesponnen, aber er meinte dann, das sei total geil und wir sollten das doch wirklich machen. Wir haben dann gezweifelt wegen den Freigaben und so weiter, aber da das nach dem Wechsel zu Universal eine andere Größenordnung angenommen hat, haben wir die Freigabe dafür bekommen und wir konnten das wirklich machen. Es war eine Riesenchance für uns den Refrain zu benutzen, so kam das dann zustande.

Kevin: Aber wir wollten nicht nochmal covern, also haben wir ein Mashup gemacht, die Strophe ist ja anders. Die wollten wir auch anders machen und der Refrain passte halt und ja, macht Spaß.

 

Ich finde euer aktuelles Album "Crystals" wesentlich poppiger, griffiger und erwachsener als die Vorgänger. Hat sich das aus der Erfahrung der letzten fünf Jahre heraus entwickelt oder wolltet ihr bewusst mal ein bisschen die Richtung wechseln?

Sushi: Ich glaub das hängt immer von der jeweiligen Stimmung ab. Wir schreiben Songs, haben dann einen Pool mit 30 Songs und die Hälfte schmeißen wir wieder weg. Daraus ergibt sich dann der Kontext der Platte. Diesmal ist es halt ein bisschen poppiger geworden, bei „We Are The Mess“ war es etwas rotziger. Mal schauen wie die nächste Platte wird.

Kevin: Das ist doch einfach jedes Mal so, aus Erfahrung. Jedes Mal wenn wir ein Album anfangen haben wir im Hinterkopf was davor war und was die Leute gut fanden, aber davon musst du dich komplett frei machen. In erster Linie, das hört sich jetzt vielleicht ein bisschen egoistisch an, darfst du die Songs erstmal nur für dich schreiben. Wenn du sie selber geil findest, kannst du sie auch gut rüberbringen. Und wie Sushi schon sagte, unsere Laune ist nicht immer gleich. Wir nehmen uns nicht immer vor, dass es anders klingen soll. Dass es aufgeräumter klingt ist gut – was wir 2010 gemacht haben war auch geil und hat Spaß gemacht, aber man will ja nicht immer das Gleiche machen, wird ja irgendwie langweilig. Die Geschichten über Partys sind irgendwann alle erzählt und es müssen neue Themen her, dann eben auch mit neuem Instrumental.

 

Auf dem letzten Album habt ihr auch mit SIDO zusammengearbeitet. Ist es nicht schwierig, zwei doch verschiedene Genres unter einen Hut zu bringen?

Sushi: Also wir wollten auf jeden Fall ein deutsches Rap-Feature auf der Platte haben und dann ist es Gott sei Dank eben SIDO geworden. Was heißt zwei verschiedene Genres unter einen Hut zu bringen…

Kevin: Das machen wir ja im Grunde die ganze Zeit, Sushi.

Sushi: Ja, gut, eigentlich schon.

Kevin: Wer hätte vor zehn ahren gedacht, dass man mal Electro oder Techno mit Metal oder Hardcore verbindet. Das war verpönt, das durfte man ja gar nicht!

Sushi: Aber im Prinzip sind das alles Musikrichtungen, die auf dem Rhythmus basieren, von daher passen Hip Hop und Metal ganz gut zusammen. Es gab auch so viele Crossover-Bands, so neu war das ja gar nicht mehr. Klar spricht man damit einen größeren Kreis von Leuten an, aber das haben wir damit auch verfolgt, also unsere Musik einer anderen Hörerschaft zugänglich zu machen. Das hat eigentlich auch ganz gut geklappt.

 

Das Video zu "Best Day" ist irgendwie anders als die vorherigen. Videos wie „Muffin Purpergurk“ oder „Is Anyone Up“ sind ja doch sehr stark mit Trash gefüllt, beziehungsweise irgendwie verwirrend, wollte da SIDO nicht mitmachen?

Sushi: Das kann man eher darauf zurückführen, dass wir mit einer größeren Agentur zusammengearbeitet haben. Videos wie zu „Muffin Purpergurk“ oder „Is Anyone Up“ waren schon trashig gewollt, sind aber dann noch trashiger geworden als geplant.

Kevin: Das ist wie mit den Songs so. Die trashigen Videos haben schon Spaß gemacht, aber dann willst du auch mal was Ernsteres machen. Vor „Best Day“ haben wir auch schon das Video zu „Crystals“ rausgebracht, wobei wir das noch selbst gemacht haben. Bei „Crystals“ wollten wir mal was Kunstvolleres reinbringen, nicht nur das Platte, sondern auch mal was mit Tiefgang. Der Einfluss der Agentur hat das dann für „Best Day“ übernommen. Der Song stand bevor wir überhaupt wussten, dass wir mit SIDO zusammenarbeiten werden. Das war einer von vielen Roh-Songs und wir haben dann erst gehört, dass wir das mit SIDO machen werden. Da haben wir uns gedacht, dass das ganz gut passen würde, wir hatten ja schon immer einen ruhigeren Song auf dem Album und von daher hat das ganz gut gepasst. Das Video konnte dann auch nicht so ausgeflippt sein, weil der Song das einfach nicht hergibt.

 

Ihr seid ja momentan zum zweiten Mal mit dem Album unterwegs. Was war so euer Fazit, als ihr das Album im ersten Teil live gespielt habt? Habt ihr danach was verändert oder war‘s einfach so gut, dass ihr direkt in den zweiten Teil startet?

Kevin: Klar, das hat aber nichts mit dem ersten und zweiten Teil zu tun, sondern das ist fortwährend. Wir sind ja mittlerweile in der Lage, dass wir viele Leute dabei haben. Was heißt, viele Leute. Wir haben jetzt sechs Crewmitglieder, die uns einfach helfen…

Sushi: …ich hab immer so Probleme die nachzuzählen. Sind‘s nicht sechs? Sieben? Sind wir insgesamt 13?

Kevin: Ich krieg‘s auch nicht hin, aber ich kenn jeden einzelnen, aber scheißegal. Auf jeden Fall hat da jeder seinen Job. Gerade jetzt, bei so einer großen Produktion wie mit PAPA ROACH und FIVE FINGER DEATH PUNCH, was ja eine hochprofessionelle Tour ist. Da gibt’s jeden Tag Nachbesserungsbedarf. Das ist total un-Rock’n’Roll, aber wir sitzen da tatsächlich nach der Show zusammen und besprechen, was scheiße gelaufen ist und morgen anders gemacht werden muss. Das hat nichts mit den Teilen der Tour zu tun, das ist fortwährend und wir arbeiten ständig daran.

 

Ihr seid derzeit mit FIVE FNGER DEATH PUNCH und PAPA ROACH unterwegs. Wie ist das denn so, mit so bekannten Bands auf einer Bühne zu stehen? Ist das eine Art Kindheitstraum, der da in Erfüllung geht?

Sushi: Absolut! Wir sind mit PAPA ROACH groß geworden, zu FIVE FINGER DEATH PUNCH hatten wir nicht direkt den Zugang, aber die sind ja in den letzten Jahren richtig abgegangen. Aber gerade PAPA ROACH! Wenn du da bei denen Backstage sitzt und sozusagen mit deinen Kindheitshelden was trinkst, ist das schon krass. Wir sind selbst noch sehr überrascht, wie gut wir auf dieser Tour aufgenommen werden. Wir dachten, das wäre vielleicht nicht so unser Publikum, aber das lief bisher alles gut, die großen Bands sind total nett und auf dem Boden geblieben. Wir haben da auf jeden Fall eine geile Zeit und es ist jeden Abend wieder was Besonderes, weil du nie weißt was dich erwartet. Aber bisher ging alles gut.

Kevin: Wir hatten einmal so ein kleines Aha-Erlebnis, als Support von LIMP BIZKIT in Köln im Palladium, vor 4.500 Menschen. Da war‘s deutlich zu spüren, dass uns die Leute nicht mögen.

Sushi: Das war schwierig. Ich meine, die Show wurde announced und war sofort ausverkauft, dann kamen wir dazu. Es war nicht komplett schlecht, aber ungefähr die Hälfte der Menge hat uns gehasst.

Kevin: Da dachten wir uns schon so, wenn jetzt so die ganze Tour wird, ist das nicht gut. Aber schon die erste Show in Hannover war krass. Selbst die Leute, von denen du dachtest, dass sie uns nicht kennen und auch nicht mögen, haben mitgemacht und hatten Spaß. Da war auch keine Ablehnung zu spüren.

Sushi: Oder auch sowas wie Amsterdam. Um ehrlich zu sein läuft das bei uns in Holland nie so richtig rund, das ist immer schwierig für uns. Aber jetzt in Amsterdam war‘s richtig gut!

Kevin: Das war eine der besten Shows der Tour! Das ist auch ein wichtiger Punkt. Als wir angefangen haben, da hat uns niemand ernst genommen. Aber mittlerweile, nach den fünf Jahren, haben wir schon einiges hinter uns und die Leute fangen an, uns langsam als Musiker ernst zu nehmen. Man muss die Musik nicht ernst nehmen und uns auch nicht gut finden, aber die denken, wenn PAPA ROACH und FIVE FINGER DEATH PUNCH mit uns ankommen, können sie nicht mit dem Mittelfinger oben dastehen.

Sushi: Krass ist auch, wenn einige Leute dann online kommentieren und PAPA ROACH uns da immer gleich verteidigen.

 

2014 habt ihr während der Bürgerproteste in der Ukraine in Kiew gespielt und ihr werdet nächste Woche trotz der momentan angespannten Lage in Paris spielen. Seht ihr die Entscheidung in Paris zu spielen oder nicht zu spielen anders, weil ihr bereits 2014 in einer kritischen Situation ein Konzert gespielt habt?

Sushi: Naja, Kiew damals, da konnte man ungefähr einschätzen was passiert, weil man über die Lage Bescheid wusste und so weiter. Das war keine Sache, die durch Terrorismus hervorgerufen wurde. Aber jetzt ist es so, eben auch weil Leute von der PAPA ROACH-Crew Leute kannten, die da leider auch betroffen waren, dass an dem Tag die Stimmung absolut im Eimer war und man hat jetzt schon ein mulmiges Gefühl. Man hört an allen Ecken und Enden immer irgendwas und die Veranstaltungen sind einfach größer als im Bataclan. Das ist natürlich schon ein komisches Gefühl und macht unsicher.

Kevin: Seitdem guckst du dich ja immer ein bisschen um. Du willst es nicht, aber du machst es. Es ist hochemotional für uns. Wir haben da auch etwas via Facebook geschrieben, weil sich wirklich einige Leute beschweren, dass irgendwelche Profilbilder geändert werden. Dadurch gerät das eigentliche Problem oder das eigentliche Leid völlig in den Hintergrund.

Sushi: Erstmal das und die Leute vergessen einfach, dass wir viel näher an der Thematik sitzen. Es sieht so aus, als ob wir noch Paris spielen werden, da sind wieder so 5.000 bis 6.000 Leute. Wir sind da sozusagen gefundene Fressen. Wenn man von der Ukraine ausgeht, da konnte man die Lage ungefähr einschätzen und nicht hinfahren wenn es zu brisant wird. Aber momentan weißt du nicht was passiert.

Kevin: Das ist aber auch so eine Trotzsache, weil du dich in der jetzigen Lage nirgendwo mehr sicher fühlen kannst, in Europa auf Großveranstaltungen ist es echt scheißegal. Wir werden uns nicht zu Hause einschließen und es ist egal wo wir hinfahren. Einfach Augen zu und durch und nicht daran denken.

 

Auf Facebook habt ihr euer Profilbild geändert und dementsprechend direkt Kritik in den Kommentaren kassiert. Ihr habt dann auch ein Statement über diese Entscheidung veröffentlicht. Beeinflussen euch solche Reaktionen in irgendeiner Form?

Sushi: Normalerweise äußern wir uns nicht zu sowas und uns ist egal, was die Leute zu sowas schreiben. Aber da waren zum Teil echt bitterböse Kommentare dabei. Da haben wir uns gesagt, dass wir das nicht so stehen lassen können und uns dazu äußern müssen. Ich bei PAPA ROACH backstage gewesen und habe mit denen den Geburtstag von Tobin gefeiert, als die Nachrichten kamen und wir gehört haben, was da passiert ist. Die waren dann alle fertig mit den Nerven, hätten ja auch am nächsten Tag in Frankreich spielen sollen. Da merkt man erstmal, wie nah man an diesem Geschehen dran ist. Wie schon gesagt, die Leute da draußen ist die eine Sache, als Band in diesen Zeiten unterwegs zu sein eine andere. Wir gehen jeden Abend mit einem mulmigen Gefühl auf die Bühne.

Kevin: Aber man blendet das aus und denkt gar nicht daran. Aber das auf Facebook, das ist diese typische Internetmentalität, da hat jeder eine hochwichtige Meinung. Aber wir sitzen auch oft hier und reden über Leid, das weiter weg passiert und darüber, was in der Welt abgeht. Aber wir sind in der Musikszene und in genau dieser Szene ist etwas passiert, wir haben also einen direkten Bezug dazu. Wir hatten also das Gefühl, dass diese Situation auch uns betrifft.

Sushi: Es ist ein absolutes Totschlagargument zu sagen, dass in anderen Ländern genau so viel passiert. Du kannst einfach nicht jegliche Instanzen bedienen mit deiner Anteilnahme. Weil dann müsstest du dich auch über die Pandas im Dschungel aufregen, die Tiger, Peta und so weiter. Das sind im Großen und Ganzen gute Sachen, aber du kannst nicht an allen Ecken und Enden agieren. Da müssten wir jeden Tag 15 Mal posten. Aber es ist dann beschissen, wenn Menschen deine Anteilnahme in so ein schlechtes Licht rücken.

Kevin: Was ich schlimm finde ist, wenn die Anteilnahme für Promotion benutzt wird. Habe ich auch schon oft gesehen, da wird dann die Anteilnahme oder Betroffenheit vorgeheuchelt, um sich in ein gutes Licht zu stellen. Das finde ich schrecklich. Aber im Endeffekt ist die Summe aller sich kümmernden Menschen gut und wie kann man sich über Gutes beschweren? Das macht keinen Sinn! Da müsste man auch Peta vorwerfen, warum sie sich nicht endlich um hungernde Kinder kümmern. Jeder hat seinen Bereich und seine Richtung und es passt.

 

Vielen lieben Dank dafür, dass ihr euch die Zeit genommen habt. Ich wünsche euch weiterhin noch sehr viel Spaß und vor allem Erfolg. Die letzten Worte gehören euch.

Kevin: Wir sind gerade wieder an einem neuen Album und da wird’s im nächsten Jahr auch wieder eine große Tour geben. Wann das Album genau rauskommt wissen wir aber noch nicht, wir wollen uns da nicht so viel Stress machen - es soll halt ein richtig geiles Album werden. Zudem hoffen wir, dass viele auch weiterhin mit dabei sind, wenn wir mit dem neuem Album auf Tour gehen.


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